Hamburg. Der beste Mittelfeldspieler der Zweiten Liga läuft in Nürnberg zum 100. Mal für den FC St. Pauli auf. Sein Vertrag endet im Sommer.

Der 29. April 2022 war ein ganz besonderer Tag in der Karriere des Marcel Hartel beim FC St. Pauli. Und ist es noch: Zum einzigen Mal verpasste er ein Zweitligaspiel. Beim 1:1 am Millerntor gegen den 1. FC Nürnberg war der Mittelfeldspieler gelbgesperrt. Sonst kann ihn offenbar nichts und niemand stoppen.

An diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky) läuft er (sehr, sehr, sehr wahrscheinlich) bei 101 Möglichkeiten zum einhundertsten Mal in einem Pflichtspiel für die Kiezkicker auf. Beim Auswärtsspiel in Nürnberg, ausgerechnet.

FC St. Pauli: Erstligisten haben Interesse an Hartel

Dumm nur für den FC St. Pauli, dass Hartels Vertrag zum Saisonende ausläuft. Selbstverständlich ist er längst in den Fokus von Bundesligisten gerückt, Borussia Mönchengladbach soll zum Beispiel konkretes Interesse haben. Für Erstligisten ist ein ablösefreier Topspieler der Zweiten Liga immer ein überschaubares Risiko.

Hartel hat gegenüber dem FC St. Pauli alle Verhandlungen ausgesetzt bis April. Das schafft Ruhe und vielleicht hat man schon größere Klarheit, wohin der Weg der „Boys in brown“ geht, wenn man wieder miteinander spricht. Bornemann jedenfalls hat die Hoffnungen keinesfalls aufgegeben, dass sein bester Mann bleibt.

Bornemann hält „Kampf um Hartel“ noch nicht für verloren

Das ausgesprochene Ziel „Bundesliga spielen“ kann Hartel wahrscheinlich auch im gewohnten Umfeld mit St. Pauli erreichen. Die Vertragsverlängerung von Trainer Fabian Hürzeler, zu dem er ein sehr enges Verhältnis hat, spielt sicherlich eine Rolle in den Überlegungen von Hartel, der sich mit seiner jungen Familie in Hamburg zudem sehr wohlfühlt.

„Ich habe nicht das Gefühl, dass der Kampf um Marcel Hartel schon verloren ist“, sagte Bornemann im „Kicker“. „Wir wissen, was wir an ihm haben. Und ich denke auch, dass er weiß, was er an uns hat.“ Das sei zum Beispiel ein besonderer Stellenwert im Verein und in der Mannschaft. „Dazu passt die Spielidee des Trainers sehr gut zu ihm“, so Bornemann: „Ich denke, dass diese Dinge wichtig für ihn sind.“

Hartel ist mit Union Berlin und Bielefeld schon aufgestiegen

Bornemann war mit der Verpflichtung des gebürtigen Kölners vor zweieinhalb Jahren ein echter Coup gelungen. „Er war ein wichtiger Bestandteil der Berliner und Bielefelder Mannschaften und kann dank seiner Erfahrung auch bei uns eine wichtige Rolle spielen“, hatte Sportchef Andreas Bornemann bei der Vorstellung des Mittelfeldspielers am 10. August 2021 erklärt.

Das ist dann wohl so eingetreten, kann man sagen. Und die Verpflichtung von Hartel deutete schon vor zweieinhalb Jahren darauf hin, welche Ambitionen der FC St. Pauli hat. Denn Hartel ist mit Union Berlin und Arminia Bielefeld jeweils in die Bundesliga aufgestiegen. Und es müsste schon viel schiefgehen, wenn ihm dieses Jahr nicht das persönliche Triple gelingt.

Trainer Hürzeler lobt die Entwicklung zu mehr Torgefahr

Hartel hat sich beim FC St. Pauli zum aktuell besten Spieler der Zweiten Liga entwickelt. Sieben Berufungen in die Kicker-Elf-des-Tages hat niemand sonst aufzuweisen. Mit 13 Toren und zehn Vorlagen ist der 28-Jährige der beste Scorer der Liga. Er hat ein Gefühl dafür entwickelt, wann er wie in den Strafraum eindringen kann.

Die Anzahl seiner Torschüsse pro Spiel ist von 1,4 (21/22) über 1,7 (22/23) auf nun 2,6 (23/24) gestiegen. Gleichzeitig ist Hartel mit bislang 318,3 abgerissenen Kilometern auch noch der laufstärkste Spieler. Immer fit, nie verletzt. Ein Phänomen. St. Paulis eierlegende Wollmilchsau, wenn man so will.

Hartel konnte sich bei Bielefeld in der Bundesliga nicht durchsetzen

„Er hat sich von einem torungefährlichen Fußballtechniker zu einem gefährlichen Fußballarbeiter entwickelt“, sagt Trainer Fabian Hürzeler. „Dazu kommt der Punkt, wie er gegen den Ball arbeitet. Er denkt nicht nur offensiv, sondern auch defensiv.“ Bei Arminia Bielefeld 2020/21 konnte sich Hartel noch nicht in der Bundesliga durchsetzen, kam in der Rückrunde kaum zum Einsatz. Das war die Chance für St. Pauli – und Hartel selbst.

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Weil er auch immer bereit war, Hinweise anzunehmen. Sagt Trainer Hürzeler: „Er kann sehr gut zuhören und Dinge sehr schnell auch umsetzen.“ Dazu kommt bei dem gläubigen Christen eine große soziale Kompetenz, die für das Mannschaftsgefüge wichtig ist. Als Vertreter von Mannschaftskapitän Jackson Irvine und im Mannschaftsrat übernimmt er auch Verantwortung für das Team

„Er versucht, innerhalb der Mannschaft Verbindungen herzustellen“, lobt sein Trainer, „Er versucht, Lücken auf zwischenmenschlicher Ebene zu schließen. Das ist sehr, sehr wertvoll.“