Hamburg. Während die Veranwortlichen um die HBL-Lizenz bangen, tun sich innerhalb des HSVH tiefe Gräben auf. Muss Vizepräsident Schwalb gehen?
Am Freitag war es beim HSV Hamburg (HSVH) so weit. Nachdem die Schiedsklage ein letztes Mal auf mögliche Grammatik- und Rechtschreibfehler überprüft worden war, schickte der Verein das Dokument in die Zentrale der Handball-Bundesliga (HBL) nach Köln. Nach Abendblatt-Informationen ist die Lizenz-Verhandlung vor dem Schiedsgericht für den 30. Mai angesetzt, drei Tage vor dem letzten Bundesligaspiel in Balingen am 2. Juni. Der Ort steht noch nicht fest, Hannover und Minden/Porta Westfalica sind Optionen. Es ist für den HSVH die letzte Chance, in der Bundesliga zu bleiben.
Der Kampf um die Lizenz ist indes nicht der einzige Konflikt, der die Verantwortlichen des HSVH umtreibt. Im Club scheint ein Machtkampf ausgebrochen zu sein, der zusätzlich vom Lizenzentzug am 3. Mai befeuert wurde. Im Zentrum des Konflikts stehen Präsident Marc Evermann, Vizepräsident Martin Schwalb, Schatzmeister Stephan Harzer und Sebastian Frecke, der Geschäftsführer der Spielbetriebsgesellschaft.
Handball: HSVH-Einstieg von Philipp Müller sorgt für Unruhe
Für Unruhe sorgte zudem der Einstieg des Investors Philipp Müller, der am 2. Mai 4,1 Millionen Euro an den HSVH überwies, diese Summe perspektivisch in Anteile an der Spielbetriebsgesellschaft umwandeln will. Weil das Geld bekanntermaßen erst am Folgetag 65 Minuten nach der gesetzten Frist auf dem GmbH-Konto landete, entzog die HBL den Hamburgern die Lizenz für die nächste Saison.
Diese Panne lasten Teile des Präsidiums Geschäftsführer Frecke an. Ihm wird „fahrlässiges Verhalten“ vorgeworfen. Harzer gehört dabei zu den schärfsten Kritikern Freckes. Bereits den Einstieg von Geldgeber Müller wollte der Schatzmeister verhindern, weil er neue Abhängigkeiten befürchtete. Eine Alternative konnte er nicht bieten. Frecke blieb keine Wahl, um die errechnete Liquiditätslücke zu schließen.
Auch wenn Müller, der zum Team und zu den Trainern bereits ein vertrautes Verhältnis aufgebaut hat, sein Engagement im Vorwege nicht an Personalentscheidungen geknüpft haben will, dürfte es dennoch zu Veränderungen in der Besetzung des Präsidiums kommen. Harzer und Schwalb könnten bei einem möglichen Revirement ihre Posten verlieren.
Martin Schwalb steht stark in der Kritik
Schwalb, der als Trainer mit dem HSV Hamburg Meisterschaft, DHB-Pokal, Europapokal und Champions League gewann, steht dabei offenbar stärker als Harzer unter Druck. Aus Vereinskreisen wird ihm vorgeworfen, den Anforderungen aus seinem Beratervertrag nur unzureichend nachzukommen. Schwalbs Befürworter, zu denen in erster Linie Präsident Evermann gehört, halten dagegen, dass der frühere Nationalspieler mit seiner Bekanntheit und Beliebtheit weiter dabei helfe, Sponsoren- und Spielerkontakte zu knüpfen. „Was Schwalb für den Verein leistet, wird von vielen stark unterschätzt“, sagte Evermann.
Für zusätzlichen Druck könnte nun Müller sorgen, wenngleich dieser das bestreitet. „Es wäre anmaßend, wenn ich meine Unterstützung an Ämter oder Umstrukturierungen im Verein geknüpft hätte. Ich habe dem Präsidium, der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat lediglich mitgeteilt, dass man mich gern ansprechen darf, wenn sie sich vorstellen könnten, dass ich dem Gesamtkonstrukt in irgendeiner Position helfen kann“, sagte er vergangene Woche dem Abendblatt.
