Köln/Ljubljana. Lukas Nmecha sichert sich durch seinen Treffer zum 1:0 gegen Portugal auch die Torjägerkrone. HSV hat nun fünf Europameister.
Stefan Kuntz fiel sichtlich bewegt Matchwinner Lukas Nmecha um den Hals, dann hüpfte die gesamte Mannschaft wild und ausgelassen über den Rasen: Die deutsche U21 hat ihre märchenhafte EM dank Torschützenkönig Nmecha mit dem Titel gekrönt. Das Team von DFB-Trainer Kuntz gewann das Finale gegen Portugal im slowenischen Ljubljana verdient mit 1:0 (0:0) und sorgte nach 2009 und 2017 für den dritten und wohl überraschendsten EM-Triumph.
„Ich bin voller Freude und voller Stolz auf die Mannschaft. Das war der Jahrgang, dem man von Anfang an am wenigsten zugetraut hat“, sagte Kuntz. Um 23.07 Uhr reckte Kapitän Arne Maier den Pokal in die Höhe, den einige Spieler vorher schon vorsichtig geküsst hatten.
„Das ist so geil, das glaubst du gar nicht. Wir sind Europameister“, sagte der überragende Niklas Dorsch bei ProSieben: „Jetzt wird gefeiert. Hoffentlich erwische ich morgen das Flugzeug. Die Verantwortlichen sind dafür verantwortlich, mich zum Flughafen zu bringen.“
Nmecha: Schönstes und wichtigstes Tor
Anderlecht-Stürmer Nmecha (49.) traf in einem temporeichen Endspiel für die überlegene deutsche Mannschaft. Der Angreifer sicherte sich mit seinem vierten Turniertor zudem den goldenen Schuh für den besten EM-Torschützen. Vor der Pause hatte Leverkusens Jungstar Florian Wirtz bereits die Latte getroffen.
„Kann sein, dass das Tor das schönste und wichtigste in meiner Karriere war“, sagte der gebürtige Hamburger Nmecha, an dessen Rückkehr in seine Heimatstadt der HSV in der Vergangenheit wiederholt interessiert war. „Nicht viele haben an uns geglaubt, aber wir haben zusammengehalten und gekämpft“, so der Siegtorschütze weiter. „Wir sind ein Team, alle haben ihre Rolle gespielt. Die ganze Mannschaft hat das heute super hingekriegt.“
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Eine Mannschaft, die der einzige HSV-Profi im Finale am Sonntag allerdings nur von der Bank aus unterstützen konnte – doch trotz seines verlorenen Stammplatzes darf sich Josha Vagnoman nun als fünfter Hamburger nach Jérôme Boateng und Dennis Aogo (jeweils 2009) sowie Julian Pollersbeck und Gideon Jung (2017) U-21-Europameister nennen.
EM-Titel: Kuntz war eher pessimistisch
Der Titel kommt völlig unerwartet – noch vor einem Jahr war der aktuelle Jahrgang als vergleichsweise schwach eingestuft worden. „Da war ich eher pessimistisch. Aber wie man sieht, ist etwas daraus geworden“, sagte Kuntz. Für den Erfolgstrainer war es im dritten Endspiel in Folge der zweite Titel.
„Meine Spieler sollen die Zuschauer und ihre Familien stolz machen“, sagte Kuntz kurz vor Anstoß. Der Auftakt war aber von Nervosität geprägt. Beim DFB-Team brach immer wieder der starke Ridle Baku vom VfL Wolfsburg auf rechts durch, ohne zum Abschluss zu kommen. Mehr vom Spiel hatte Portugal, vor allem Torjäger Dany Mota war kaum zu halten.
Aus dem Nichts wäre das Kuntz-Team beinahe in Führung gegangen: Ein abgefälschter Schuss von Wirtz, der im Halbfinale gegen die Niederlande (2:1) doppelt getroffen hatte, landete an der Unterkante der Latte und sprang zurück ins Feld (15.). Im sechsten EM-Spiel traf das deutsche Team zum neunten Mal das Gebälk.
Neuer, Becker und Hens als Daumendrücker
Der Lattenknaller wirkte aber wie ein Weckruf. Bis zur Pause bot der deutsche Nachwuchs den technisch überlegenen Portugiesen mit viel Leidenschaft die Stirn und hatte dank früher Balleroberungen sogar die gefährlicheren Abschlüsse. Nmecha, der als einziger deutscher Spieler schon im Endspiel 2019 auf dem Platz gestanden hatte, scheiterte mit einem Lupfer (21.). Eine Führung wäre nach 45 Minuten verdient gewesen, auch wenn Vitinha (45.+1) nach einem Konter leichtfertig vertändelte.
Zahlreiche deutsche Sportstars hatten der U21 vor Anpfiff Glück gewünscht. „Es macht Spaß, euch zuzuschauen. Ihr macht das schon“, sagte etwa Manuel Neuer, der 2009 U21-Europameister geworden war. Auch Boris Becker, Serge Gnabry, Alexandra Popp, der ehemalige Formel-1-Pilot Timo Glock und die Ex-Handballer Pascal Hens und Stefan Kretzschmar drückten die Daumen.
DFB-Vize Koch jubelt auf der Tribüne
Nach der Pause dauerte es keine fünf Minuten bis zur Führung. Baku setzte sich einmal mehr auf rechts durch und bediente Nmecha, der Schlussmann Diogo Costa umkurvte und einschob. Auf der Tribüne jubelten unter den 4883 Zuschauern auch die DFB-Interimspräsidenten Rainer Koch und Peter Peters mit, die ebenso wie Uefa-Präsident Aleksander Ceferin nach Slowenien gereist waren.
Die mit U19-Europameistern gespickten Portugiesen drängten anschließend auf den Ausgleich. Mit Glück, Geschick und hohem Einsatz verteidigte die deutsche Mannschaft die Führung. Stattdessen hatte der 19 Jahre alte Karim-David Adeyemi (Red Bull Salzburg) bei einem Konter sogar das 2:0 auf dem Fuß (72.).