Hamburg. Tabellenführung dahin, Bundesliga in Gefahr? Spielmacher Smith warnt jedenfalls: „Wir waren gar nicht da.“
Sandra Schwedler verließ das Millerntor-Stadion mit einem guten Gefühl. Der FC St. Pauli führte mit 1:0, als seine Aufsichtsratschefin in der Halbzeit in Richtung Stellingen aufbrach.
Nicht zum Probejubeln unweit des Bahrenfelder Volksparkstadions vor dem bald anstehenden Derby, sondern um die dritte Frauenmannschaft des Kiezclubs am Sonntagnachmittag in der Handball-Bezirksliga gegen den TSV Stellingen II zu verstärken. Eine Halbzeit später verließ dann die SV Elversberg das mit 29.546 Zuschauern wie üblich ausverkaufte Millerntor-Stadion mit einem sehr guten Gefühl und als erste Gastmannschaft in dieser Spielzeit im Siegesrausch.
FC St. Pauli bangt nach Pleite gegen Elversberg um Bundesliga-Aufstieg
Die Protagonisten des FC St. Pauli verließen den Platz dagegen missmutig. So richtig.
Nicht nur hatten sie hochverdient mit 3:4 (1:0) gegen den Aufsteiger verloren, sondern darüber hinaus auch noch die Tabellenführung der Zweiten Liga an Holstein Kiel. Und sollte das Team von Cheftrainer Fabian Hürzeler weiterhin so auftreten, erscheint es auf den finalen Metern sogar noch möglich, den sicher geglaubten Aufstieg in die Bundesliga zu verspielen.
Spielmacher Smith klagt: „Es war nicht gut genug"
„Ich hoffe, wir verstehen noch rechtzeitig, dass wir bereit sein müssen, um in dieser Saison etwas Besonderes zu schaffen“, sagte Eric Smith, der sich selbst eigentlich nicht bereit fühlte, in seinem Frust ein Interview zu geben, sich aber dennoch stellte. Damit gelang dem Vorlagengeber vor dem zwischenzeitlichen 1:0 durch Johannes Eggestein schon mal mehr als einigen seiner Mitspieler.
„Wir waren gar nicht da, das ganze Spiel über. Es war einfach nicht gut genug“, klagte der Schwede. Kapitän Jackson Irvine sprach von einer „der schwächsten Leistungen zu Hause, an die ich mich erinnern kann“.
Hürzeler hat keine Begründung für den Einbruch parat
Eine Begründung dafür hatte im Lager der Hamburger am Sonntag niemand so recht parat. „Nach einem Fußballspiel immer eine Erklärung zu finden, ist schwierig, weil du dir manche Dinge im Fußball nicht erklären kannst“, versuchte Hürzeler zu erklären.
Es gehe vielmehr darum, in der darauffolgenden Partie eine Reaktion zu zeigen. „Und wenn die Spieler unsere Leistung selbstkritisch ansprechen, ist das schon der erste Schritt“, sagte der 31-Jährige.
Elversberg bisher stärkster Gegner im Millerntor-Stadion
Kurioserweise war ebenjene Reaktion vom Großteil der Akteure nach der 1:2-Niederlage beim Karlsruher SC am vergangenen Sonnabend aber bereits gegen Elversberg erwartet worden. Mit glaubhafter Zuversicht hatten die Führungsspieler den Eindruck vermittelt, wie auf die zwei Niederlagen zuvor direkt mit einem überzeugenden Sieg zu antworten. Stattdessen setzte es erstmalig zwei Pleiten in Folge.
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Fairerweise sollte erwähnt werden, dass die Saarländer eine ausgesprochen reife Spielanlage präsentierten und die mit Abstand stärkste Mannschaft waren, die in dieser Saison am Millerntor gastierte. „Sie haben uns Schwierigkeiten bereitet, wir haben ihnen allerdings auch viel zu viel Zeit am Ball überlassen“, sagte Smith.
St. Pauli ließ sich düpieren wie eine Schülermannschaft
Schon in der ersten Halbzeit gab der Außenseiter sechs Torschüsse ab – mehr als jeder Gegner zuvor gegen St. Pauli, das sich als Ballbesitz- und Ballverlustmaschine gleichermaßen offenbarte. Die vier Gegentreffer nach dem Seitenwechsel gab es unter Hürzeler sowieso noch nie.
Zeitweise ließ sich der Aufstiegsaspirant wie eine Schülermannschaft düpieren, die in puncto Defensivarbeit besser mal Anschauungsunterricht bei Schwedler und ihren zupackenden Handballerinnen nehmen sollte. „Wir müssen wieder dahinkommen, das Tor mit aller Konsequenz zu verteidigen“ sagte Hürzeler.
Linksverteidiger Treu droht Kiezclub langfristig zu fehlen
Und das möglichst bald. Denn in der „kritischsten Phase der Saison“ (Smith) können weitere Schwächephasen Konsequenzen mit sich führen.
Der Restspielplan meint es mit schwierigen Auswärtsbegegnungen bei Hannover 96 und dem HSV nicht gut. Zu allem Überfluss dürfte Linksverteidiger Philipp Treu wegen einer Wadenbeinverletzung zunächst ausfallen.
Hürzeler nimmt Spieler in Schutz: „Sind keine Maschinen"
Wird der Druck nun also doch zu hoch für den Kiezclub? „Zumindest für mich persönlich gesprochen, kann ich nicht bestätigen, dass die Siege von Kiel und Düsseldorf mich mental in irgendeiner Art und Weise beeinflusst hatten“, sagte Marcel Hartel, nach dessen 16. Saisontreffer zum 2:1 defensiv alle Dämme brachen. Spielmacher Smith pflichtete dem Torschützen vom Dienst bei: „Ich wüsste nicht, weswegen Druck ein Problem sein sollte? Deshalb spielen wir doch alle dieses Spiel.“
Die simpelste Begründung nebst der starken Elversberger Leistung fand Hürzeler dann doch noch, obwohl das Spiel gerade erst beendet war. Zwar hatte er die fehlende Schärfe in vielen Aktionen kritisiert, nahm seine Mannschaft aber auch in Schutz: „Das sind Menschen, keine Maschinen. Das müssen wir alle mal ganz genau einordnen. Die Liga ist nicht gemacht, um durchzumarschieren.“
St. Pauli hat Aufstieg weiterhin in eigener Hand
St. Pauli habe nun mal nicht die individuelle Qualität im Kader und finanziellen Möglichkeiten, um permanent zu dominieren. „Wir müssen über harte Arbeit und Teamgefüge kommen. Da müssen wir uns die schlechte Körpersprache nach dem 2:2 ankreiden“, sagte Hürzeler. Das möchte der Coach nun im Training aufarbeiten, sich dabei nicht von negativen Kritiken beeinflussen lassen.
Ganz so negativ endete der Abend für Sandra Schwedler übrigens nicht. Sie eroberte mit ihrer Mannschaft durch einen 24:18-Sieg Platz zwei in der Bezirksliga zurück und verließ Stellingen mit einem guten Gefühl. In drei Wochen möchte sie das erneut – nach der Partie beim HSV.