Hamburg. Der Stürmer wechselt ablösefrei vom Bundesliga-Tabellenletzten Schalke 04 ans Millerntor und trainiert schon heute mit.
Manches Schweigen ist so laut, das kann man gar nicht überhören. „Kein Kommentar!“, hieß es am Dienstagnachmittag beim FC St. Pauli, als aus Westdeutschland die ersten Gerüchte den Weg in den Norden fanden über die bevorstehende Verpflichtung von Guido Burgstaller, dem Stürmer des FC Schalke 04. Tatsächlich absolvierte der 31 Jahre alte Österreicher da schon erfolgreich seinen Medizincheck in der Altonaer Endo-Klinik und wird heute an der Kollaustraße erstmals mit der Mannschaft trainieren.
Am Mittwochvormittag machte St. Pauli den Deal offiziell. Burgstaller erhält bei den Hamburgern einen Dreijahresvertrag bis 2023. Und der neue Stürmer wusste sofort, wie er sich beim Kiezclub vorzustellen hat: „Mir war es in meiner Laufbahn immer wichtig, bei Vereinen mit einer gewissen Tradition zu spielen. Ich kann es kaum erwarten, am Millerntor die Hells Bells zu hören.“
Burgstaller ist da: St. Pauli beendet Stürmersuche
Dass St. Pauli noch auf der Suche nach einem Angreifer war, ist bekannt. In Henk Veerman, Dimitrios Diamantakos und Viktor Gyökeres haben schließlich drei Stürmer den Club im Sommer verlassen. Und nur der Däne Simon Makienok (aus Dresden) sowie der dreifache Torschütze Daniel-Kofi Kyereh (Wiesbaden) sind bislang dazugekommen.
„Nach den zahlreichen Abgängen nach der Vorsaison war klar, dass wir im Offensivbereich noch aktiv werden wollten", sagte Sportchef Andreas Bornemann. „Guido entspricht mit seiner Erfahrung, von der gerade auch unsere vielen jungen Spieler profitieren werden, und seinen Qualitäten genau unserem Anforderungsprofil. Und mit seiner Spielweise passt er perfekt ans Millerntor und zum FC St. Pauli.“
Bornemann kennt Burgstaller noch aus Nürnberger Zeiten
Bornemann kennt Burgstaller noch gut aus gemeinsamen Nürnberger Zeiten. Er kann sich ein Bild von der Persönlichkeit des ehemaligen Nationalspielers machen. Von September 2015 bis Januar 2019 war Bornemann beim „Club“ tätig, Burgstaller spielte dort in der Zweiten Liga von Januar 2015 bis Januar 2017, schoss in 63 Spielen 33 Tore. Dann wechselte er für eine Ablöse von 1,5 Millionen Euro nach Schalke. Dort erzielte er in 95 Bundesligaspielen immerhin 24 Treffer.
Aber zuletzt nicht mehr. Seit über einem Jahr wartet der einstige Torgarant auf ein persönliches Erfolgserlebnis. Zuletzt traf Burgstaller am 11. Mai 2019 gegen Bayer Leverkusen. „Über den Zenit“ lautete vor Beginn dieser neuen Saison das harte Urteil der Verantwortlichen in Gelsenkirchen. Die verpflichteten für den Angriff im Sommer Vedad Ibisevic (36) von Hertha BSC, liehen Goncalo Paciencia (26) von Eintracht Frankfurt und holten Leihspieler Mark Uth (29) aus Köln zurück.
Burgstaller war nur noch die Nummer vier in der Stürmerhierarchie, durfte nicht mehr mit der Mannschaft trainieren, weil der inzwischen beurlaubte Coach David Wagner nur 22 Mann gleichzeitig auf dem Trainingsplatz haben wollte. Auch bei Test- und Vorbereitungsspielen kam Burgstaller nicht mehr zum Einsatz. Die Signale waren klar: Er hatte seine Schuldigkeit getan, er konnte gehen.
Was sich St. Paulis Trainer von Burgstaller erhofft
„Mit Guido Burgstaller bekommen wir einen absoluten Mentalitätsspieler, der sich für keinen Weg zu schade ist und weder sich noch den Gegner schont", sagte St. Paulis Trainer Timo Schultz. „Auf Schalke lief es für ihn zuletzt nicht rund, aber er hat oft genug nachgewiesen, dass er weiß, wo das Tor steht. Ich glaube, unsere Fans können sich auf einen Spieler freuen, der die klassischen St. Pauli-Tugenden mitbringt.“
Es geht Burgstaller nicht mehr um das Geld
Rund eine Million Euro im Jahr hat er auf Schalke zuletzt verdient, sein Arbeitspapier war noch bis 31. Juli 2022 datiert. Der Vertrag wurde mittlerweile aufgelöst, irgendeine Form von finanzieller Kompensation wird es geben, sei es eine Abfindung oder eine teilweise Gehaltsübernahme. Denn der FC St. Pauli will und kann seinen Gehaltsrahmen nicht sprengen. Maximal 600.000 jährlich sind am Millerntor für eine Spitzenkraft drin.
Aber um das Geld ging es Burgstaller nicht mehr. Der Kärntner will spielen und nicht einen gut dotierten Vertrag einfach aussitzen. Und er hat offensichtlich Bock auf St. Pauli, zahlreiche andere Anfragen hat er abgesagt. Das könnte also passen. Zumal Burgstaller als ein charakterlich einwandfreier Profi gilt, der nie mit sauberem Trikot vom Platz geht, dessen Wort auch in der Kabine Gewicht hat. Burgstaller war deshalb stellvertretender Mannschaftskapitän bei S04.
Burgstaller ist ein Arbeiter
Auch als er zuletzt nicht mehr berücksichtigt wurde, hat er sich nie öffentlich beschwert oder für schlechte Stimmung gesorgt. „Burgstaller hatte immer diese Malocher-Einstellung, die wir Schalker angeblich ja so lieben“, schreibt der Schalke-Fan „Daniel“ in einem Fanforum der „WAZ“. Die Schalker Anhänger haben eine hohe Meinung von dem Stürmer. „Eine Legende verlässt uns“, meint „Julius“, eine „kleine Ikone der letzten Jahre“, schreibt „Alex_GE“, und „Freddy“ nimmt eine Wette an: „Burgstaller zerschießt die Zweite Liga, wenn er zu St. Pauli wechselt.“
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Dann allerdings wäre St. Pauli ein echter Coup gelungen. Als der Verein vor drei Jahren in Sami Allagui von Hertha BSC einen ähnlich prominenten Bundesligaspieler holte, ging die Rechnung nur teilweise – bis gar nicht – auf. Gefordert ist insbesondere auch Trainer Timo Schultz, der erstmals in seiner jungen Trainerkarriere einen gestandenen „Star“ in die Mannschaft integrieren muss oder darf.
St. Paulis bisherige Zugänge gehören ja eher in die Kategorie talentierte Perspektivspieler. Schultz wird diese Herausforderung annehmen. „Ich arbeite auch gerne mit Wundertüten“, sagte er vor wenigen Wochen. Die bekommt er nun, eine sehr vielversprechende sogar.