Hamburg. Handballer des HSV Hamburg sind überzeugt, dass sie vor dem Schiedsgericht siegen. Wie der Verein im Hintergrund den Prozess plant.

Am Montagvormittag wurde es voll auf der Geschäftsstelle des HSV Hamburg (HSVH). Bevor um 10 Uhr das erste Mannschaftstraining nach der bitteren Lizenz-Absage der Handball-Bundesliga (HBL) anstand, wollten die Verantwortlichen die Spieler und den Trainerstab persönlich über den Stand der Dinge informieren. Abgesehen von Geschäftsführer Sebastian Frecke, der digital zugeschaltet war, waren Schatzmeister Stephan Harzer und Aufsichtsrat André van de Velde vor Ort, um die Lage zu erklären.

Zeitgleich begann bei der HBL in Köln eine Präsidiumssitzung, bei der über die Beschwerde des HSVH entschieden wurde. Zur Erinnerung: Die Liga hatte den Hamburgern am Freitagnachmittag die Lizenz für die kommenden Bundesligasaison verwehrt, weil eine von der Lizenzierungskommission errechnete Liquiditätslücke in Höhe von 4,1 Millionen Euro nach Ansicht der HBL nicht bis zum Fristablauf um 12 Uhr geschlossen war, sondern das Geld erst eine Stunde später um 13 Uhr auf dem Konto der HSVH-Spielbetriebsgesellschaft eingegangen war.

Handball: HSV Hamburg hielt die Lizenz-Frist laut HBL nicht ein

„Wenn man eine klare Frist gesetzt bekommen hat, gilt diese Frist auch“, sagt der renommierte Sportrechtler Horst Kletke im Gespräch mit dem Abendblatt. Auch das HBL-Präsidium traf am Montag keine Kulanzentscheidung, teilte nach seiner Sitzung mit: „Das Präsidium folgt insbesondere der Bewertung der Lizenzierungskommission, dass dem Handball Sport Verein Hamburg mit der gesetzten Frist bis Freitag, 03. Mai 2024, 12.00 Uhr, also von 16 Tagen, ausreichend Gelegenheit gegeben worden ist, den Nachweis seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch Schließung der ermittelten erheblichen Liquiditätslücke zu erbringen.“

Es war eine weitere schlechte, aber doch von allen Beteiligten erwartete Entscheidung der HBL. Der HSVH kündigte wenig später an, den Weg über das Schiedsgericht der HBL zu gehen. Bis kommenden Freitag muss dort ein entsprechender Protestantrag des HSVH eingehen. Neben dem Vorsitzenden Richter, dem Bochumer Rechtsanwalt Christoph Wieschemann, entscheiden dort auch zwei Beisitzer, die von der HBL und vom HSVH entsandt werden. Zudem wird der HSV Hamburg ein weiteres Anwaltsteam zur Verhandlung schicken.

Schiedsgerichts-Beschluss wäre die finale Entscheidung

Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist final, eine weitere Instanz ist im Prozess der HBL nicht vorgesehen. Sollte es bei der aktuellen Entscheidung bleiben, müsste der HSVH in der kommenden Saison in der Vierten Liga antreten. Wie aus dem Vereinsumfeld zu hören ist, wäre der Profihandball in Hamburg damit wohl über Jahrzehnte beerdigt, kaum ein Sponsor würde sich wohl zukünftig noch mal auf Handball einlassen.

Umso akribischer bereitet der HSVH deshalb die Schiedsklage vor. Wie aus dem Verein zu hören ist, sind die Verantwortlichen nach wie vor optimistisch, vor dem Schiedsgericht mit ihren Argumenten zu überzeugen. Dies wurde auch der Mannschaft und dem Trainerteam vor dem Training am Montag vermittelt.

HSVH-Anwaltsteam umfasst vier externe Volljuristen

Aufsichtsrat van de Velde, der hauptberuflich als Anwalt für Arbeits- und Verkehrsrecht zuständig ist, koordiniert nach Abendblatt-Informationen ein Team von vier Volljuristen, von denen einer als Beisitzer des Schiedsgerichts entsandt werden soll. Die anderen werden den HSVH vor dem Schiedsgericht anwaltlich vertreten. Die HBL könnte etwa Justiziar Andreas Thiel als Beisitzer entsenden.

