Hamburg. Die Hamburger unterliegen überraschend, aber auch verdient gegen die SV Elversberg. Droht der Traum von der Bundesliga zu platzen?

Jetzt geht das große Zittern doch noch los. Der FC St. Pauli hat einen üblen Tiefschlag erlitten und muss im Rennen um den Aufstieg in die Bundesliga plötzlich bangen. Der SV Elversberg unterlag die Mannschaft von Cheftrainer Fabian Hürzeler völlig überraschend, aber verdient mit 3:4 (1:0).

Damit verlieren die Hamburger auch die Tabellenführung der Zweiten Liga an Holstein Kiel. Der Vorsprung auf Fortuna Düsseldorf auf Relegationsplatz drei beträgt jetzt lediglich noch fünf Punkte. Es war kein angenehmer Tag für das Gros der 29.546 Zuschauer im ausverkauften Millerntor-Stadion, in dem St. Pauli erstmals in dieser Saison verlor.

FC St. Pauli verliert gegen SV Elversberg

Nach Freude war den Zuschauern im Millerntor-Stadion generell wenig zumute. Vor dem Anpfiff wurde des auf der Fahrt zum Spiel nach Karlsruhe vergangene Woche kollabierten und später verstorbenen Ultras „Kiste" gedacht. Zunächst, indem gemeinsam „You'll never walk alone" gesungen wurden, anschließend wurde die Südtribüne während des Einlaufs der Spieler mit einem schwarzen Banner überzogen.

Mit Spielbeginn stand das Publikum wieder hinter ihrer Mannschaft, die den zwölften Mann auch nötig hatte, da sie zeitweise selbst nur mit zehn Akteuren auskommen musste. Linksverteidiger Philipp Treu knickte ohne Gegnereinwirkung früh am rechten Sprunggelenk um (4.) und wurde gut vier Minuten am Feldrand behandelt, eher er mit dicker Eisbandage den Platz verließ. Für ihn kam Lars Ritzka.

Torhüter Vasilj rettet St. Pauli gleich mehrfach

Große Anlaufzeit hatte er nicht nötig und war mitverantwortlich dafür, dass St. Pauli direkt die Kontrolle übernahm und mit kurzen Pässen vors gegnerische Tor kombinierte. Die erste Chance besaß allerdings der Außenseiter, als Nikola Vasilj stark gegen Luca Schnellbacher halten musste (11.).

Und die große Show des bosnischen Nationaltorhüters hatte damit erst begonnen. Erst parierte er gleich doppelt gegen Paul Wanner (20.). Zunächst stoppte er dessen Flachschuss halblinks im Strafraum sowie den Nachschuss aus spitzem Winkel. Danach lieferte der 28-Jährige einer der Paraden des Jahres.

Zweitliga-Tabellenführer gegen Aufsteiger in Schwierigkeiten

Nachdem Adam Dzwigala unnötig den Ball verloren hatte, war die Bahn für Elversbergs Stürmer Manuel Feil komplett frei. Fast komplett! Denn Vasilj wehrte den nicht einmal unplatzierten Schuss aus kurzer Distanz noch zur Ecke ab (25.). Der Keeper hatte bis dahin schon mehr zu tun als in manch anderem Spiel und war der einzige Grund, weswegen es noch 0:0 stand.

Ein anderer war, dass Elias Saad aus der Nahdistanz noch abgeblockt worden war (23.). Mehr machten die Hamburger aus ihren rund 70 Prozent Ballbesitz allerdings nicht.

Standardsituation hilft Hamburgern zur Führung

Im Gegenteil: Die hohe Rate schien häufig nur dazu zu dienen, dem Gegner durch völlig uncharakteristische Ballverluste beste Möglichkeiten aufzulegen. Die erste halbe Stunde war jedenfalls eine der schwächsten der Kiezkicker in dieser Saison. War die Zuversicht, nach der 1:2-Niederlage in Karlsruhe, eine Reaktion zu zeigen, unbegründet?

Nein! Denn einer der großen Joker des FC St. Pauli in dieser Saison ist die Stärke bei Standardsituationen. Passend, dass die SV Elversberg gegen die schwächste Standardverteidigung der Zweiten Liga stellt.

Eggestein trifft nach Smith-Ecke zum 1:0

Bereits sechs Tore nach Ecken haben die Braun-Weißen erzielt. Vor dem siebten spielte Eric Smith den Ball unorthodox flach, scharf und direkt auf den kurzen Pfosten, wo Johannes Eggestein freigeblockt wurde und einschoss (40.).

