Hamburg. Bisher tragen Steuerzahler die Polizeieinsätze beim Fußball. Parteien für bundesweiten Kosten-Fonds. Auch Präsident Göttlich übt Kritik.
Fußballspiele begeistern Millionen Sportfans, für den Steuerzahler sind sie allerdings oftmals ein teurer Spaß – so auch in Hamburg. Für das Lokalderby zwischen HSV und St. Pauli im Dezember 2023 beispielsweise musste die Stadt allein 129.944 Euro an andere Bundesländer überweisen, weil diese Bereitschaftspolizisten geschickt hatten. Die Personalkosten der Hamburger Polizei sind da noch gar nicht mit eingerechnet.
Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen im Hamburger Rathaus wollen nun eine andere Kostenaufteilung. Das wichtigste Ziel ihres gemeinsamen Antrags an die Bürgerschaft: Nun sollen auch die Profivereine an den Einsatzkosten beteiligt werden. Denn die sind gerade bei Risikospielen mit untereinander verfeindeten Fangruppen immens. „Besonders bei sogenannten Risikospielen ist der hohe Personalaufwand der Polizei finanziell eine Herausforderung, die aktuell vom Gemeinwesen getragen wird“, sagt Sina Imhof, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Unser Ziel ist es, die Kosten langfristig zu reduzieren und die Vereine über einen bundesweiten Polizeikosten-Fonds fair an den Ausgaben zu beteiligen.“
Fußball: Hamburg will Profiklubs an Polizeikosten beteiligen
Im Blick haben SPD und Grüne dabei die sogenannte Bremer Gebührenordnung, mit der sich aktuell das Bundesfassungsgericht befasst. Sollten die Verfassungsrichter die Bremer Gebührenordnung bestätigen, wollen Hamburgs Regierungsfraktionen die Einführung eines bundesweiten Polizeikosten-Fonds prüfen lassen, „der die Profivereine fair an den Einsatzkosten beteiligt“. Über den rot-grünen Antrag entscheidet die Hamburgische Bürgerschaft in ihrer Sitzung am 18. September.
Aber auch die Sicherheit bei Fußballspielen soll erhöht werden. „Fußball muss ein gewaltfreies und positives Erlebnis für alle Menschen sein, jeder soll sich in den Stadien und in der Stadt sicher fühlen können. Um das zu erreichen, müssen Stadt, Profivereine, Verbände, Fans und Sicherheitsbehörden gemeinsam an guten Lösungen arbeiten“, so Sören Schumacher, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Der Senat solle in Zusammenarbeit mit den Vereinen, der DFL, dem DFB, der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze und der Bundespolizei prüfen, welche präventiven und repressiven Maßnahmen für mehr Sicherheit in und um die Fußballstadien in Hamburg umgesetzt werden können.
„Allgemeinheit trägt nicht unerhebliche Kosten der Einsätze“
Schumacher: „Daran schließt sich die Frage nach der Finanzierung von leider notwendigen Polizeieinsätzen bei Spieltagen der Profivereine an. Bisher trägt die Allgemeinheit die nicht unerheblichen Kosten dieser Einsätze. Wir müssen hier zu einer fairen Lösung kommen, bei der die Kosten gleichmäßig verteilt werden und die Vereine noch stärker in die Pflicht genommen werden.“
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Mit einem bundesweiten Polizeikosten-Fonds sollten auch die Vereine einen Teil der Kosten für Polizeieinsätze rund um den Spieltag tragen. Grundlage dafür könne das mit Spannung erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Bremer Gebührenordnung sein, wo Veranstalter von gewinnorientierten Großveranstaltungen bereits zur Kasse gebeten werden, um die zusätzlichen Kosten für Polizeieinsätze zu decken. Die Stadt Bremen stellt der DFL die Mehrkosten für Hochrisikospiele teils in Rechnung. Dagegen geht der DFL mit einer Verfassungsbeschwerde vor. Jetzt soll das höchste deutsche Gericht entscheiden.
Fußballspiele in Hamburg sollen auch sicherer werden
Bei dem Vorstoß von SPD und Grünen in Hamburg gehe es aber nicht um das bloße Weiterleiten von Rechnungen, sondern um „neue, verständliche Konzepte, die kostengünstiger für den Staat und gerecht für alle Beteiligten sind – und auf breites Verständnis in der Bevölkerung stoßen“, so Grünenpolitikerin Imhof.
Großes Verständnis bei den Fußballclubs brauchen die Politiker nicht erwarten. Der HSV wollte sich auf Nachfrage offiziell nicht äußern, auch die Supporters, die organisierte Fanszene des HSV, hielt sich am Montag mit einem Statement zurück. Ganz im Gegenteil zum FC St. Pauli und seinen Fans, die den Vorschlag der Politik auf Anfrage schwer kritisierten.