Die Hauptargumentationslinie des HSVH dreht sich nach Abendblatt-Informationen um die 4,1 Millionen Euro. Während der HSVH bereits beim ersten Lizenzantrag angegeben hatte, eine Summe dieser Größenordnung im Laufe der kommenden Saison mithilfe von Sponsoren und Investoren einzusammeln, reichte der Lizenzierungskommission dieses Verpflichtungsgeschäft nicht aus.

HBL verlangte eine aktuelle Bankgutschrift über 4,1 Millionen Euro

Stattdessen verlangte die HBL, dass die von ihr errechneten 4,1 Millionen Euro bereits jetzt zur Verfügung stehen, also auf dem Konto der HSVH-Spielbetriebsgesellschaft eingehen sollten. Der Grund dafür waren Verbindlichkeiten in siebenstelliger Höhe, die teilweise aktuell, teilweise erst im Laufe der kommenden Saison gedeckt werden mussten. Konkret verlangte die HBL deshalb den Nachweis einer aktuellen Bankgutschrift.

An dieser Stelle wird es pikant. Der Verein hatte einen entsprechenden Überweisungsauftrag, der mit einem schriftlichen Annahmevermerk der ausführenden Bank bestätigt wurde, bereits am vergangenen Donnerstag bei der HBL vorgelegt. Dieser Überweisungsauftrag reichte der HBL im Nachhinein aber nicht. „Wichtig ist, dass der Überweisungsauftrag auch gedeckt ist und die Bank das bestätigt. Eine reine Bestätigung des Überweisungsauftrags reicht aus meiner Sicht nicht aus, es muss auch eine Garantie der Werthaltigkeit dieses Auftrags geben“, sagt Rechtsanwalt Kletke dem Abendblatt.

Verein ist von seiner Argumentation überzeugt

Weil der HSVH aus HBL-Sicht diese Werthaltigkeit nicht mitlieferte, sah die Lizenzierungskommission ihre Bedingung, die 4,1 Millionen Euro fristgerecht aufzutreiben, als nicht erfüllt an. Erst eine Stunde nach Fristende konnte der HSVH bekanntermaßen nachweisen, dass das Geld auch tatsächlich auf dem Konto eingegangen ist. Dies ist zumindest aus Vereinssicht der endgültige Beweis, dass der eingereichte Überweisungsauftrag substanziell genug war. Die Auffassung der HBL sei hingegen beweisrechtlich nicht tragbar, heißt es aus dem Verein.

„Wir sind auch nach eingehender juristischer Prüfung der Überzeugung, dass der Verein die Lizenz für die kommende Saison erhalten müsste und werden deshalb fristgerecht Schiedsklage beim Schiedsgericht einreichen, um dort eine Entscheidung zu unseren Gunsten zu erreichen“, sagte Aufsichtsrat van de Velde.

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Richter Wieschemann und die beiden Beisitzer müssen mehrheitlich eine Entscheidung treffen, ein Verhandlungstermin dürfte zeitnah angesetzt werden. Durch eine solche Entscheidung erhielt der damalige HSV Handball 2014 doch noch die ursprünglich verweigerte Lizenz für die Saison 2014/15. Im Anschluss klagte sich der eigentlich abgestiegene HBW Balingen-Weilstetten zurück in die Bundesliga, die den Spielbetrieb dann mit 19 Vereinen aufnahm. Für die Hamburger war dann am 20. Januar 2016 Schluss. Nachträglich wurde die Lizenz für die Saison 2015/16 entzogen.

Die Spieler des HSVH gingen am Montagvormittag am Ende des Informationsaustauschs mit den Verantwortlichen mit gemischten Gefühlen in die Trainingshalle. Einerseits versicherten die Verantwortlichen ihren Optimismus, dass man auch zur neuen Saison wieder gemeinsam in der Halle stehe, andererseits konnte dafür auch keine Garantie gegeben werden. Fest steht nach Abendblatt-Informationen bisher nur, dass die Mannschaft diese Saison nicht vorzeitig abbrechen wird. Der Spielball liegt jetzt aber beim Schiedsgericht.