Wie der Mittelstürmer freigeblockt wurde, war allerdings diskutabel, da Karol Mets Robin Fellhauer dabei ziemlich rüde niederriss. Die Situation wurde überprüft, aber für regelkonform befunden. War die Führung zur Halbzeit verdient? Nein. Fragt später jemand danach? Auch nein.

Elversberg gleicht nach der Halbzeit aus

War auch gar nicht nötig, weil sich das Geschehen nach dem Seitenwechsel ohnehin gerechtermaßen ausglich. St. Pauli war nur unwesentlich fokussierter aus der Kabine gekommen und leistete sich weiter Ballverluste.

Ein entscheidender davon kam von Kapitän Jackson Irvine, in dessen Folge sich die Saarländer sehenswert in den Strafraum kombinierter. Dort schloss Maurice Neubauer freistehend so platziert ins rechte untere Eck ab, dass selbst Vasilj absolut chancenlos war (52.). Für Elversberg war es der erste Treffer beim elften Torschuss - und der erste nach zuvor drei torlosen Spielen.

St. Paulis Star Hartel sorgt für die erneute Führung

Immerhin: Nun schien St. Pauli aufgewacht zu sein, strahlte jetzt häufiger die gewohnte Dominanz aus. Die hätte auch gut und gern wieder in der Führung resultieren können, als es Saad aus kurzer Distanz misslang, den Ball aufs Tor zu bringen (59.).

Und dann wurde es wild - weil es fortan beiden munter nach vorn spielenden Mannschaften gelang, Bälle aufs Tor zu bringen. Zunächst war es St. Paulis Topscorer Marcel Hartel, der in die Wirrungen eines Elversberger Dreifachwechsels und Getümmels im Strafraum hinein, einfach mal draufhielt und damit zum 2:1 erfolgreich war (69.).

Elversberg gleicht am Millerntor direkt wieder aus

Waren die Gastgeber nach dem Ausgleich wachgerüttelt, so legten sie nach der neuerlichen Führung einen Sekundenschlaf ein. Praktisch vom Anstoß weg konnte der Aufsteiger einen langen Ball auf den eingewechselten Joseph Boyamba platzieren, der Vasilj überlupfte (70.).

St. Pauli war angesichts der tabellarischen Situation und auslaufenden Zeit nun unter Druck. Und reagierte darauf mit Wut und Wucht wie beim Gewaltschuss vn Ritzka aus gut 20 Metern, den Nicolas Kristof aus dem Winkel kratzen musste (76.).

Elversberg ist die bessere Mannschaft

Die cleverere und an diesem Nachmittag auch schlicht bessere Mannschaft war aber die Sportvereinigung Elversberg. Kein Gegner trat in dieser Saison am Millerntor auch nur annähernd so stark auf wie das Team von Horst Steffen.

Und folgerichtig drehte der Underdog das Spiel. Erst brachte Wanner aus der Drehung und mit Hilfe des Innenpfostens den Ball im kurzen Eck unter (81.). Dann ließ sich das desolat verteidigende St. Pauli erneut düpieren und kassierte nach einem Konter das 2:4 durch Hugo Vandermersch (84.).

Irvine-Tor kommt zu spät für St. Pauli

Der Anschlusstreffer von Irvine in der Nachspielzeit kam zu spät (90.+3). Ein gebrauchter Sonntag.

FC St. Pauli: Vasilj - Dzwigala, Smith, Mets - Saliakas (84. Maurides), Irvine, Hartel, Treu (9. Ritzka) - Metcalfe (72. Afolayan), Eggestein (84. Albers), Saad (72. Kemlein).
SV Elversberg: Kristof - Vandermersch, Sickinger, Le Joncour, Neubauer - Dürholtz (68. Boyamba), Fellhauer - Feil (68. Martinovic), Wanner (86. Pinckert), Rochelt (68. Jacobsen) - Schnellbacher (82. Faghir).
Tore: 1:0 Eggestein (40.), 1:1 Neubauer (52.), 2:1 Hartel (69.), 2:2 Boyamba (70.), 2:3 Wanner (81.), 2:4 Vandermersch (83.), 3:4 Irvine (90.+3). Schiedsrichter: Reichel (Sindelfingen). Zuschauer: 29.546 (ausverkauft). Gelbe Karten: Eggestein (2), Ritzka (2), Smith (6), Irvine (7) - Feil (4), Wanner (2). Statistiken: Torschüsse: 19:14; Ecken: 5:1; Ballbesitz: 67:33 Prozent; Zweikämpfe: 103:101; Laufleistung: 123,1:120 Kilometer.