„Wir diskutieren erneut nur über Symptome und Repression, nicht über Ursachen und Prävention“, kritisiert beispielsweise St. Paulis Präsident Oke Göttlich, der fragt: „Wer soll entscheiden, welche Einsätze von Großveranstaltern bezahlt werden und welche vom Staat? Der Veranstalter selbst ist weder Störer noch hat er die Störungen veranlasst. Zahlen soll er trotzdem.“
St. Paulis Präsident Göttlich kritisiert Politikpläne
Göttlich gibt zu bedenken: „Die Clubs haben weder Einfluss auf die Gebühren noch auf die Einsatzplanung. Das führt bei jedem zumindest risikobehafteten Heimspiel zu einem juristischen Verwaltungsaufwand, weil die Höhe der erhobenen Gebühren auf Plausibilität geprüft werden müssen. Dies kann im Übrigen auch für die Polizei ein erheblicher Mehraufwand sein, wenn alle Einsatzmaßnahmen genau dokumentiert und begründet werden müssen.“
Göttlichs Fazit zum SPD- und Grünenvorstoß: „Die Idee, die Kosten auf die Clubs umzulegen, schafft juristische Unsicherheiten und ist rechtsstaatlich fraglich, belastet außerdem gerade Vereine in Ballungszentren und mit großen Fankulturen möglicherweise finanziell weiter. Dies führt im Endeffekt zu weiteren Eingriffen in die sportliche Wettbewerbsfähigkeit. Auch eine nun diskutierte Fondlösung, bei der Vereine gemeinschaftlich in einen “Topf” einzahlen, birgt Rechtsunsicherheiten.“ Sein Schlusswort: „Es wäre effektiver, mehr über Prävention und gegenseitige Deeskalation zu diskutieren – politisch, aber auch medial.“
Auch Fans sehen Vorstoß kritisch
Ähnlich äußert sich auf Nachfrage auch St. Paulis Fanladen, das inoffizielle Sprachrohr der organisierten Fanszene: „Veranstalter und Veranstalterinnen für Polizeieinsätze zur Kasse zu bitten, öffnet eine Büchse der Pandora. Sicherheit ist Teil staatlicher Daseinsfürsorge und muss damit über Steuern abgegolten sein, zudem müssen für Fußball, Schlagermove und Cyclassics prinzipiell die gleichen Rahmenbedingungen gelten.“
Die Anhänger geben zu bedenken: „Andere Großveranstaltungen sind nicht sicherer als Fußballspiele, Schlägereien und Diebstähle auf dem Hamburger Dom finden nur selten vor Kameras und im Fernsehen statt. Zudem produzieren gerade massive Polizeieinsätze von vornherein Bilder, bei denen Fans als gefährliches polizeiliches Gegenüber wirken. Politisch sollte hier verstärkt an Konzepten gearbeitet werden, die es erlauben Fans und Polizei für Deeskalation in Verantwortung zu nehmen.“
Fans: Lieber in Sozialarbeit investieren
Ähnlich wie Göttlich wollen auch St. Paulis Fans lieber in die Sozialarbeit investieren: „Der Fußball investiert in professionelle Fanarbeit, die gewaltpräventiv mit den Fanszenen zusammenarbeitet und oft erfolgreich zwischen Fans und Polizei vermitteln kann. Wir würden es begrüßen, die soziale Arbeit mit Fußballfans weiter zu stärken, statt Symbolpolitik mit Kostenbescheiden zu machen.“
Anders als die Clubs und die Fans begrüßt der Bund der Steuerzahler die Pläne der Politik ausdrücklich: „Unsere Landesverbände fordern schon seit längerer Zeit, dass sich die Fußballvereine an den Kosten beteiligen und den Schutz ihrer Spiele nicht nur den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aufbürden, während sie gleichzeitig an den Spielen verdienen“, sagt der Hamburger Landesvorsitzende Sascha Mummenhoff, der auch für Mecklenburg-Vorpommern die Geschäftsführung hat. Er appellierte „an die SPD-geführte Landesregierung in MV, diesem Beispiel zu folgen.
Polizeieinsatz bei Fußballspiel: Alle verdienen, nur der Steuerzahler bleibt auf Kosten sitzen
Aber: Für die Einrichtung eines solchen Fonds sei es wichtig, dass die Bundesländer die Kosten, die im Zusammenhang mit diesen Hochrisikospielen entstehen, überhaupt genau ausrechnen. „In Hamburg ist man aktuell nicht in der Lage, die anfallenden Personal- und Sachkosten für diese Einsätze zu beziffern“, so Mummenhoff. Das erschwere es, glaubwürdige Forderungen zu stellen. „Die Innen- und Finanzbehörden sind nun angehalten, in diesem Punkt für Klarheit zu sorgen!“
Der Steuerzahlerbund verweist beispielhaft auf eine Begegnung in Hamburg im Zuge der ersten Hauptrunde im DFB-Pokal Mitte August. Dort spielten mit dem 1. FC Phönix Lübeck und der Borussia Dortmund zwei Vereine aus anderen Bundesländern im Hamburger Volksparkstadion. Den Polizeieinsatz übernahm die Hansestadt Hamburg, während drei Vereine verdient hätten: der HSV mit der Stadionmiete, Lübeck und Dortmund an den anteiligen Ticketeinnahmen sowie der Antrittsprämie des DFB. „Sollen die Steuerzahler in diesen Deals wirklich die Dummen bleiben?“ fragt Mummenhoff. Die Frage dürfte rhetorisch gemeint sein.
In Hamburg wurde es in der Vergangenheit oftmals insbesondere dann teuer, wenn Hansa Rostock nach Hamburg kam. 126.183 Euro und 88 Cent gab die Stadt für auswärtige Polizisten aus, als im Februar vergangenen Jahres die Spieler von der Ostsee im Millerntor-Stadion spielten. Gut 50.000 Euro waren es im September 2023, zuvor gut 73.000 Euro im Juli 2022. Zumindest hier gibt es eine deutliche Entlastung: Seit der FC St. Pauli in die Erste Bundesliga aufgestiegen ist, trifft die Mannschaft nicht mehr auf Rostock mit den verfeindeten Fans. Auch Lokalderbys zwischen St. Pauli und dem HSV, der weiterhin in der Zweiten Bundesliga spielt, wird es in dieser Saison nicht geben.