Hamburg. Der Hamburger Senat prüft, ob die Proficlubs zur Kasse gebeten werden können. Wie Befürworter argumentieren, was der HSV entgegnet.
Am Sonntag war Sören Schumacher beim Fußball. Der Bürgerschaftsabgeordnete der SPD ist seit 25 Jahren HSV-Fan und freute sich, dass beim Heimsieg gegen Jahn Regensburg (5:0) wenig Polizisten zum Einsatz kamen, es friedlich blieb und gleich fünf Tore zu bestaunen waren. Beim HSV ist Schumacher kein Unbekannter. Im März traf der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hamburger Rathaus bei einer Diskussionsveranstaltung, in der es um Gewalt im Fußball ging, auf Cornelius Göbel, den Direktor Fankultur beim Zweitligisten.
An diesem Mittwoch gehört Schumacher erneut die große Bühne im Rathaus. Gemeinsam mit Sina Imhof, der innenpolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion, bringt er einen Antrag in die Bürgerschaft ein, der sowohl für den HSV als auch den FC St. Pauli relevant ist. Es soll geprüft werden, inwiefern Fußballvereine an den Polizeikosten bei Hochrisikospielen beteiligt werden können.
HSV positioniert sich gegen Beteiligung an Polizeikosten
Im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ bezeichnet Göbel die Diskussion als „komplex“. Aufgrund des Narrativs, dass im Fußball viel Geld umgesetzt werde, sei der Gedanke zwar „nachvollziehbar, den Kostenapparat durch Gelder der Vereine senken zu wollen“. Am Ende aber positioniert sich der HSV klar dagegen und verweist auf andere Events wie den Hafengeburtstag oder das Oktoberfest mit einer vergleichbaren Polizeipräsenz.
Dort, betont Göbel, seien „die Fallzahlen an Straftaten viel höher“ als beim Fußball. „Wenn Großveranstaltungen polizeilich begleitet werden, ist der Staat so organisiert, dass die Verantwortung bei der Polizei liegt“, sagt der Vertreter des HSV. „Wir versuchen, so gut es geht, zu unterstützen, um den Spieltag so störungsfrei wie möglich zu organisieren.“
Göbel betont, dass das Volksparkstadion für alle Besucher, also auch Familien und Kinder, ein sicherer Ort sei. Daran habe auch der HSV seinen Anteil, indem die Sicherheitsanforderungen „übererfüllt“ würden. So beschäftigt der Club für seine Präventivarbeit sieben Fanbetreuer. Von der DFL gefordert sind hingegen nur zwei. Außerdem findet vor jedem Heimspiel eine gemeinsame Sicherheitsbesprechung mit Polizeieinsatzleiter Kay Strasberg und der Feuerwehr statt. In der Folge sei die Zahl der Einsatzkräfte in den vergangenen Jahren sukzessive reduziert worden.
HSV droht Bremer Regelung: Die Details
Doch das Problem sind nicht die normalen Spiele, bei denen 200 bis 300 Polizisten präsent sind, sondern die Risikospiele. Das jüngste Stadtderby gegen St. Pauli (1:0) sicherten 1600 Beamte ab. Am Ende gab es zwar keine Vorfälle, doch es entstanden immense Überstunden und Mehrkosten, die „von der Allgemeinheit getragen werden“, klagt Schumacher, der eine gemeinsame Lösung mit den Proficlubs anstrebt. Sollte diese ausbleiben, sieht er einen bundesweiten Polizeikosten-Fonds als letzte Option, durch den die Vereine „fair an den Einsatzkosten beteiligt“ werden sollen.
Bevor es dazu kommt, wollen die Hamburger Regierungsfraktionen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Bremer Streitfall abwarten. Das Bundesland Bremen stellt der Deutschen Fußball-Liga bereits seit 2015 jeden Polizeieinsatz bei Risikospielen mit 365.000 Euro in Rechnung. Der Gebührenbescheid, der von der DFL an Werder Bremen weitergeleitet wird, ergibt sich aus der Differenz zwischen den entstehenden Kosten bei Risikospielen (490.000 Euro) und den Kosten für normale Spiele (125.000 Euro). Über die Jahre ist eine Summe von rund 2,5 Millionen Euro entstanden, die für Werder zum Standortnachteil geworden ist.
