Hamburg. Ein Jungprofi soll den HSV verlassen, um den Umbruch im Kader zu finanzieren. Für beide gibt es finanzstarke Interessenten.
Am Montag sollte es im Volkspark wieder voll werden. Zumindest ein wenig voller als zuletzt. Nachdem HSV-Trainer Tim Walter am Freitag – genau vier Wochen vor dem Saisonauftakt der Zweiten Liga beim FC Schalke 04 – nur mit elf Feldspielern auf dem Platz arbeiten konnte, hatte der HSV die Hoffnung, dass sich die Kabine zu Wochenbeginn wieder mit Rückkehrern füllt.
Zunächst einmal wird sie das aber mit einem Neuzugang: Ludovit Reis (21) stellt sich am Montag der Mannschaft vor. Der Niederländer ist der fünfte Neuzugang und soll erstmals mit seinem neuen Team trainieren, wenn die bislang noch fehlende Unterschrift des FC Barcelona übermittelt wird.
Eigentlich sollten am Montag auch die Urlauber Josha Vagnoman (20) und Amadou Onana (19) beim HSV erscheinen. Und während Vagnoman nach einem negativen Corona-Test wieder mit der Mannschaft trainieren darf, muss Walter auf Onana vorerst weiter verzichten. Der Belgier hat sich in seinen Ferien mit dem Coronavirus infiziert, wie ein Test in Süddeutschland vor seiner Rückreise nach Hamburg ergab.
Onana muss sich nun in seiner Heimat bei Hoffenheim in Quarantäne begeben. Er fällt für das am Dienstag beginnende Trainingslager des HSV in Grassau am Chiemsee ebenso aus wie Neuzugang Robert Glatzel, der vor seinem Start beim HSV ebenfalls positiv getestet wurde.
Onana trennt sich von Berater – und vom HSV?
„Das Wichtigste ist natürlich immer die Gesundheit unserer Jungs und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir wünschen Amadou einen milden Verlauf und werden ihn wie Robert bestmöglich unterstützen“, sagt Sportdirektor Michael Mutzel. Auch Onana selbst meldete sich zu Wort: „Das Testergebnis hat mich überrascht und enttäuscht, da ich im Trainingslager wieder voll einsteigen wollte. Dennoch werde ich den Kopf nicht hängen lassen. Es gilt jetzt, Geduld zu bewahren und die Vorgaben genau zu beachten. Ich freue mich schon darauf, wieder bei den Jungs zu sein.“
Ob und wann Onana wieder mit dem HSV trainiert, ist allerdings nicht nur wegen seiner Corona-Infektion offen. Der belgische U-21-Nationalspieler gilt genau wie der deutsche U-21-Europameister Josha Vagnoman als Verkaufskandidat. Wenn der HSV in diesem Transfersommer noch eine nennenswerte Ablösesumme erzielen will, um den erneuten Umbruch im Kader zu finanzieren, dann tut er das mit einem der beiden. Und immer mehr deutet daraufhin, dass es Onana werden wird.
Lesen Sie auch:
Der ehemalige Hoffenheimer hat sich gerade von seinem Berater Tobias Becker getrennt, der ihn seit der U17 betreut hatte. Seine Schwester Melissa will sich nun allein um die Zukunft ihres Bruders kümmern. Und die scheint nicht beim HSV zu liegen. Auf Abendblatt-Nachfrage verwies Melissa Onana am Sonntag zwar auf den bis Juni 2024 laufenden Vertrag beim HSV. Die Trennung von Becker begründet sie mit „unterschiedlichen Meinungen und Vorstellungen“.
HSV-Juwel Onana wurde vom BVB beobachtet
Wie die Vorstellungen der Familie Onana aussehen, ist aber klar. Ihrer Ansicht nach gehört der talentierte Belgier nicht längerfristig in die Zweite Liga, sondern perspektivisch zu einem Topclub. Schon im November soll der HSV aus Onanas Umfeld das Signal erhalten haben, dass der Jungprofi zeitnah einen Wechsel anstrebe. Der defensive Mittelfeldspieler gehörte in dieser Phase zu den Aufsteigern der Saison.
Nach Abendblatt-Informationen wurde Onana im Verlauf der Saison auch von Borussia Dortmund beobachtet. Natürlich weiß auch die Familie, dass sie mit ihrem Amadou viel Geld verdienen kann. Und dieses soll künftig auch bei einem möglichen Transfer in der Familie bleiben.
„Es gibt keine Menschen in der Welt, denen wir mehr trauen als uns gegenseitig“, sagte Melissa Onana vor einem halben Jahr im Interview mit dem Abendblatt auf die Frage, ob ihr Bruder sich mal einen eigenen Berater suchen könnte. Die Trennung von der Agentur SBE verdeutlicht ihre Aussage nun.
HSV-Schmerzgrenze soll bei acht Millionen Euro liegen
Dass Onana mit seinem Potenzial beim HSV nicht alt wird, weiß jeder. Die Frage, die sich der Club schon jetzt beantworten muss, lautet: Wann ist der beste Zeitpunkt, ihn zu verkaufen? Bei einem Angebot von acht Millionen Euro aufwärts wäre der HSV bereits in diesem Sommer gesprächsbereit. Möglicherweise könnte diese Summe aber noch deutlich steigen, wenn Onana noch eine gute Saison beim HSV spielt und die Clubs wieder mehr Wirtschaftskraft haben.
Der HSV wiederum könnte die finanziellen Mittel schon jetzt gut gebrauchen. Der Wechsel des Trainerstabs, die Abfindungen für freigestellte Spieler, die bisherigen Einkäufe und die noch fehlenden Neuzugänge auf verschiedenen Positionen kosten den Club viel Geld.
Auch Vagnoman kann sich Wechsel vorstellen
Geld, das die Hamburger auch mit einem Verkaufs Vagnomans einnehmen könnten. Der Außenverteidiger, der vor drei Wochen mit der deutschen U-21-Nationalmannschaft Europameister wurde, kann sich einen Wechsel auch vorstellen. Ohne die Zustimmung seines Vaters Karaboue, der bei fast jedem Training im Volkspark zuschaut, wird Vagnoman aber nicht verkauft.
Auch am Montag wollte Papa Vagnoman wieder beim HSV-Training zugegen sein. Zwei Anfragen aus der englischen Premier League soll sein Filius vorliegen haben. Grundsätzlich würde der Poppenbütteler aber lieber in Deutschland bleiben.
- HSV kassiert zehn Millionen Euro Corona-Staatshilfe
- HSV: Wie es zum großen Knall um Jansen, Bester und den Beirat kam
- Enthüllt: 23,5 Millionen der Stadt an HSV nicht zweckgebunden
- Aerosol-Test mit Puppe beim HSV – Ergebnis überrascht
- Jatta und kein Ende: Erstmals Widerstand aus der Politik
Onana dagegen dürfte einem Angebot aus England sehr offen gegenüberstehen. International unter Beobachtung steht er spätestens seit seinem Debüt für die belgische U-21-Nationalmannschaft vor drei Wochen. Gleich in seinem ersten Spiel für die wichtigste Nachwuchsauswahl durfte der Mittelfeldspieler das Team als Kapitän anführen und traf beim 3:1-Sieg gegen Kasachstan zum zwischenzeitlichen 2:1.
Nun muss Onana nach dem Ende seines Urlaubs aber erst einmal 14 Tage in Quarantäne verbringen. Umso mehr Zeit hat er, sich um seine Zukunft Gedanken zu machen.