Hamburg. Der Vertrag des Top-Spielers und Vize-Kapitäns läuft zum Saisonende aus. Das ruft Interessenten aus der Bundesliga auf den Plan.

Dirk Hebel (51) ist der Berater von Marcel Hartel, und er ist gerade sehr im Stress. Am 1. Januar öffnet schließlich offiziell das Wintertransferfenster der Fußball-Bundesligen. Dann ist es Vereinen auch offiziell erlaubt, Spielern, deren Vertrag im Sommer endet, ein Angebot für einen Wechsel zu machen. Wie Marcel Hartel (27).

Der herausragende Mittelfeldspieler des FC St. Pauli hat sein Arbeitspapier beim Tabellenzweiten der Zweiten Liga noch nicht verlängert. Das heißt, er kostet ab 1. Juli keine Ablöse, obwohl sein Wert vom Portal „Transfermarkt.de“ derzeit auf drei Millionen Euro eingeschätzt wird.

Marcel Hartel stand fünfmal in der „Kicker“-Elf-des-Tages

So etwas schafft Begehrlichkeiten. Und es verbessert die Verhandlungsposition eines umworbenen Spielers. „Herr Hebel möchte sich im Moment nicht zu der Situation um Herrn Hartel äußern“, ließ der Berater auf Anfrage des Abendblatts mitteilen. Schweigen ist Gold in dem Geschäft.

Hartel hat sich in seinen zweieinhalb Jahren am Millerntor zu einem der, wenn nicht dem, besten Spieler der Zweiten Liga entwickelt. Fünf Berufungen in die Elf des Tages des „Kicker“ hat sonst kein Profi aufzuweisen. 215,8 Kilometer ist er in 17 Spielen insgesamt gelaufen, ebenfalls Liga-Bestwert. 1396 Läufe waren intensiv, Platz drei im Ranking. Außerdem hat er schon sieben Tore vorbereitet, Rang zwei in der Liga.

Hartel ist längst in Hamburg heimisch geworden

Die Fähigkeit, im Spiel Meter abzureißen wie sonst niemand, sowie das darauf angelegte, komplexe System des FC St. Pauli, sorgen dafür, dass Hartel immer wieder in gute Abschlusspositionen kommt. 48 Mal hat er schon auf das gegnerische Tor geschossen, nur Robert Glatzel vom HSV tat das öfter (63).

Mit acht Toren (davon zwei Elfmetern) ist Hartel Toptorjäger des Vereins, in Sachen Effektivität ist er aber nur Mittelmaß. Das ist jedoch ein Thema des gesamten Teams, was die zu hohe Zahl von neun unbefriedigenden Unentschieden auch erklärt.

Bei seinem ersten Anlauf in der Bundesliga 2020/21 war Hartel bei Arminia Bielefeld nur in der Hinrunde Stammspieler, in der Rückserie war sein Platz überwiegend auf der Bank. Das war St. Paulis Chance, ihn im Sommer 2021 zu verpflichten. Mittlerweile ist er in Hamburg heimisch geworden, hat eine Familie gegründet, wurde vor einem Jahr Vater, wird wertgeschätzt. Dinge, die auf seine Entscheidungsfindung einzahlen.

Entscheidung von Trainer Hürzeler spielt auch eine Rolle

„Marcel Hartel hat sich beim FC St. Pauli überragend entwickelt, er weiß, was er an dem Verein und an Hamburg hat“, erklärt der FC St. Pauli: „Und der Verein weiß, was er an diesem Spieler hat.“ Der Wille, die Zusammenarbeit zu verlängern, sicher auch mit einer Gehaltserhöhung, ist also klar. „Marcels Bedeutung für unser Team ist auch an seiner Rolle als stellvertretender Kapitän und Mitglied des Mannschaftsrats gut abzulesen“, sagte Sportchef Andreas Bornemann kürzlich.

Andererseits gibt es eben Gerüchte von Interesse aus Mönchengladbach und Frankfurt – aber wäre er dort Stammkraft, oder nur Ergänzungsspieler? Die Bundesliga ist ein Ziel, klar. Aber das ist ja auch mit dem FC St. Pauli möglich. Außerdem schätzt Hartel die Zusammenarbeit mit Trainer Fabian Hürzeler, dessen Zukunft auch noch ungeklärt ist. Also gibt es für ihn die Überlegung einen Vertrag mit Ausstiegsklausel zu verlängern, was St. Pauli gar nicht gerne mag, oder die weitere Entwicklung abzuwarten.

Auch die Verträge von Torwart Vasilj und Dzwigala enden

Der Verein gibt sich, anders als Hartels Berater Hebel, sehr entspannt in diesen Tagen zwischen den Jahren. „Zwischen dem letzten Spiel der Hinrunde und den Weihnachtstagen sowie Silvester dürfen alle auch einmal durchatmen“, teilt der Club mit: „Wir haben keinen zeitlichen Druck.“ Auch Bornemann scheint die Zeit zwischen den Jahren zum Abschalten zu nutzen: „Freie Tage sind für einen Sportchef im Profi-Bereich eine absolute Rarität, aber es muss auch mal möglich sein, etwas durchzuschnaufen.“

Im Trainingslager vom 3. bis 13. Januar in Benidorm (Spanien) gibt es dann sicher die Gelegenheit, noch das eine oder andere Gespräch zu führen. Die Prioritäten von Bornemann liegen natürlich auf Hürzeler, Hartel und Torwart Nikola Vasilj. Aber auch die Arbeitspapiere von Verteidiger Adam Dzwigala sowie mit einiger Wahrscheinlichkeit auch der Stürmer Maurides und Andreas Albers enden im Sommer. „Wie üblich kommentieren wir keine Vertragsgespräche“, teilt der Verein wenig überraschend mit.

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Dass Top-Kräfte den Club verlassen, kennt man am Millerntor ja schon. Vor einem Jahr war es Kapitän Leart Paqarada, der im Januar seinen Abschied zum 1. FC Köln bekannt gegeben hatte. Lukas Daschner schloss sich dem VfL Bochum an. Dennoch gelang unter Hürzeler eine überragende Rückserie.

Vor dieser Spielzeit verließ dann noch Jakov Medic den Club Richtung Amsterdam, da hatte Bornemann aber mit der Verpflichtung von Hauke Wahl schon für Ersatz gesorgt.

Problematischer war die Situation vor zwei Jahren, als das Team in der Rückrunde auch wegen Unruhe um die vertragliche Zukunft zahlreicher Profis den Aufstieg verspielte. „Wir hatten damals eine sehr große Gruppe von Spielern, die zum Saisonende entweder aufgrund einer Leihe oder auslaufender Verträge mit einer unklaren Situation unterwegs waren“, erklärt Bornemann seine Gelassenheit: „Jetzt ist die Quote dieser Spieler viel geringer, wir haben ein ganz anderes Fundament.”