Hamburg. Was dem Starspieler der Hamburger vorliegt, warum der Kiezclub nicht mitging – und wer ein Nachfolgekandidat werden könnte.

Ein bisschen krank soll er gewesen sein. Deshalb spielte Marcel Hartel beim Saisonabschluss des FC St. Pauli beim SV Wehen Wiesbaden (2:1) nicht mehr. Und daher verließ der 28-Jährige auch die Meisterfeier im Schmidt-Theater am Pfingstmontag vergleichsweise früh. Oder etwa nicht?

Wenig später folgte aus der Türkei die angebliche Erklärung: Der Mittelfeldspieler war einfach nur müde, schließlich jettete er in der Woche zuvor mal eben nach Trabzon, um sich mit Trabzonspor Kulübü auf einen Vertrag zu einigen, berichteten dortige Medien.

Darum verlässt Marcel Hartel den FC St. Pauli

Nun ist eine solche Gerüchteküche aus der Türkei nahezu immer völlig versalzen und häufig auch faul. Eine kleine Zutat schien aber zufällig richtig gewählt: Hartel ist müde. Müde vom FC St. Pauli.

Zugegeben: Auch das ist viel zu gepfeffert formuliert. „Es fällt mir nicht leicht, diesen Schritt zu gehen“, ließ sich der gebürtige Kölner stattdessen in der Mitteilung zitieren, die sein Noch-Arbeitgeber am Donnerstagmittag als Abschiedsnachricht verschickte. „Doch manchmal ergeben sich besondere Möglichkeiten im Leben“, sagte Hartel außerdem.

Topscorer der Zweiten Liga geht wohl ins Ausland

Diese Möglichkeit liegt offenbar im Ausland. Und besonders ist das tatsächlich.

Denn Hartel hätte mühelos seinen dritten Anlauf in der Bundesliga wagen können, als unangefochtener Führungsspieler der Hamburger oder in wichtiger und vermutlich besser bezahlter Rolle bei einem anderen Club. Und auch an den wirtschaftlichen Faktoren sind wohl in der Vorwoche die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung gescheitert.

Eintracht Frankfurt soll angeblich um Hartel bemüht gewesen sein

„Wir wissen, dass er Möglichkeiten hat, bei denen wir nicht mithalten können. Eine Verlängerung bei uns macht für ihn nur Sinn, wenn sie mit Überzeugung geschieht. Er muss für sich entscheiden, was für ihn Priorität hat“, hatte St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann dem Abendblatt gesagt. Zunächst hieß es, Eintracht Frankfurt sei im Rennen um den Topscorer der Zweiten Liga (17 Tore, 13 Vorlagen) ganz vorn dabei. Sportvorstand Markus Krösche dementierte aber auf Anfrage.

Also doch Trabzonspor? Womöglich. Die türkische Presse berichtete aber auch von Angeboten des AC Florenz sowie der griechischen Vereine Olympiakos Piräus und PAOK Saloniki.

Angebot für St. Paulis Star über mehr als zwei Millionen Euro

Aus dem Umfeld des FC St. Pauli war zu vernehmen, dass die Hartel gebotene Summe deutlich über der eigenen Schmerzgrenze liegen würde. Bei einem angeblichen Jahresgehalt von mehr als zwei Millionen Euro wäre der Kreativmann mit Abstand höchstbezahlter Kiezkicker und würde das Gehaltsgefüge sprengen.

„Wenn die Entscheidung gegen uns laufen sollte, werden wir ihm nicht vorhalten, dass er dem Geld nachläuft. Diese Entscheidung wäre völlig legitim“, hatte Bornemann am Mittwoch gesagt. Er hatte Hartel 2021 von Arminia Bielefeld ans Millerntor geholt, der Familienvater legte anschließend eine beeindruckende Entwicklung hin.

In Hamburg wurde Hartel keine Entwicklung mehr zugetraut

Intern soll ihm nun aber kein allzu großes Potenzial mehr zugetraut worden sein. Ein weiterer Grund, weswegen St. Pauli finanziell nicht über die Schmerzgrenze hinausging.

Schmerzlich ist der Verlust auch für die Anhänger der Braun-Weißen, die sich teils bedankten, Hartel teils aber auch mangelnde Vereinstreue vorwarfen. So emotional verständlich und inhaltlich zugleich unbegründet der Ärger der Fans ist, so unnötig sind auch ihre Sorgen.

Kiezclub konnte prominente Abgänge stets ersetzen

St. Pauli ist es in den vergangenen Jahren stets gelungen, wechselnde Topspieler eins-zu-eins oder im Kollektiv zu ersetzen. Im Fall von Daniel-Kofi Kyereh war es Hartel selbst.

Philipp Treu ließ Leart Paqarada vergessen. Und wer erinnert sich noch daran, dass Jakov Medic zu Saisonbeginn im späteren Aufstiegskader stand? Hauke Wahl war da schon im Team.

Ahlstrand könnte in die Hartel-Rolle schlüpfen

„Man klopft ständig Optionen ab, die infrage kommen könnten“, sagte Bornemann dem Abendblatt Mitte April zur Transferplanung. Und so kann es sein, dass sich auch Hartels potenzieller Nachfolger längst auf dem Kiez befindet.

Er fiel nur keinem auf. Denn Erik Ahlstrand absolvierte seit seiner Verpflichtung in der Winterpause lediglich zwei Partien in der Regionalliga. Der 22-Jährige gilt aber als eines der größten schwedischen Talente und könnte perspektivisch die Hartel-Rolle einnehmen.

St. Pauli an Verpflichtung von Aaron Keller interessiert

In die Rolle als Herausforderer von Elias Saad auf Linksaußen könnte derweil Aaron Keller von der SpVgg Unterhaching schlüpfen. Der 20-Jährige kam in der abgelaufenen Drittligasaison auf neun Tore und vier Vorlagen. Nach Abendblatt-Informationen hat St. Pauli Interesse am Schweizer, konkrete Verhandlungen habe es allerdings bislang nicht gegeben.

Nicht mehr Hartels Thema. „Ich bin stolz auf das, was wir hier gemeinsam erreicht haben. Das werde ich nie vergessen“, schrieb er noch. Die vergangenen Wochen, diese emotionale Zeit, das fühlte sich einfach ein bisschen krank an.

Der FC St. Pauli startet am 8. Juli in die Vorbereitung auf die am letzten August-Wochenende (25. bis 27.8.) beginnende Saison in der Bundesliga. Das Trainingslager soll in Österreich stattfinden.