Hamburg. Der Kiezclub stellt sich für die Zukunft neu auf. Die größte Veränderung betrifft dabei Präsident Oke Göttlich. Die Hintergründe.

Es ist ein großer Einschnitt in der 112-jährigen Geschichte des FC St. Pauli. Erstmals wird der Verein vom Millerntor von einem bezahlten Präsidenten geführt. Bereits mit Wirkung vom 1. Juli an steht Oke Göttlich als hauptamtlich Beschäftigter an der Spitze des Fußball-Zweitligaclubs und damit seinen mehr als 30.000 Mitgliedern.

Bisher waren der 46 Jahre alte Göttlich sowie die vier Vize-Präsidentinnen und -Präsidenten Christiane Hollander (59), Esin Rager (54), Jochen Winand (70) und Carsten Höltkemeyer (54) rein ehrenamtlich tätig gewesen. Jetzt werden auch Hollander und Höltkemeyer zu Teilzeitbeschäftigten in der Vereinsführung mit jeweils acht Wochenstunden.

FC St. Pauli: Zwei Geschäftsleiter rücken ins Präsidium auf

Als weitere Maßnahme der Umstrukturierung rücken die Geschäftsleiter An­dreas Bornemann (50/Sport) und Bernd von Geldern (56/Wirtschaft) als „Besondere Vertreter“ ins Präsidium auf und werden zeichnungsberechtigt sein. Den Weg für diesen Schritt hatten die Mitglieder bereits auf der Versammlung im September 2021 mit ihrer deutlichen Zustimmung zum entsprechenden Antrag geebnet.

„Es ist eine der wichtigsten vereinsinternen Veränderungen der vergangenen Jahre. Wir haben uns immer wieder Gedanken gemacht, wie wir Ehrenamt und Hauptamt im Verein besser verzahnen und damit sicherstellen, dass wir auch langfristig ein mitgliedergeführter Verein bleiben und die Mitgliederinteressen im Tagesgeschäft des Vereins noch stärker Berücksichtigung finden“, sagte die Aufsichtsratsvorsitzende Sandra Schwedler (42) zur neuen Struktur.

St. Paulis Präsident Göttlich hat seinen bisherigen Job aufgegeben

Oke Göttlich, der seit November 2014 den Verein als von den Mitgliedern gewählter Präsident anführt, hat inzwischen seine bisherige berufliche Tätigkeit für die in Berlin ansässige digitale Medien-Distributions-Firma Zebralution aufgegeben, um sich ganz der neuen hauptamtlichen Aufgabe bei St. Pauli widmen zu können. Bereits vor fünf Jahren hatte Göttlich seine Hamburger Firma Finetunes verkauft.

„Unter 40 Stunden pro Woche ging meine Tätigkeit bei St. Pauli nicht. Dazu kamen dann noch 40 Stunden und mehr bei der Firma Zebralution dazu“, berichtet Göttlich über seinen bisherigen zeitlichen Aufwand im Beruf und Ehrenamt. Dazu kam die Problematik, dass er sich beruflich häufig in der Hauptstadt aufhalten musste.

Oke Göttlich wird quasi durchgängig für den FC St. Pauli arbeiten können

Jetzt wird er praktisch durchweg auf der Geschäftsstelle in der Südtribüne des Millerntor-Stadions zugegen sein können. Dienstreisen stehen vorwiegend nur noch zur Deutschen Fußball Liga (DFL) nach Frankfurt am Main an. Bekanntlich gehört Göttlich seit August 2019 dem Präsidium des Ligaverbandes an.

„Es ist eine besondere Herausforderung, ein Unternehmen mit knapp 60 Millionen Euro Jahresumsatz per Satzung als Geschäftsführung zu vertreten, aber nicht täglich vor Ort sein zu können, wenn man noch einen anderen Job in Berlin oder auch Hamburg hatte. Diese Herausforderung war irgendwann nicht mehr denkbar für mich“, sagte Oke Göttlich jetzt. Und weiter: „Diese Option auch für zukünftige personelle Entscheidungen zu haben, ist sehr wichtig. Der FC St. Pauli endet nicht mit Oke Göttlich, sondern muss sich auch in Zukunft aufstellen. Im Hinblick auf die Rekrutierung weiterer Präsidiumsmitglieder sowie Präsidentinnen und Präsidenten wird es jetzt einfacher für den Verein.“

Neue Struktur soll Prozesse beim FC St. Pauli beschleunigen

Neben der rein zeitlichen Belastung hatte die bisherige Trennung zwischen den gewählten, ehrenamtlich tätigen Funktionsträgern sowie den hauptamtlichen Führungskräften immer den Nachteil, dass die Geschäftsleiter nicht zeichnungsberechtigt waren. Sie mussten für die von ihnen ausgehandelten Verträge immer zwei Unterschriften ehrenamtlicher Präsidiumsmitglieder sowie zum Teil auch die Zustimmung des ebenfalls ehrenamtlichen Aufsichtsrates heranholen.

„Wir haben festgestellt, dass es immer eine Sollbruchstelle zwischen Haupt- und Ehrenamt gab. Durch die doppelte Ehrenamtsstruktur haben wir viele Themen und Entscheidungen verlangsamt“, bestätigt Sandra Schwedler die bisherige Problematik. „Aus Sicht des Aufsichtsrates gibt es jetzt einen klaren inhaltlichen Vorteil. Wir haben das Beste aus beiden Welten zusammengebracht.“

FC St. Pauli: Hauptamtlichen Präsidenten gab es beim Kiezclub noch nie

Ganz neu ist es allerdings nicht, dass beim FC St. Pauli Präsidiumsmitglieder hauptamtlich im Club beschäftigt sind. In der Vergangenheit waren Holger Stanislawski in seiner Zeit als Sportchef und zuvor auch Stephan Beutel als Manager gleichzeitig Vizepräsidenten. Einen Präsidenten, der für die Ausübung dieser Aufgabe bezahlt wird, gab es aber noch nie.

Einen Automatismus, dass St. Paulis Präsident hauptamtlich arbeitet und entsprechend bezahlt wird, gibt es nicht. Die Entscheidung darüber trifft der Aufsichtsrat, der quasi als Arbeitgeber auftritt. Gleiches gilt für die Dauer der Bezahlung, die nicht mit der Amtszeit übereinstimmen muss. Im konkreten Fall läuft Göttlichs Vertrag nach Abendblatt-Informationen bis zum Ende der Wahlperiode im Spätherbst 2024. Ein neuer Aufsichtsrat, der sieben Personen umfasst, wird bereits im November oder Dezember gewählt.

Die als „Besondere Vertreter“ ins Präsidium aufgerückten Andreas Bornemann und Bernd von Geldern können nun Verträge selbst unterschreiben und brauchen nur noch eine weitere Unterschrift eines anderen Präsidiumsmitgliedes, was zu einer Beschleunigung beitragen soll. Gleichzeitig aber können sie auch haftbar gemacht werden, haben sie sich gegenüber der Mitgliedschaft für ihre Entscheidungen zu verantworten und müssen sich einer Abstimmung über ihre Entlastung stellen. Auch das ist ein neues Kapitel in St. Paulis Vereinsgeschichte.