St. Leonhard in Passeier. Der neue Stürmer des Hamburger Kiezclubs benötigt das passende Umfeld, um Leistung zu zeigen. Bei den Kiezkickern findet er es vor.

Der Kaffeekonsum von Johannes Eggestein dürfte dieser Tage auf Rekordniveau angelangt sein. Zum einen erfordert das Trainingslager ständige Koffeinkicks, zum anderen möchte sich der Neuzugang des FC St. Pauli in St. Leonhard in Passeier die Zeit nehmen, „meine neuen Mitspieler bei einem Kaffee besser kennenzulernen, um zu verstehen, wie sie Fußball spielen“. Ja, es geht zuallererst um Fußball. Ihn interessieren aber darüber hinaus „die Perspektiven“ der Kollegen, das Menschelnde.

Eggestein ist ein sensibler Charakter – und das ist ausdrücklich als Kompliment gemeint, da der gebürtige Hannoveraner auch feinfühlige Antennen für die Gemütslage seiner Mitmenschen hat. Das Problem dabei: Wenn er sich in seinem Umfeld nicht wohlfühlt, leidet auch seine Leistung darunter. So wie vergangene Saison beim belgischen Erstligisten Royal Antwerpen, wo falsche Versprechungen und interne Konflikte dem einstigen Toptalent von Werder Bremen derart zusetzten, dass er zum Null-Tore-Stürmer verkam.

FC St. Pauli: Eggestein kann den Verein einschätzen

So mancher wäre daran zerbrochen, Eggestein ist dagegen gewachsen. „Ich habe daraus die Lehre gezogen, künftig nur zu Vereinen zu gehen, die ich besser kenne und einschätzen kann“, sagt er. St. Pauli kann er einschätzen. „Mir gefallen die sportlichen Ambitionen, zugleich aber auch die Bodenständigkeit. Das passt ziemlich gut zu mir.“

Und so kommt der Bruder von Maximilian Eggestein (25/SC Freiburg) aus einer Position der Schwäche, infolge des sportlichen Rückschritts, und Stärke zugleich zum Kiezclub. Eggestein erhebt keinen offenen Führungsanspruch, das braucht er auch nicht. Die Suche nach den Unterredungen mit Trainerteam und Mannschaft zeigen, weswegen er einst Kapitän der U-21-Nationalmannschaft war. „Ich werde nicht so tun, als sei ich schon zwei, drei Jahre im Verein. Aber mit meiner Erfahrung aus der Bundesliga und Europa League kann ich sicher Impulse setzen.“

FC St. Pauli: Team will Spiel selbst gestalten

Vor allem auf dem Platz. Und die Voraussetzungen hierfür stimmen. „Bei ihren vorherigen Clubs mussten sie viel gegen den Ball arbeiten. Nun spielen sie in einem Team, das das Spiel selbst gestalten will. Das sollte die Jungs häufiger in Positionen bringen, erfolgreich zu sein“, sagt Sportchef Andreas Bornemann über seine zuletzt glücklosen, neuen Stürmer David Otto und Eggestein. Zweitgenanntem kommt vor allem zugute, dass „ich mich gern zwischen den Räumen aufhalte, nicht immer den Abschluss suche, sondern mich auch über die Ballverteilung und Assists ins Team spielen kann“.

Es ist eine gute Wette, darauf zu setzen, dass der 24-Jährige – vorausgesetzt, es kommt bis dahin keine weitere Offensivkraft – zum Saisonauftakt gemeinsam mit dem strafraumgebundeneren Igor Matanovic das Sturmduo bilden wird.

FC St. Pauli: Eggestein fiebert auf ein gutes Jahr hin

Die Karriere von Eggestein verlief schwankend. Auf Durchbruchsjahre bei Bremen folgten Rückschläge. Auf eine erfolgreiche Leihe nach Österreich zum Linzer ASK folgte Antwerpen. „Jetzt wäre wieder ein gutes Jahr dran“, sagt Eggestein. Gerade weil er sich bei St. Pauli an sein bislang letztes gutes Jahr erinnert fühlt, wo ihm zwölf Treffer und sieben Vorlagen gelangen. „In Österreich wurde ich mit offenen Armen vom Team empfangen. Vor allem aber gab es eine ganz klare Spielidee, und die sehe ich hier auch. Die muss nicht einmal zwingend komplett zu mir passen. Entscheidend ist lediglich, dass alle ihre Rolle im System so ausfüllen wie vorgesehen“, so Eggestein.

Seine Rolle in Südtirol ist indes nicht nur die des Kaffeekapitäns. Auch an der Tischtennisplatte im Kraftraum des Teamhotels Bad Fallenbach lernt Eggestein seine Mitspieler besser kennen – und geht den Verlautbarungen nach alles andere als sensibel mit ihnen um.

Die Einheiten am Donnerstag verpassten Etienne Amenyido, David Nemeth (beide Oberschenkel) und Carlo Boukhalfa (Unwohlsein). Luca Zander trainierte individuell.