Die HSV-Argumente im Polizeikosten-Streit
Droht dem HSV nun ein ähnliches Schicksal? Göbel, der sich schon länger mit der Politik im Austausch befindet, plädiert für einen differenzierten Blick. „Uns eint die Zielrichtung, hohe Polizeikosten reduzieren und keine Gewalt erleben zu wollen. Wir müssen nur über den Weg sprechen. Die Weitergabe der Polizeikosten löst nicht alle Probleme“, stellt er klar, dass gerade die so wichtige Präventivarbeit nicht einfach aufhört, nur weil eine Rechnung von A nach B geschickt wird. „Der Fußball ist nicht verantwortlich für die gesellschaftlich zunehmende Gewalt.“
Laut seiner Rechnung passiere in „95 bis 97 Prozent“ der Fälle „rein gar nichts“ in Fußballstadien. Doch es gebe durchaus „Momente, in denen das Verhalten der Fans problematisch“ sei. Solche Vergehen müssen „klar benannt werden“, sagt Göbel, der genau das im März getan hat.
Wie der HSV Gewalt präventiv bekämpft
Rückblick: Als Reaktion auf den umstrittenen Polizeieinsatz von Bergedorf, bei dem 855 HSV-Fans teilweise sieben Stunden lang unter fragwürdigen hygienischen und humanitären Bedingungen festgehalten worden waren, hatten HSV-Ultras die Polizei mit Spruchbändern wie „Ganz Hamburg hasst die Polizei“ und „ACAB“ („All Cops Are Bastards“) zum Feindbild erklärt.
Mit einer verbrannten Polizeiuniform erreichte der Konflikt seinen Höhepunkt. Eine klare Straftat, die auch ein Stadionverbot zur Folge gehabt hätte, wenn die vermummte Person identifiziert worden wäre. „Hier steht gerade viel auf dem Spiel“, teilte Göbel anschließend mit und appellierte an die Eigenverantwortung der Fans. Gleichzeitig fanden viele Gespräche im Hintergrund statt, um die erhitzten Gemüter zu beruhigen.
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„Diesen Einflussbereich wollen wir auch weiterhin nutzen“, unterstreicht Göbel und nennt als Beispiel einen in der kommenden Woche stattfindenden Gewaltpräventions-Workshop, an dem die „Young Ones“ teilnehmen, also die 13 bis 17 Jahre alten Mitglieder des HSV.
HSV argumentiert gegen Polizeikosten-Beteiligung
Überhaupt zahlen die 36 Erst- und Zweitligisten jährlich 1,3 Millionen Euro für insgesamt 26 Fanprojekte als Präventivmaßnahme. Darüber hinaus, und das ist wahrscheinlich das Hauptargument aus Vereinssicht in dieser Debatte, tragen die Clubs eine nicht unerhebliche Steuerlast, die zur Finanzierung der Polizeieinsätze beiträgt.
„Gerade bei den Hochrisikospielen, bei denen – und das ist ein leidiges Thema für die Fanszene – die Kartenpreise sehr teuer sind, zahlen wir mehr Steuern“, argumentiert Göbel. „Außerdem, und das darf in dieser Auseinandersetzung nicht vergessen werden, profitiert eine gesamte Infrastruktur von unseren Heimspielen: die Tourismusbranche und Hotellerie sowie die Bahn, der HVV und Fluglinien.“
Göbel hofft, dass seine Argumente in der gesellschaftlichen und politischen Debatte nicht untergehen. Am Ende hätten doch alle Beteiligten ein Interesse an „höchsten Sicherheitsvorkehrung, maximalem Ausleben von Fankultur und bestenfalls auch schönem Fußball wie gegen Regensburg“. Eine Aussage, die auch Schumacher teilen dürfte.