Hamburg. Es zeichnet sich ab, auf welche Spieler eine bedeutsame Rolle zukommt. St. Pauli steht kurz vor Transfer von Defensivspieler.

Am Sonntagmorgen durften sich die Langschläfer unter den Profis des FC St. Pauli als die großen Gewinner fühlen. „6.45 Uhr, Waldyoga“, war eigentlich im Trainingsplan vorgesehen. „Aber so unbeliebt wollte ich mich dann doch nicht machen“, sagte Trainer Timo Schultz und beließ es zum Abschluss des Trainingslagers in St. Leonhard in Passeier bei einer abgespeckten Fußballeinheit im örtlichen Nestelstadion am späten Vormittag.

Die Woche in Südtirol produzierte aber weit mehr Gewinner als nur die Augenringfraktion. Afeez Aremu beispielsweise – an der Tischtennisplatte. Das Passeiertal, von dessen Schönheit jeder gefragt oder ungefragt schwärmte. Oder Schultz selbst, dessen heiße Gelüste auf eine Pizza am finalen Abend endlich im „Brückenwirt“ gestillt wurden. Zu vorderst aber: „die Mannschaft“.

Smith ist der größte Gewinner bei St. Pauli

Keine Sorge, St. Pauli übernimmt nicht den DFB-Slogan, es soll an dieser Stelle nicht um Verlierer in der Marketingabteilung gehen. Stattdessen um den „Riesenschritt“, den Schultz beobachtete. „Alle alten Themen sind abgehakt, die Gruppe funktioniert und hat zueinander gefunden. Das war eindeutig zu beobachten.“ Im Übrigen auch von Außenstehenden.

Die Hierarchien im Team haben sich verfestigt – und weitere Gewinner produziert. Auf dem Papier Eric Smith, der beim 4:1 (2:0)-Sieg im Testspiel am Sonnabend gegen NK Istra 1961 die Kapitänsbinde trug. Eine Ehre, aber keine Vorentscheidung. „Wer Kapitän wird, legen wir in aller Ruhe kommende Woche fest“, so Schultz.

Dann soll auch entschieden werden, ob der physisch wie gefühlt größte Gewinner der Vorbereitung auch wirklich einer bleibt. Es war die am meisten mit Spannung erwartete Entscheidung vor der Partie gegen den kroatischen Erstligisten, der jedoch nur deutsches Drittliganiveau besaß: Wer wird im Tor stehen?

Paqarada ist der neue Boss bei St. Pauli

Zum Anpfiff mit 1,95 Meter unübersehbar für die rund 250 Zuschauer auf dem Sportplatz in Moos in Passeier: Dennis Smarsch. Und da die zehn Feldspieler, die Schultz vor ihm aufbot, doch sehr stark nach der potenziellen Startbesetzung zum Saisonauftakt gegen den 1. FC Nürnberg am Sonnabend (13 Uhr) aussahen, scheint es, als habe der Ersatzkeeper der vergangenen Saison das Duell mit Nikola Vasilj zu seinen Gunsten entschieden. „Überhaupt nicht“, meint hingegen der Trainer selbst. „Beide Torhüter haben eine Halbzeit gespielt, einer musste eben anfangen.“

Trainer Timo Schultz war zufrieden mit dem Trainingslager.
Trainer Timo Schultz war zufrieden mit dem Trainingslager. © WITTERS | LeonieHorky

Nächster Gewinner: Leart Paqarada. Und das, obwohl beim Kosovaren die wenigsten Zweifel überhaupt bestanden. Doch Paqarada hat nochmals an Bedeutung gewonnen, übernimmt die Rolle des Spielmachers von der Position des Linksverteidigers heraus. Kaum ein Angriff, den er nicht maßgeblich beeinflusst. Den Handelfmeter gegen Istra schnappte sich der 27-Jährige und verwandelte ihn wie selbstverständlich. Wer auch immer Kapitän wird, nominell die Zehn besetzt oder das teuerste Preisschild trägt: Paqarada ist der uneingeschränkte Boss.

St. Pauli vor Transfer von Fazliji

Besonders entgegen kommt ihm, dass St. Pauli jetzt die Außenverteidiger – auf rechts deutete Manolis Saliakas seine Dynamik an – in Ballbesitz mitunter auf Höhe der Stürmer positioniert. „Wobei wir hierbei effektiver werden müssen“, sagt Schultz über einen Trainingsfokus der anstehenden Woche. Nahezu immer auf dem Programm standen Übungen zum Angriffspressing – die zu einem weiteren Gewinner führen: Igor Matanovic.

Der 19 Jahre alte Stürmer ist gut geeignet dafür, in erster Reihe Druck auf den Ball auszuüben. Aus solch einer Situation heraus entstand gegen seine Landsleute aus Kroatien das 2:0. „Die täglichen Taktikbesprechungen haben uns extrem vorangebracht. Wir wissen nun viel besser, was zu tun ist“, so Matanovic.

„Igor hat den Kopf jetzt frei und verkrampft nicht mehr“, sagt Sportchef An­dreas Bornemann, der selbst noch zu einem Gewinner werden könnte, wenn er den Deal für Betim Fazliji einfädelt. Nach Abendblatt-Informationen haben sich der 23-Jährige, der in der Innenverteidigung und im defensiven Mittelfeld spielen kann, und St. Pauli bereits geeinigt.

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Nun müssen der FC St. Gallen und Bornemann die Ablösesumme, die im hohen sechsstelligen Bereich liegen soll, aushandeln. „Das ist alles sehr hypothetisch und theoretisch, aber manchmal kann sich etwas innerhalb von Stunden ändern, wo es lange Stillstand gab“, sagt Bornemann. Fazliji wäre auch ein Gewinn für Schultz, der „einen weiteren Allrounder hinten“ für „wünschenswert“ hält.

Der einzige Haken an der Gewinner­geschichte: Zwar sind die Grundlagen gelegt, doch zählbar gewonnen wurde in dieser Saison noch nichts. Und zum Auftakt darf nicht zu lange geschlafen werden.

Die Statistik:

  • St. Pauli: Smarsch (46. Vasilj) – Saliakas (68. Zander), Dzwigala (46. Beifus), Medic (68. Roggow), Paqarada (68. Ritzka) – Smith (68. Aremu) – Irvine (61. Metcalfe), Hartel (68. Jessen) – Daschner (68. Boukhalfa) – Matanovic (46. Otto), Eggestein (61. Imsak).
  • Tore: 1:0 Medic (14.), 2:0 Matanovic (33.), 2:1 Miskovic (51./Handelfmeter), 3:1 Paqarada (58./Handelfmeter), 4:1 Imsak (90.+3).