Hamburg. Bei der Mitgliederversammlung des Clubs wurde auch eine neue Führungsstruktur auf den Weg gebracht und heiß diskutiert.
Nach fast genau fünf Stunden war am Sonnabend im Millerntor-Stadion alles besprochen. Bei der ersten Präsenzmitgliederversammlung seit Beginn der Corona-Pandemie hat der FC St. Pauli dabei weitreichende Entscheidungen für die Zukunft getroffen. Der Zweitligaclub wird eine Satzungsänderung vollziehen, die es ermöglicht, hauptamtliche „besondere VertreterInnen“ zu installieren, die das ehrenamtliche Präsidium unterstützt. Darüber hinaus wurde von den 446 anwesenden Mitgliedern beschlossen, dass künftig im Präsidium, Aufsichtsrat, Ehrenrat und bei den Kassenprüfern 30 Prozent der Mitglieder weiblich sein müssen. Damit wird eine Frauenquote beim Kiezclub eingeführt.
Um 13.17 Uhr hallten am Sonnabendmittag die Klänge der „Hells Bells“ durch das Stadion. „Es ist schön, euch wieder zu sehen. Das ist die erste Mitgliederversammlung hier im Stadion. Das sieht schon professionell aus“, sagte Präsident Oke Göttlich (45) zur Einleitung vor rund 446 anwesenden Mitglieder. Weil die Versammlung 2020 wegen der Corona-Pandemie nur in abgespeckter Version online veranstaltet werden konnte, wurden die Anträge des Vorjahres am Sonnabend besprochen zur Wahl gestellt.
Frauenquote beim FC St. Pauli heiß diskutiert
Vor allem zwei Anträge standen dabei im Fokus. Zum einen hatte die Arbeitsgruppe Diversität beim FC St. Pauli einen Antrag eingereicht, dass künftig 30 Prozent der Mitglieder im Präsidium, Aufsichtsrat, Ehrenrat und Kassenprüfern weiblich sein soll. Antragstellerin Suzann Edding erhielt bei ihrem Vortrag den lautesten Applaus des Tages. Dieses Thema wurde aber – wie erwartet – heiß diskutiert. So stellte das ehemalige Aufsichtsratsmitglied Uwe Doll einen Gegenantrag, der sich gegen eine Quote und für eine Besetzung der Posten nach Qualität und nicht nach Geschlecht aussprach.
Doll stellte darüber hinaus die These auf, dass „auch Frauen wie Beatrix von Storch und Eva Herman” in St. Pauli-Gremien gewählt werden könnten, wenn es keine anderen Bewerberinnen geben würde. "Das legt die Axt an die Grundfeste der Demokratie. Begeben wir uns auf diesen Weg, brauchen wir bald überhaupt keine Wahlen mehr”, erklärte der Antragsteller, der daraufhin böse Rufe und fassungslose Blicke kassierte.
Kontroverse um neue Führungsstruktur des FC St. Pauli
Deshalb überraschte es nicht, dass der Antrag auf eine Frauenquote in Höhe von mindestens 30 Prozent mit überwältigender Mehrheit und lediglich fünf Gegenstimmen beschlossen wurde.
Nicht weniger emotional wurde der Antrag besprochen, der besagt, dass künftig „besondere VertreterInnen“ berufen werden können, die eine neue hauptamtliche Führungsebene bilden sollen. Vor allem der letzte Punkt wurde von den Mitgliedern in zahlreichen Wortbeiträgen kontrovers diskutiert.
Präsident wirbt für hauptamtliche "besondere VertreterInnen"
Die Anhänger haben Befürchtungen, dass diese neuen „besonderen VertreterInnen“ Entscheidungen treffen können, die nicht im Sinne der Fan-Basis sind. Präsident Göttlich betonte aber, dass keine strategischen Entscheidungen getroffen werden, ohne dass das ehrenamtliche Präsidium und Aufsichtsrat zustimmen.
„Die Anforderungen des Profifußballs sind ehrenamtlich nicht mehr zu bewältigen. Durch diese Satzungsänderung wollen wir die Zukunftssicherheit und Handlungsfähigkeit sicherstellen“, sagte Präsident Göttlich. In der anschließenden Abstimmung wurde die nötige Dreiviertelmehrheit erreicht. Insgesamt 353 der 416 gültigen Stimmabgaben waren Ja-Stimmen.
Esin Rager zur Vizepräsidentin gewählt
Eine Personalentscheidung wurde bereits am Sonnabend beschlossen. Die ehemalige Abendblatt-Ressortleiterin der Beilage „Hamburg Live“ Esin Rager (53), die nach dem Rücktritt von Joachim Pawlik am 1. Juli zunächst als kommissarische Vizepräsidentin eingesetzt war, wurde als festes Mitglied des Gremiums gewählt. Von 425 abgegebenen Stimmen erhielt Rager überwältigende 413 Ja-Stimmen. Um 14.20 Uhr ballte die neue Vizepräsidentin die Faust und nahm freudestrahlend den Blumenstrauß von Präsident Göttlich in Empfang.
Zum Abschluss der Veranstaltung wurde es noch einmal hitzig, als es darum ging, dass die Mitglieder künftig entscheiden können, ob Medienvertreter bei Mitgliederversammlungen anwesend sein dürfen oder nicht. Präsident Göttlich sprach sich im Namen des Präsidiums klar dagegen aus. Und die Mitglieder folgten dem und lehnten diesen Antrag ab.