Hamburg. Die geplante Genossenschaft soll die Heimspielstätte erwerben, um dem Verein Einnahmen zu bescheren. Viele Fragen bleiben offen.

Wo der FC St. Pauli im Herbst spielt, lässt sich ziemlich sicher vorhersagen: a) zu 99 Prozent in der Bundesliga; b) zu 100 Prozent im Millerntor-Stadion. Und zu gefühlten 1000 Prozent mit Heimvorteil.

Aber auch als Hausherr? Die Wahrscheinlichkeit hierfür liegt klar darunter. Denn die noch zu gründende Genossenschaft, über die der Noch-Zweitligist abstimmen lassen will, soll die stimmungsvolle Heimspielstätte erwerben.

FC St. Pauli: Genossenschaft soll Millerntor-Stadion erwerben

Zunächst war immer nur die Rede davon, dass durch die zusätzlichen Einnahmen der Ausbau des Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) an der Kollau finanziert werden soll. In einer Befragung, die zunächst nur für Mitglieder geöffnet wurde und mittlerweile für Jedermann zugänglich ist, wird nun deutlich: Erst soll das Millerntor-Stadion verkauft und weiterentwickelt werden.

Bis es so weit ist, sind in dem hoch komplexen Verfahren allerdings etliche Fragen zu klären – auf die auch St. Paulis Vereinsführung selbst noch keine allumfassenden Antworten weiß. Fair formuliert: größtenteils nicht wissen kann.

Engelbracht: „Geld wird genutzt, um Infrastruktur des FC St. Pauli zu verbessern"

Einen Fragenkatalog des Abendblatts ließen der Club am Mittwoch weitgehend offen. Hierzu müssen die Ergebnisse der Umfrage abgewartet werden sowie im Anschluss die entsprechende Schlüsse daraus gezogen und abgestimmt werden, hieß es.

„Das Geld aus den Anteilen wird von einer zukünftigen FCSP-Genossenschaft beispielsweise eingesetzt, um Teile der Infrastruktur des FC St. Pauli zu erwerben, zu betreiben und nachhaltig zu verbessern. Sobald unsere Planung in den kommenden Wochen vorangeschritten ist, werden wir Veranstaltungen mit weiterführenden Informationen anbieten“, hatte Wilken Engelbracht (50), kaufmännischer Geschäftsführer des Clubs, dem Abendblatt vor zwei Wochen auf Anfrage dazu gesagt.

Erste Genossenschaftsgründung unter Andreas Rettig scheiterte

Beim ersten Versuch 2019 auf eine Idee des damaligen kaufmännischen Leiters und heutigen DFB-Sportdirektors Andreas Rettig (60), eine Genossenschaft zu gründen, die das Stadion erwerben sollte, wurde das Vorhaben vor allem wegen steuerlicher Probleme verworfen. Die Transaktionsstruktur ist inzwischen eine andere, weswegen sich die gleichen Fragen wie damals nicht mehr stellen.

Dennoch bleiben weitere Themen, die den Verein in den nächsten Monaten beschäftigen werden. Zeit, die man sich beim Zweitliga-Spitzenreiter nimmt.

Anteile am Millerntor-Stadion für mittleren dreistelligen Betrag zu haben

Präsident Oke Göttlich (48) hatte bei der Mitgliederversammlung im November 2023 gesagt, die Genossenschaft soll zunächst „als Gefäß“ gegründet werden. Konkrete wirtschaftliche Inhalte werden später definiert.

Maßgeblich in der Befragung der Mitglieder und Interessierten soll herausgefunden werden, wie viel potenzielle Genossen bereit wären, für einen Anteil zu zahlen, welcher Höchstpreis nicht überschritten werden sollte und welche Einstiegshürde „Ramschniveau“ hätte. Ein Anteil soll voraussichtlich für einen mittleren dreistelligen Betrag zu haben sein.

Neubau des Stadions hatten 60 Millionen Euro betragen

Wie hoch für die neue Genossenschaft der Kaufpreis für den Fußballtempel mitten auf dem Kiez wird, lässt sich bislang nicht realistisch abschätzen. Die Baukosten zum Neubau zwischen 2006 und 2015 hatten rund 60 Millionen Euro betragen.

Vorstellbar wäre daher, dass die Genossenschaft noch in die bestehenden Darlehensverträge einsteigt – oder aber die Darlehen von noch gut 30 Millionen Euro vorzeitig abgelöst werden sollen. Womöglich ist auch nur ein Teilkauf denkbar.

Kann die Genossenschaft das Millerntor-Stadion an einen externen Investor verkaufen?

Obwohl ursprünglich primär kommuniziert wurde, dass das Finanzierungsmodell für den Ausbau des NLZ dienen soll, ist es naheliegend, weswegen im ersten Schritt das Millerntor-Stadion erworben werden soll. Dadurch hätten die neuen Besitzer die Möglichkeit, recht schnell Einnahmen zu generieren, um auch wirtschaftlich zu partizipieren. Unklar ist auch, mit welchen Mieteinnahmen kalkuliert werden könnte.

Was hingegen bereits feststeht: Die Hamburger werden genau prüfen, wer Anteile kaufen will. Das Modell, das „einen anderen Fußball“ ermöglichen soll, hat nämlich neben dem finanziellen auch einen ideellen Wert. Vertraglich ausgeschlossen ist es, dass das Stadion gegen den Willen des Vereins an einen Investor verkauft wird, analog zu einer Vermarktung des Stadionnamens, die ebenfalls nicht zulässig wäre.

Genossenschaft soll im Herbst geöffnet werden

Ein maßgeblicher Vorteil einer Genossenschaft: Unabhängig der Größe des Investments hat jeder Genosse nur eine Stimme. Dies würde auch gelten, wenn der FC St. Pauli selbst Anteile erwirbt.

Und immerhin: Wann dies geschehen könnte, darüber ist intern bereits eine ungefähre Zeitachse festgelegt worden. Voraussichtlich im Oktober oder November soll die Öffnung erfolgen. Dann sind die Fans auch auf dem Papier das, was ohnehin längst zu 100 Prozent bekannt war: Herren im eigenen Haus.

Nicht im Millerntor-Stadion, sondern im Volksparkstadion steigt am 3. Mai (18.30 Uhr) das Derby beim HSV. Der Mitgliedervorverkauf hierfür beginnt am Dienstag, 9. April (11 Uhr), ausschließlich im Online-Ticketshop.