Grassau. HSV-Beirat lässt Jansen als einzigen Kandidaten zu und lehnt Bewerbung von Bester mit 3:2-Stimmen ab. Ist das noch eine Wahl?

Die Verärgerung war Marinus Bester, Philipp Wenzel und Edina Müller anzumerken. In einem offenen Brief ließen die drei ursprünglichen Bewerber für das Präsidium des e. V. am Sonntagvormittag ihrem Frust freien Lauf. „Der Schritt des Beirats lässt uns völlig fassungslos zurück“, teilten der Ex-HSV-Stürmer, der „Fridays for Future“-Sprecher und die Paralympics-Siegerin im Rollstuhl-Basketball von 2012 mit.

Knapp 27 Stunden zuvor hatte jener Beirat die Namen der zugelassenen Kandidaten für die Präsidiumswahl am 7. August veröffentlicht. Doch zur Verwunderung vieler fehlten auf dieser überschaubaren Liste drei Namen – die von Bester, Wenzel und Müller.

Stattdessen ist Marcell Jansen (35) nun als einziger Kandidat für die Wahl zum Präsidenten zugelassen. „Ist das überhaupt noch demokratisch?“, fragten sich viele Fans. „Der HSV-Beirat spannt einen Schutzschirm über Jansen“, kritisierte Ex-Beirat Frank Mackerodt bei Twitter und ergänzte: „Unfassbar!“ Der frühere Supporters-Chef Tim-Oliver Horn schloss sich der Kritik an. „Ich hätte gern eine Wahl gehabt“, twitterte er seine Enttäuschung. Die aktuelle Supporters-Club-Führung um den Vorsitzenden Sven Freese will sich dagegen erst in den nächsten Tagen zu dem Vorgang äußern.

HSV-Beirat stimmt 3:2 gegen Bester

Wie das Abendblatt erfuhr, sind auch Teile des fünfköpfigen Beirats nicht glücklich über ihre eigene Entscheidung, die 3:2 gegen das Team von Bester ausfiel. Der Hintergrund: In der Satzung des HSV e. V. steht, dass es für die Präsidiumswahl mehrere Kandidaten geben soll. Aber eben nur soll, nicht muss.

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Warum aber ist die Bewerbung von Bester, Wenzel und Müller abgelehnt worden? Zum einen, weil sich die drei als Team bewarben, der Beirat um den Vorsitzenden Patrick Ehlers, Mike Schwerdtfeger, Kai Esselsgroth, Paul-Günther Benthien und Hartmut Diekhoff sich aber gegen eine Listen- und für eine Einzelwahl entschied.

Falsches Spiel vom HSV-Beirat mit Bester?

Bester kritisiert nun, vom Beirat lediglich einmal gefragt worden zu sein, ob er auch eine Einzelkandidatur in Betracht zöge, in diesem Gespräch aber keine Information darüber erhielt, im Falle einer laut der Satzung ebenfalls möglichen Listenbewerbung aus dem Rennen zu sein. Der Beirat erwidert, Bester hätte seine Bewerbung an die Bedingung geknüpft, als Team anzutreten.

Ein Vorwurf, den Wenzel in einem bei Twitter veröffentlichten Video energisch zurückwies. Diese Unterstellung sei „falsch und bewusst irreführend“, polterte der 23-Jährige.

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HSV-Beirat: Bester fiel durch wegen Wenzel

Doch es gibt noch einen weiteren Grund, der den Beirat am Team Bester zweifeln ließ. So bestanden innerhalb des Gremiums erhebliche Zweifel an der wirtschaftlichen Kompetenz des studierten Volkswirts Wenzel, der neuer Schatzmeister des e. V. werden sollte und der bereits bei „Fridays for Future“ mit Summen in einer ähnlichen Größenordnung wie im HSV e. V. hantiert. Der Eindruck des Beirats, Wenzel sei der Aufgabe nicht gewachsen, reifte allerdings während eines zweistündigen Gesprächs. „Mir mangelnde Eignung vorzuwerfen, ist schlichtweg Altersdiskriminierung und auch die blanke Angst vor Veränderung“, konterte der Klimaaktivist.

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Der vermeintlich naheliegende Grund, Bester könnte wegen seiner Tätigkeit als Chef einer Spielerberateragentur einen Interessenskonflikt mit dem Amt des Präsidenten haben, spielte in den Überlegungen des Beirats aber keine Rolle. Nach Abendblatt-Informationen wurde dieser Gedanke verworfen, da die Bewerbung von Bernd Wehmeyer, der unter Jansen Vizepräsident werden soll, zugelassen wurde, obwohl Wehmeyer aufgrund seiner Aufgabe als Clubmanager der AG ebenfalls einen Interessenskonflikt haben könnte. Letztlich sollten alle Bewerber gleich behandelt werden.

Doch Wenzel, Bester und Müller fühlen sich ungleich behandelt. Das Trio stand für gesellschaftliche Themen wie Inklusion, Förderung des Amateursports sowie eine schärfere Kontrolle der seit Jahren defizitären Finanzpolitik der AG. Außerdem hätte Bester ein neues Konzept für den Nachwuchs gefordert, um eine bessere Leistungskultur zu entwickeln. Doch daraus wird nun nichts. Offiziell heißt es vom Beirat nur: „Nachfragen zu einzelnen Bewerbungen werden nicht beantwortet.“

HSV-Präsident: Wird Jansen überhaupt gewählt?

Nach der Entscheidung des Beirats ist Jansens Wahl allerdings keinesfalls sicher. Weil er der einzige Kandidat ist, wird es nur einen Wahlgang geben. Der Aufsichtsratschef benötigt eine einfache Mehrheit, um Präsident zu werden. Erhielte er diese nicht, gäbe es weiter keinen Präsidenten. Ein solches, durchaus denkbares Szenario käme einer Bloßstellung des Beirats gleich.

Schon jetzt deutet sich an, dass die aktive Fanszene, die das Team Bester unterstützt hätte, Hunderte Mitglieder mobilisieren wird, um gegen Jansen zu stimmen. Der Vorwurf einiger Anhänger: Jansens mutmaßliche Nähe zu Investor Klaus-Michael Kühne sowie sein fehlendes Gespür für Diversität.

Eine Unterstellung, die Jansen abstreitet, da es unter seiner Führung vor seinem Rücktritt als HSV-Präsident im Februar deutlich leiser um den sonst so meinungsstarken Kühne geworden ist. Fakt ist aber, dass Jansen mit Wehmeyer (69) und e.-V.-Geschäftsführer Michael Papenfuß (66) antritt – also ohne eine Frau, so wie es von den Hamburger Regierungsfraktionen SPD und Grüne für Führungspositionen in Sportvereinen empfohlen wird. Offiziell lassen sich alle drei satzungskonform als Einzelkandidaten aufstellen.

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HSV-Beirat lässt einen Gegenkandidaten zu

Einziger Gegenkandidat für das Amt des Vizepräsidenten ist nun Ralph Hartmann, der sich gegen Wehmeyer zur Wahl stellt. Hartmann war erst im Januar 2019 bei der Präsidiumswahl an Jansen gescheitert. Für den Fall, dass sich Hartmann gegen Wehmeyer durchsetzt, will Jansen das Gespräch mit seinem Rivalen suchen. Klar ist, dass der 35-Jährige kein Interesse an einer Wahl Hartmanns hat.

Viel entscheidender ist jedoch: Wie viele der am 7. August anwesenden Mitglieder haben Interesse an einer Wahl Marcell Jansens?