Sandhausen/Hamburg. Aus dem seit Jahren vielversprechendsten Kader muss Trainer Schultz jetzt eine schlagkräftige Einheit formen.
Eine alte Fußball-Weisheit besagt, dass sich Glück und Pech innerhalb einer Saison ausgleichen. Beim FC St. Pauli hat der neue Cheftrainer Timo Schultz diese Art der Gerechtigkeit gleich in seinen ersten drei Ligaspielen erleben können. War das 2:2 beim VfL Bochum zum Saisonstart aufgrund des Aufbäumens in der zweiten Halbzeit verdient, so kam der scheinbar grandiose 4:2-Heimsieg gegen Heidenheim bei nur neun Torschüssen auch mit viel Glück zustande. Eben dieses fehlte St. Pauli prompt fünf Tage später am vergangenen Freitagabend beim 0:1 in Sandhausen, als keiner der 22 eigenen Torschüsse den Weg ins Netz fand.
Timo Schultz sah denn auch mit einigem Recht keinen Anlass, seine Spieler für die erste Punktspielniederlage der Saison hart zu kritisieren, obwohl sie dem Team vom vermeintlich schwächsten der drei Auftaktgegner zugefügt worden war. „Ich habe nach dem Heidenheim-Spiel gesagt, dass vieles nicht gut war. Wenn ich jetzt beide Spiele vergleiche, dann war unser Spiel in Sandhausen besser als gegen Heidenheim. Doch dafür kannst du dir nichts kaufen, wenn du am Ende verlierst. Der Ball muss aufs Tor gehen. Aber wir schießen daneben und drüber. Wir können uns jetzt ärgern, aber wenn wir das Spiel analysieren, sind da viele gute Sachen dabei gewesen“, sagte Schultz.
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Schultz: „Wir haben mittlerweile einen guten, breiten Kader“
Bis zum Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg am 19. Oktober hat der Coach jetzt dank der Länderspielpause Zeit, die Erkenntnisse der ersten drei Punktspiele zu verarbeiten sowie die Varianten in der Defensive und Offensive weiter zu automatisieren. Dabei gilt es zudem, die beiden jüngsten, spektakulären Verstärkungen – Stürmer Guido Burgstaller und Innenverteidiger James Lawrence – in das Gefüge gewinnbringend einzubauen. „Wir haben mittlerweile einen guten, breiten Kader“, weiß Trainer Schultz, der sich zudem glücklich schätzt, nur auf wenige potenzielle Stammspieler verzichten zu müssen wie Ryo Miyaichi und Christopher Buchtmann.
Tatsächlich ist der aktuelle Kader trotz der finanziellen Unwägbarkeiten aufgrund der Corona-Krise alles andere als eine abgespeckte Version. Vielmehr nähren die Neuzugänge die Hoffnung auf eine schlagkräftige und attraktiv spielende Mannschaft. Einige der neuen Spieler, wie der schon dreifache Torschütze Daniel-Kofi Kyereh (24), Maximilian Dittgen (25), Lukas Daschner (22), Rodrigo Zalazar (21) und auch Afeez Aremu (20), besitzen Qualität, sind aber auch noch entwicklungsfähig. Burgstaller (31), Lawrence (28) und auch Leart Paqarada (25) haben ihr Können in den vergangenen Jahren längst unter Beweis gestellt.
Trainer Schultz macht die Rotation zum Prinzip
Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass der FC St. Pauli derzeit den vielversprechendsten, ambitioniertesten und auch tiefsten Kader seit Jahren besitzt. Dies ist auch der Grund dafür, dass Trainer Schultz gar nicht so sehr anstrebt, eine feste Startelf zu formen, sondern eher die Rotation zum Prinzip macht. „Wenn man schon so viele gute Jungs hat, muss man ihnen auch das Vertrauen schenken. Ich denke, dass die, die reingekommen sind, dies auch bestätigt haben“, sagte er nach dem Spiel in Sandhausen, für das er seine Startformation gegenüber dem 4:2 gegen Heidenheim auf vier Positionen verändert hatte.
Die aktuell erlaubten fünf Auswechslungen geben dem Coach zudem immer die Chance, nachhaltig neue Impulse ins Spiel zu bringen, zumal ihm im Mittelfeld und Angriff sehr unterschiedliche Spielertypen zur Verfügung stehen. „Von der Bank können wir immer nachlegen. Das gefällt mir gut“, sagt er denn auch. Schon beim 2:2 in Bochum sowie zuletzt in Sandhausen, als es noch einmal eine starke, wenn auch torlose Schlussoffensive gab, traf dies zu.
Ersin Zehir gehört für diese Saison nicht mehr zum Team
Einer der Joker war drei Tage nach seiner Verpflichtung Guido Burgstaller, der schon bald auch als Startelfspieler eine wichtige Rolle spielen sollte. Um den prominenten Zugang zügig ins Gefüge einzubauen, werden auch die für Mittwoch und Donnerstag angesetzten Testspiele bei Werder Bremen und bei einem noch nicht benannten Gegner dienen.
Zudem muss es darum gehen, dem Team insgesamt mehr Stabilität zu verleihen, damit es künftig nicht mehr wie in Sandhausen nach einer beeindruckend dominanten Anfangsphase den Faden verliert, wenn der Gegner taktisch etwas ändert. Auch in den Spielen zuvor waren die Leistungsschwankungen innerhalb der 90 Minuten noch zu groß.
Für diese Saison nicht mehr zum Team gehört allerdings der zentrale Mittelfeldspieler Ersin Zehir. Angesichts der großen Konkurrenz auf seiner Position entschied der 22-Jährige, sich bis zum Juni in seine Heimatstadt an Drittliga-Neuling VfB Lübeck verleihen zu lassen.
SV Sandhausen: Fraisl – Nauber, Kister, Zhirov – Diekmeier, Nartey, Ouahim (90. Röseler), Contento (63. Scheu) – Biada (76. Zenga) – Behrens, Keita-Ruel (76. Bouhaddouz). FC St. Pauli: Himmelmann – Avevor, Ziereis, Buballa – Ohlsson (79. Zalazar), Becker, Knoll (62. Wieckhoff), Paqarada (46. Dittgen) – Daschner (46. Tashchy) – Kyereh, Makienok (62. Burgstaller). Tor: 1:0 Buballa (45., Eigentor). Schiedsrichter: Sven Waschitzki (Essen). Zuschauer: 1393. Gelbe Karten: Nartey, Biada – Avevor (2), Ohlsson (2).