Hamburg. Vom Torschützen des Jahres zum Chancentod und wieder zurück. Der Vizekapitän des FC St. Pauli hat sich zum Zweitligastar gemausert.
„Er schießt einfach mehr Tore als vorher, das ist anders.“ Ganz so einfach, wie Karol Mets meint, ist es dann doch nicht, um zu ergründen, welchen Schritt sein Mitspieler Marcel Hartel beim FC St. Pauli in dieser Saison gemacht hat. Noch einmal muss es konkret lauten, denn der 27-Jährige war bereits in den vergangenen beiden Jahren ein Leistungsträger, der sich stets entwickelte.
Was Hartel in den bisherigen sechs Partien veranstaltete, ist allerdings würdig, darüber zu sinnieren, ob mit St. Pauli und dem HSV nicht nur beide Hamburger Clubs die Zweite Liga anführen, sondern sie in Laszlo Benes und eben Hartel auch die beiden derzeit besten Spieler beschäftigen.
Bornemann holte Hartel zu St. Pauli
Aber fangen wir beim Offenkundigsten und damit bei Mets’ Worten an: den Toren. Fünf Stück hat Hartel schon erzielt, darunter gegen den FC Schalke 04 (3:1) im 159. Zweitligaspiel seinen ersten Doppelpack. Das sind bereits jetzt genauso viele wie in der ganzen Vorsaison.
„Marcel profitiert auch von seinen Mitspielern, der klaren Positionierung und einer taktischen Ausrichtung, die ihn inzwischen regelmäßig in die Situationen bringt, um selbst torgefährlich zu werden“, sagt Sportchef Andreas Bornemann über den schlanken 1,77-Meter-Mann, den er vor zwei Jahren für gerade einmal 350.000 Euro vom damaligen Erstligisten Arminia Bielefeld ans Millerntor geholt hatte.
Mehr Dribblings, mehr Torschüsse
Hartel genießt unter Cheftrainer Fabian Hürzeler die vermutlich meisten Freiheiten aller Akteure auf dem Platz. Nominell als Achter aufgestellt, besetzt der gebürtige Kölner regelmäßig die Halbräume, um Verteidiger zu binden oder ihnen zu enteilen, und ist gelegentlich auch im Sturmzentrum zu finden.
Diese Saison geht Hartel auch häufiger ins Dribbling. Daraus ergeben sich 2,8 Torschüsse pro Spiel (1,8 in der Vorsaison), die Hartel zu 22,7 Prozent verwandelt.
Hartel trifft besser als HSV-Torjäger Glatzel
Diese Konversionsrate ist sogar höher als die von HSV-Torjäger Robert Glatzel (14,7). Noch etwas ist daran auffällig: Erzielte der Rechtsfuß seine Treffer vergangene Serie ausschließlich mit seinem starken Fuß, hat er nun schon je einmal mit links und dem Kopf getroffen.
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„Wenn er seine Chancen nutzen würde, dann...“ war in der Vergangenheit ein häufiger Satz im Zusammenhang mit Hartel. Das überrascht, denn der exzellente Techniker war in seiner Jugend ein effektiver Angreifer, in den Profibereich konnte er diese Qualitäten zunächst nicht übersetzen – wenngleich es immerhin für das Tor des Jahres 2019, einen Fallrückzieher für Union Berlin gegen Köln, reichte. Hartel trainierte seinen Abschluss jedoch regelmäßig, was sich jetzt auszuzahlen scheint.
Mittelfeldspieler ein Kandidat für die Bundesliga
Doch für wen? Denn da er seine Chancen nun nutzt, ist der junge Vater ein Kandidat für die Bundesliga. Die Frohnatur würde es präferieren, mit St. Pauli in diese aufzusteigen, wird nach Abendblatt-Informationen aber von Erstligisten inspiziert, die sehen wollen, wie konstant Hartel Topleistungen abrufen kann.
Beim Kiezclub geht sein Vertrag bis Saisonende, neben Torwart Nikola Vasilj ist er ein logischer Kandidat für eine Verlängerung. Gespräche darüber könnten bald anberaumt werden. Denn Hartel liefert mehr als Tore.
Erstplatzierter bei der Laufleistung
„Marcels Bedeutung für unser Team ist an seiner Rolle als stellvertretender Kapitän und Mitglied des Mannschaftsrats gut abzulesen. Die Laufdaten, die er Spiel für Spiel abliefert, sprechen ebenfalls Bände, wie mannschaftsdienlich, aber auch spielfreudig er agiert“, sagt Bornemann. Mit 101,6 Kilometern führt Hartel die Zweite Liga deutlich an, schon vergangene Saison war er der lauffreudigste Kicker.
Grund hierfür ist die aufopferungsvolle Verteidigungsarbeit. „Unsere starke Defensive beginnt damit, dass elf Mann verteidigen, dass Jungs wie Cello vorne direkt draufgehen“, sagt Mets, der Hartel als einen der fokussiertesten und härtesten Arbeiter im Team beschreibt. Manchmal ist die Erklärung für einen Leistungsaufschwung so naheliegend.
Beim Training am Dienstag ging Innenverteidiger Karol Mets (30) vorzeitig vom Platz. Sein GPS-Transponder hatte eine Überlastung angezeigt, der Este fuhr dann lediglich noch auf dem Ergometer.