Hamburg. Der Cheftrainer der Hamburger ist ins Ausland gereist, um sich inspirieren zu lassen. Wenig Bewegung gab es im Vertragspoker.

Vermutlich wünscht sich so manche Familie in den finalen Ausläufern der Weihnachtstage, besser mal auf Fabian Hürzeler gehört zu haben. Der Mann weiß schließlich, wovon er spricht.

„Bei Spiele-Abenden im Kreis der Familie sollte niemand zu emotional werden und wütend den Saal verlassen“, hatte der Cheftrainer des FC St. Pauli in einem Vereinsvideo als Tipp zum Fest gegeben. Da sich Hürzeler selbst ziemlich gut kennt – bei Familienduellen am Esstisch soll es heiß hergehen – verließ er sicherheitshalber vorzeitig die heimischen Gefilde in München. Nach einer kräftezehrenden Hinrunde war der 30-Jährige reif für die Insel – für die dortige Weihnachtstradition.

St. Paulis Trainer Hürzeler am Boxing Day in England

Der Boxing Day hat längst die Bedeutung eines modernen Fußballfesttages erhalten. Während alle anderen europäischen Topligen pausieren, macht die Premier League einfach weiter.

„Jeden Tag Fußball, was kann es Besseres geben?“, hatte Hürzeler einige Tage vor seinem Abflug nach England rhetorisch gefragt. Mehrere Partien der stärksten nationalen Liga der Welt wollte sich der Erfolgscoach ansehen. Welche genau, verriet er nicht: „Damit ihr mich nicht ausspionieren könnte.“ Spionieren will er jedoch selbst.

Erfolgscoach beobachtet andere Clubs

Das Beiwohnen des Boxing Days und der Begegnungen drumherum ist nicht nur Privatvergnügen Hürzelers. Er schaut sich regelmäßig andere Clubs an, übernimmt Details in seine ständig weiterentwickelte Philosophie und passt so sein System an.

Hürzeler gilt als Fan Oliver Glasners, lobte im Podcast des „Millernton“ jüngst den VfB Stuttgart und ist vor allem ein Jünger der Kirche De Zerbis. Der Italiener Roberto De Zerbi pflegt bei Brighton & Hove Albion einen balldominanten und attraktiven Offensivfußball in Kombination mit mutigem Angriffspressing. Brighton spielt am Donnerstag gegen Tottenham Hotspur, vermutlich unter Augen Hürzelers, der konkrete Ansatzpunkte haben könnte.

St. Pauli ist offensiv zu ineffizient

Denn trotz der ungeschlagenen Hinrunde, die auf Platz zwei der Zweiten Liga endete, hat St. Pauli Potenziale, die für die Aufstiegsmission eine simple Anpassung des Stils nötig machen könnten. Defensiv sind die Kiezkicker über jeden Zweifel erhaben.

Offensiv eigentlich auch. Doch hierin liegt die Krux. Zwar erspielen sich die Hamburger ligaweit die meisten Torschüsse, verwandeln diese aber zu ineffizient. Von 288 Versuchen wurden 31 Treffer. Zum Vergleich: Der HSV produzierte aus 262 Schüssen 33 Tore.

Zu viele Abschlüsse außerhalb des Strafraums

Hürzelers Team verfügt sicher über keinen Torjäger a la Robert Glatzel, schafft es allerdings auch vergleichsweise selten, in unmittelbarer Tornähe abzuschließen. Ein weiteres Mal sei an dieser Stelle der Blog „Millernton“ erwähnt, der erhoben hat, dass 44 Prozent der Torschüsse außerhalb des Sechzehnmeterraums abgegeben werden, Ligaschnitt sind 40,6 Prozent.

Ein Teil liegt in der Eigenverantwortung der Spieler bei der Entscheidungsfindung begründet, ein anderer Teil ist bedingt durch die mitunter extrem tief und kompakt stehenden Gegner. Hiergegen dauerhaft Ansätze zu finden, sei „die Königsdisziplin“ im Fußball, sagt Hürzeler.

Suche nach Inspiration in England

Die Inspiration hierfür sucht er nun in England. Angesichts der Dominanz der Braun-Weißen und dieses Meckerns auf hohem Niveau dürften detaillierte Änderungen genügen, um Fortschritte zu erzielen, ohne die defensive Balance zu verlieren.

Die Balance in der Bedeutung des Boxing Days von Geste zu Konsum ist längst verloren gegangen. Dabei würde der traditionelle Ursprung Hürzeler gewiss auch gefallen. Der „Geschenkschachteltag“ war im Brauchtum des Commonwealth of Nations der Tag nach dem Weihnachtsfest, an dem Angestellte von ihrem Arbeitgeber ein Geschenk erhielten, die Christmas box.

Verlängerung mit Hürzeler zieht sich hin

Sein Arbeitgeber hat ihn bislang nicht mit einem neuen Spieler beschenkt, arbeitet aber daran. Drei bis vier Kandidaten pro Position, also im zentralen Mittelfeld, sowie als invertierter – linksfüßiger – Rechtsaußen, hat der Kiezclub im Fokus.

Eine Vertragsverlängerung des Trainers konnte St. Pauli noch nicht in Geschenkpapier hüllen. Über die Feiertage sollen die Gespräche, die weiter maßgeblich an der Ausstiegsklausel im kommenden Sommer hängen, nicht fortgeführt worden sein.

Hürzeler hatte aber noch einen Weihnachtstipp parat: „Nicht über verflossene Beziehungen sprechen.“ Die frohe Weihnachtskunde: Beide Seiten sind gewillt, eine Lösung zu finden. Im Hause Hürzeler soll an Weihnachten 2024 über St. Pauli gesprochen werden.