Hamburg. Seit Mitte März ist Jan Sandmann als Nachfolger von Tobias Hentschel der Kaderplaner beim Kiezclub. Sein Einstieg war schwierig.
Der Tag nach dem Ende der Transferperiode begann für Jan Sandmann in seinem Homeoffice in Heikendorf bei Kiel. „Es gibt keinen Grund, die Füße hochzulegen. Das nächste Transferfenster steht vor der Tür. Es wird nicht langweilig“, sagt der 42-Jährige in seinem ersten Interview mit dem Abendblatt. Im März hat er beim FC St. Pauli den wichtigen Posten des Kaderplaners vom ehemaligen Hockey-Nationalspieler Tobias Hentschel (41) übernommen. „Ich hatte total Lust, hier mit anzupacken und musste deshalb nicht lange überlegen, als ich von Andreas Bornemann gefragt wurde, ob ich zur Verfügung stehe“, erinnert sich Sandmann, der den St.-Pauli-Sportchef während der gemeinsamen Zeit bei Holstein Kiel kennengelernt hatte.
Sein Einstieg in die neue Aufgabe hätte für den ehemaligen Fußballprofi kaum schwieriger sein können. Durch die Corona-Krise war es nicht möglich, europaweit durch die Stadien zu reisen, um potenzielle neue Spieler persönlich unter die Lupe zu nehmen. „Livescouting war im Prinzip ausgeschlossen.
Bei der Kaderplanung und auch der Bewertung der eigenen Spieler ist ein Live-Eindruck immer sehr wichtig“, betont Sandmann, der gezwungenermaßen auf Laptop und Telefon zurückgreifen musste. „Es geht auch um den internen Austausch mit dem Sportchef, dem Cheftrainer und den Scouts. Das geht natürlich besser, wenn man an einem Tisch sitzt und offen diskutieren kann. Das musste über alternative Medien laufen. Wir haben das Beste daraus gemacht.“
Ein Transfer ist immer Teamarbeit
Am vergangenen Wochenende konnte Sandmann wieder das machen, was er am liebsten macht. Durch die Gegend reisen, Spiele anschauen, und seine Datenbank mit Informationen füttern. Bereits jetzt wird bei St. Pauli überlegt, wie man im kommenden Wintertransferfenster, das am 1. Januar 2021 öffnet, und darüber hinaus den Kader weiter optimieren kann. In sogenannten Schattenkadern wird simuliert, wie ein Mannschaftsgefüge mittelfristig aussehen könnte. „Wichtig ist, als Verein eine Idee zu haben, für was man stehen möchte. Das Geschäft ist so schnelllebig, trotzdem versuchen wir, so nachhaltig und mit so viel Weitblick wie möglich zu arbeiten“, sagt Sandmann, der betont, dass die Suche nach neuen Juwelen keine Ein-Mann-Show sei.
Lesen Sie auch:
- Timo Schultz plant schon mit Guido Burgstaller
- Dreijahresvertrag: Burgstaller "wühlt" St. Pauli auf
- Fix! Warum St. Pauli den Schalker Burgstaller verpflichtet
„Kaderplaner klingt immer so wichtig. Viele nehmen sich da zu wichtig. Ein Transfer ist immer Teamarbeit. Im Hintergrund gibt es viele Kollegen, die wertvolle Arbeit leisten“, erklärt der Neu-St.-Paulianer, der gerade in Corona-Zeiten und der damit verbundenen finanziellen Unsicherheit beim Scouting besonders kreativ sein musste.
„Jedem ist klar, dass sich der FC St. Pauli keine fertigen Spieler leisten kann. Wir müssen uns zutrauen, Potenziale zu erkennen. Vor der Transferperiode war uns klar, dass wir eine Blutauffrischung machen müssen. Wir brauchten neue Energie, Leidenschaft, Dampf und Feuer. Das sind Werte, für die auch der Verein als Ganzes steht“, sagt Sandmann, der wie ein „echter“ St.-Paulianer klingt. Dabei hat er seine ersten Schritte als Fußballprofi vor fast genau 20 Jahren beim ungeliebten Stadtrivalen gemacht.
Sprüche wegen meiner HSV-Vergangenheit habe ich bei St. Pauli noch keine bekommen
Von 2000 bis 2002 absolvierte der damalige Defensivspieler insgesamt sechs Bundesligaspiele für den HSV. Überwiegend kam Sandmann aber in der zweiten Mannschaft zum Einsatz. Sein Karrierehighlight aber waren zwei Spiele auf der internationalen Bühne. Damals stand er in der Champions-League-Qualifikation gegen Bröndby Kopenhagen sowie später in der dritten Runde des Uefa-Cups gegen den AS Rom auf dem Rasen.
„Das sind Erlebnisse, die einem immer im Kopf bleiben. Ich durfte tolle Spiele erleben und habe wichtige Erfahrungen gesammelt, auch wenn ich natürlich gerne mehr Einsätze gehabt hätte“, gibt St. Paulis neuer Kaderplaner zu. „Sprüche wegen meiner HSV-Vergangenheit habe ich bei St. Pauli bisher noch keine bekommen.“