Hamburg. Ein laufender Prozess: Nach dem Aufstieg muss der Kader verstärkt werden, es könnte nach Marcel Hartel auch noch weitere Abgänge geben.
„Die Arbeit geht erst richtig los, wenn die der Spieler beendet ist“, sagt Andreas Bornemann. Während die Profis des FC St. Pauli nach dem Feiermarathon rund um den Bundesligaaufstieg in den Urlaub fahren, oder noch als „Zugabe“ bei ihren Nationalmannschaften aktiv sind, sitzt der Geschäftsleiter Sport wieder in seinem Büro an der Kollaustraße und verfeinert die Planungen für die anstehende Erstklassigkeit.
„Ich hatte wenige Tage frei, dann eventuell im Oktober wieder“, erzählt er im Gespräch mit dem Abendblatt, „das ist für mich aber nichts Ungewöhnliches.“ Gerade erst wurde der endgültige Zeitplan für den Neustart in die erste Bundesligasaison seit 13 Jahren fixiert.
FC St. Pauli: Trainingsbeginn am 8. Juli
Sechs Wochen Vorbereitung wird es geben, das erste Training steigt am 8. Juli. Schon vorher werden die Spieler jedoch zu Tests erwartet, ob sie sich fitgehalten haben. Dass dann der Kader schon komplett und fertig ist, das glaubt Bornemann nicht. Oder besser: Er weiß, dass das nicht so sein wird. „Wir werden nicht die ersten sein, die den vollständigen Kader stehen haben“, sagt er: „Die Prozesse sind nie statisch, sondern verändern sich laufend.“
Eine solche, wenngleich erwartete, Veränderung hat der Verein erst am Donnerstag bekannt gegeben: den Abgang von Marcel Hartel. Schon wegen der Dauer seiner Entscheidung war den Verantwortlichen in der sportlichen Leitung klar, dass da ein Abgang bevorsteht.
Leistungsträger Smith und Irvine haben verlängert
Die ebenso wichtigen Leistungsträger Eric Smith und Jackson Irvine hatten ihre ursprünglich ebenfalls 2024 auslaufenden Verträge schon im Februar 2023 beziehungsweise Oktober 2022 verlängert. Einige St.-Pauli-Fans werfen Bornemann nun vor, dass dies nicht auch bei Hartel gelungen sei – und vergessen dabei, dass man den Spieler ja nicht zwingen kann, seine Unterschrift zu leisten.
Doch auch bei laufenden Verträgen kann es natürlich immer sein, dass große Clubs Topspieler locken. Dann fließt halt Schmerzensgeld in Form von Ablöse. „Wir werden bei Transfers nicht immer die sein, die Prozesse in Gang setzen“, sagt Bornemann, „eventuell muss man dann noch mit der Verpflichtung von Spielern reagieren.“ Das kann unter Umständen auch sehr kurzfristig noch vor Ende der Transferperiode am 2. September um 18 Uhr passieren.
Gehaltsgefüge darf nicht durcheinander geraten
Die Bundesliga beginnt mit dem ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal zwei Wochen nach der Zweiten Liga. Für die Kaderplanung ist das ein Vorteil. „Grundsätzlich haben wir eine gute Basis im Kader. Wir wissen aber auch recht genau, wo wir noch Möglichkeiten für Verbesserungen haben“, sagt Bornemann. Ein weiterer Innenverteidiger, schneller (linker) Flügelspieler, ein „klassischer“ Mittelstürmer als Zielspieler, ein ballerobernder defensiver Mittelfeldspieler – da gibt es noch einige Baustellen, die auch der NDR mit Daten des Global Soccer Networks aufgeführt hat.
Möglich Verstärkungen zu finden, die sich in die funktionierende Mannschaftsstruktur integrieren, menschlich und finanziell, ist die Aufgabe. „Das Gehaltsgefüge darf nicht durcheinander geraten. Das könnte für den Zusammenhalt einer Gruppe sehr schädlich sein“, erklärt Bornemann die Strategie: „Wir sind sehr darauf bedacht, dass wir unser Gefüge behalten.“
Kaderplaner Jan Sandmann sammelt alle Informationen
Entscheidend ist auch, immer auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Dafür ist Chefscout und Kaderplaner Jan Sandmann mit seinen Mitarbeitern zuständig. Dort liegt die Datenbank mit allen identifizierten möglichen Transferzielen, ihren Stärken, Schwächen, Perspektiven und Möglichkeiten. Kurzfristige Transfers haben jedoch immer das Problem, dass man eben nicht alle Themen rund um einen Spieler wissen kann.
Die andauernde Rückenproblematik von Simon Zoller, der im vergangenen Sommer am letzten Wechseltag anheuerte, war zumindest nicht vollständig bekannt. Die Folge war ein verlorenes Jahr für Verein und Spieler. Ob Zoller trotz Vertrages in der Bundesligasaison noch für den FC St. Pauli auflaufen wird, ist sicherlich eines der Themen, mit denen sich auch Bornemann beschäftigen muss.
Möglicherweise wollen unzufriedene Spieler gehen
„Gespräche mit Spielern, deren Verträge auslaufen oder die wenig Spielzeit hatten, sind schon gelaufen“, sagt Bornemann: „Jeder weiß, was wir erwarten und planen und wo er steht.“ So ist es kein Geheimnis, dass der auslaufende Vertrag des verletzungsanfälligen Etienne Amenyido nicht erneuert wird. Auch die Chancen von Andreas Albers sind eher schlecht.
Andererseits können auch Spieler mit laufendem Vertrag wechseln wollen, weiß Bornemann: „Es mag welche geben, die unzufrieden sind und nach Veränderung streben.“ Wer weniger zum Einsatz gekommen ist, als gedacht, der denkt natürlich nach. Auf David Nemeth und Danel Sinani könnte das zutreffen. Wenn deren Berater Vereine finden – wer weiß: „Wann ein Stein ins Rollen kommt, können wir nicht bei allen Spielern beeinflussen“, sagt der Sportchef.
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Abhängigkeiten gibt es auch, wenn ein Spieler nur ausgeliehen war. Aljoscha Kemlein möchte der FC St. Pauli gerne behalten, ebenso Scott Banks. Und während bei Banks eine Verpflichtung möglich scheint, ist das bei Kemlein völlig unabsehbar. Der 1. FC Union Berlin hat in Horst Held einen neuen Sportchef und in Bo Svensson einen neuen Trainer. „Man weiß nie, was woanders passiert“, erklärt Bornemann: „Wir wissen nicht, wie Svensson mit Aljoscha Kemlein plant. Da muss man eventuell warten, ob eine Tür aufgeht.“
Angebote von Beratern, die ihre Spieler bei einem Aufsteiger unterbringen wollen, seien bislang nicht bemerkenswert großer Zahl eingegangen. Die Vorstellung, dass bei Bornemann und Sandmann ständig das Telefon klingelt, stimmt also nicht. Allerdings, das eine oder andere seltsame Angebot ist wohl schon dabei, erzählt Bornemann: „Es gibt Vorschläge und Ideen, bei denen man den Eindruck bekommt, dass diese Leute unsere Mannschaft nie gesehen haben.“