Hannover. Warum beim FC St. Pauli nach dem Sieg bei Hannover 96 niemand in Aufstiegseuphorie verfällt, was aber dennoch optimistisch stimmt.

Die Maßgabe für die kommenden Wochen bekam St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler von seinem Hannoveraner Kollegen Stefan Leitl direkt mit auf den Weg: „Die Tür steht jetzt weit offen – geh durch!“ Was der 96-Coach damit meinte, bedurfte nach dem 2:1 (1:1)-Auswärtssieg des Millerntor-Teams im Nordduell bei Hannover 96 keiner näheren Erklärung. Nach zwei Niederlagen in Folge hat der FC St. Pauli wieder zurück in die Erfolgsspur gefunden, die zum direkten Aufstieg in die Bundesliga führt.

Hürzeler selbst nahm die Aufforderung Leitls aber mit ziemlich gemischten Gefühlen zur Kenntnis. Von einer womöglich wieder aufgeflammten Aufstiegseuphorie angesichts des erfolgreich verteidigten Fünf-Punkte-Vorsprungs auf den Tabellendritten und damit direkten Verfolger Fortuna Düsseldorf konnte bei Hürzeler jedenfalls überhaupt keine Rede sein.

St. Pauli verfällt nach Sieg in Hannover nicht in Aufstiegseuphorie

„Ich tue gut daran, solche Aussagen nicht allzu sehr zu kommentieren. Vor drei Wochen waren wir an einem ähnlichen Punkt, zwei Wochen später waren wir angeblich die schlechteste Mannschaft der Liga. Und jetzt ist das Tor wieder ganz weit offen“, sagte der 31-Jährige und dokumentierte damit seinen Unmut darüber, dass in der Schlussphase der Saison offenbar nur noch in solchen Extremen gedacht wird.

Fakt ist allerdings, dass sich St. Pauli in der Anfangsphase ähnlich unsicher und verkrampft präsentierte, wie dies bei der 3:4-Heimniederlage eine Woche zuvor gegen die SV Elversberg der Fall gewesen war. In der ersten halben Stunde war es praktisch ausschließlich den starken Reaktionen von Torwart Nikola Vasilj zu verdanken, dass man nicht in Rückstand geriet, sondern irgendwie im Spiel blieb und so in kleinen Schritten zu einem aktiven Teilnehmer an dieser Partie wurde.

Trainer Hürzeler: „Man hat eine Unsicherheit gemerkt"

„Man hat eine gewisse Unsicherheit gemerkt, eine Instabilität mit dem und gegen den Ball“, stellte Hürzeler im Nachgang treffend mit Blick auf die ersten 30 Minuten fest. „Wir haben eine gewisse Zeit gebraucht, ins Spiel zu kommen. Das wurde dann von Minute zu Minute besser.“

Dass aber selbst das zu diesem Zeitpunkt überaus glückliche 1:0-Führungstor (41. Minute) durch Oladapo Afolayan nach perfekter Flanke von Connor Metcalfe nicht reichte, um mit einem Vorsprung in die Pause zu gehen, ließ erneut Zweifel an der Nervenstärke der St. Paulianer in der „Crunchtime“ der Saison aufkommen. Der weite Einwurf von Hannovers Jannik Dehm in den Strafraum reichte jedenfalls, um hier eine Orientierungslosigkeit auszulösen, die zum 1:1-Gegentreffer von Hannovers Sturmtalent Lars Gindorf (45.) führte.

Stärke bei Standards wird zu St. Paulis Trumpf im Aufstiegskampf

Diesen Rückschlag aber verkraftete das Team diesmal besser als in der Woche zuvor gegen Elversberg, als gleich zweimal eine Führung nicht reichte, um das Spiel zu gewinnen. „Wir hatten in der zweiten Hälfte eine bessere Struktur und mehr Kontrolle über das Spiel und mehr Dominanz“, analysierte Hürzeler.

Das Siegtor entsprang aber nicht einer offensiven Kombination, sondern einmal wieder einer Standardsituation. Marcel Hartels Ecke kam perfekt auf den Kopf des von seinen physisch stärkeren Kollegen freigeblockten Stürmer Johannes Eggestein, der die Chance zum 2:1 (65.) nutzte.

St. Paulis Siegtorschütze Eggestein verrät Erfolgsgeheimnis

„Ich empfinde heute vor allem Stolz auf auf die Mannschaft, wie sie sich aus einer nicht so einfachen Situation herausgekämpft hat. Sie war von externer Seite stark angezählt“, stellte Hürzeler fest. „Der Sieg sollte ihnen jetzt Vertrauen in die eigene Stärke geben.“

Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. FC St. Pauli 34 / 62:36 / 69
2. Kiel 34 / 65:39 / 68
3. Düsseldorf 34 / 72:40 / 63
4. HSV 34 / 64:44 / 58
5. Karlsruhe 34 / 68:48 / 55
6. Hannover 34 / 59:44 / 52
7. Paderborn 34 / 54:54 / 52
8. Fürth 34 / 50:49 / 50

Siegtorschütze Eggestein verriet, wie sich das Team nach den aufeinanderfolgenden Niederlagen in Karlsruhe (1:2) und gegen Elversberg mental neu eingestellt hat. „Wir haben uns vorgenommen, einen Schnitt zu machen. Wir haben die Spiele, die wir bis dahin hatten und den Vorsprung, den wir uns erarbeitet haben, abgehakt und uns gesagt, dass wir uns ab sofort auf die letzten fünf Spiele fokussieren wollen und versuchen, da alles hineinzuwerfen. Für das erste Spiel ist es schon mal gelungen“, berichtete der 25-Jährige.

Co-Trainer Németh zeichnet für Erfolg verantwortlich

„Der Sieg bedeutet für uns, dass wir zurück sind, die zwei Niederlagen verdaut und aufgearbeitet haben“, sagte er und gab preis, dass das Siegtor einer einstudierten Eckenvariante entsprang. „Der Kopf ist immer wichtig“, sagte Eggestein mehrdeutig. Er weiß nicht nur wegen seines Kopfballtores, wovon er spricht. Schließlich studiert er nebenher Psychologie.

„Das Siegtor geht auf Peter“, sagte Hürzeler. Sein Co-Trainer Peter Németh ist für das Einstudieren von offensiven Standards verantwortlich. Schon gegen Elversberg hatte eine Eckenvariante des jetzt verletzten Eric Smith zu einem Tor von Eggestein geführt.

Ex-Profi Kalla bleibt Trainer bei St. Paulis Frauen

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  • Es spricht einiges dafür, dass der mehr erkämpfte als erspielte Sieg in Hannover am Saisonende einer der wichtigsten gewesen sein könnte. „Es war auf jeden Fall der perfekte Zeitpunkt, nach zwei frustrierenden Niederlagen wieder zu gewinnen, denn wir haben jetzt zwei ganz spezielle Spiele vor uns, von denen wir wissen, was sie für unsere Fans bedeuten“, sagte Kapitän Jackson Irvine und dachte schon an die brisanten Partien gegen Hansa Rostock und beim HSV an den kommenden Freitagen. Danach könnte St. Pauli schon mitten in der offenen Aufstiegstür stehen.