Der Aufsichtsrat ist auseinandergebrochen
Während Frecke ein gutes Verhältnis zu Müller pflegt, ihn Teile des Präsidiums aber kritisch sehen, könnte Müller ein Posten im Aufsichtsrat angeboten werden. Denn von dem ist fast nichts mehr übrig. Obwohl auf der Internetseite immer noch Aufsichtsratschef Christoph Strenger, Markus Wedel, Markus Gutendorff, Kay Spanger und André van de Velde als Mitglieder des Kontrollgremiums aufgeführt werden, sind nur noch Strenger und van de Velde aktiv.
Wedel, Gutendorff und Spanger hingegen sind innerhalb des vergangenen Jahres zurückgetreten, weil sie mit ihrer Rolle unzufrieden waren. Aufsichtsratschef Strenger wird sein Amt am 27. Mai auf der Mitgliederversammlung ebenfalls abgeben. Dort wird das Kontrollgremium neu aufgestellt, nur van de Velde bleibt. Laut Vereinssatzung müssen vier Vertreter gewählt, drei weitere könnten ernannt werden.
Aufsichtsrat hatte keine richtige Kontrollfunktion mehr
Mögliche Kandidaten sollen bereits angesprochen worden sein und einige ihr Interesse signalisiert haben. Die künftigen Räte dürften starkes Interesse daran haben, infolge struktureller Veränderungen künftig größeren Einfluss auf die operative Führung zu erhalten – damit sich Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.
Einer dieser Fehler, die den HSVH erst in die finanzielle Schieflage geraten ließ, hängt mit dem Anteilsverkauf zusammen. „Wir werden die Anteile auf viele Schultern verteilen. Es wird voraussichtlich mehrere Anteilseigner mit Beteiligungen zwischen einem und fünf Prozent geben. Unser Ziel sind maximal 20 Unternehmer und Unternehmen als Anteilseigner. Einige Interessenten sind aktiv auf uns zugekommen, wir haben aber auch schon Gespräche mit Unternehmen aus unserem bisherigen Partnerkreis geführt“, hatte Geschäftsführer Frecke im Frühjahr 2023 im Abendblatt-Interview betont.
Hapag-Lloyd wollte keine Anteile erwerben
Tatsächlich hielt der 38-Jährige daraufhin im Sommer vergangenen Jahres vor ausgewählten Sponsoren eine Präsentation, in der er die Möglichkeit aufzeigte, Anteile an der Spielbetriebsgesellschaft zu erwerben. Unter diesen Unternehmen befand sich auch Hauptsponsor Hapag-Lloyd. Der HSVH erhoffte sich, dass mehrere Partner einsteigen und so für mehrere Millionen Euro sorgen. Es kam anders. Abgesehen von der Aktiva Hansa Beratung im Gesundheitswesen stieg kein einziges Unternehmen ein. „Hapag-Lloyd ist Sponsor, kein Investor. Wir haben es immer abgelehnt, Anteile zu kaufen – und das wird auch so bleiben“, teilte etwa der Hauptsponsor auf Nachfrage mit.
Der HSVH hingegen soll jedoch bis zuletzt darauf gehofft haben, ehe Börsenspezialist Müller auf einen Schlag 4,1 Millionen Euro gab. Sollte diese Summe in Anteile umgewandelt werden, würde Müller 19,65 Prozent an der Spielbetriebsgesellschaft halten. Damit wären auch die verfügbaren 24,9 Prozent Anteile veräußert, die weiteren Anteilseigner sind Präsident Evermann sowie das langjährige Präsidiumsmitglied Sven Hielscher.
- Lizenz-Drama löst fast Tränen bei HSVH-Profi aus: „Es tut weh“
- HSVH-Rettung vor Schiedsgericht? „Hoffnung ist relativ groß“
- Mortensen zu Lizenz-Schock: „In dem Moment ganz andere Probleme“
Das Abendblatt sprach mit allen Verantwortlichen des Vereins, offiziell äußern wollte sich keiner. Der Tenor: „Nach der Entscheidung des Schiedsgerichts werden wir die vergangenen Monate gemeinsam aufarbeiten, aus der Analyse dann die nötigen Konsequenzen ziehen.“ Selbst für einen möglichen Neustart in der Dritten Liga, für die der HSV Hamburg jetzt vorsorglich meldete, stünden Teile des Präsidiums bereit. An diesem Sonnabend (18 Uhr/Dyn) ist noch mal Bundesliga: Der HSVH tritt beim SC DHfK Leipzig an. Sportlich ist die Partie wenig bedeutsam – aber für alle Beteiligten vielleicht mal eine willkommene Abwechslung.