Ein Fan des FC St. Pauli traf Gästespieler Tiffert mit einem Schneeball im Gesicht. Der Verein reagiert und entzieht dem Anhänger die Dauerkarte.

Hamburg. Sein Verein holte nach sechs Spielen ohne Sieg endlich wieder drei Punkte, doch für einen Fan des FC St. Pauli hat die Partie weniger angenehme Konsequenzen. Weil er mit einem Schneeball FCK-Mittelfeldspieler Christian Tiffert im Gesicht traf, entzieht der FC St. Pauli einem 16-jährigen Anhänger die Dauerkarte für die restlichen Heimspiele des Bundesligisten. Außerdem behält sich der Verein nach Angaben von St. Paulis Teammanager Christian Bönig „weitere Schritte“ gegen den Übeltäter vor. „Wir werden darüber am Dienstag beraten“, sagte der 33-Jährige.

Der Vorfall hatte sich am Freitagabend nach der 0:1-Niederlage des 1. FC Kaiserslautern bei den Hamburgern ereignet. Während eines Interviews mit dem Pay-TV-Sender Sky vor St. Paulis Fanblock sah sich Tiffert einem Hagel aus Schneebällen ausgesetzt und wurde schließlich getroffen. Der Lauterer Profi ertrug die Attacke mit stoischer Ruhe und blieb unverletzt. „Wenn es den Fans denn Spaß macht“, sagte der 28-Jährige, der die Pleite seines Teams durch ein Eigentor in der 48. Minute eingeleitet hatte.

St. Pauli, das den Haupttäter mit Hilfe eines Ordners identifizieren konnte, sieht sich trotz Tifferts Gelassenheit zum Handeln gezwungen. „Das Verhalten tolerieren wir nicht. Der Fan wird bestraft, auch wenn er vielleicht die Konsequenzen im Überschwang seiner Pubertätshormone nicht bedacht hat“, sagte Sportchef Helmut Schulte der Bild am Sonntag: „Wir als Verein entschuldigen uns bei Christian Tiffert.“

Lesen Sie zum Spiel auch den Abendblatt-Bericht von Dirk Steinbach und Lutz Wöckener:

Am Ende stand die Befreiung. Die Spieler in den bronzefarbenen Hemden ballten ihre Hände kollektiv zu Fäusten und schrien ihre Erlösung in die Hamburger Winterluft. Lag es an den gravierenden personellen Umstellungen, lag es am neuen Einlauf im Stadion, der die Spieler erstmals aus der geschlossenen Ecke zwischen Haupt- und Südtribüne auf das Feld führte? Oder lag es gar an den ungewohnten Minustemperaturen von 7 Grad? Dem Großteil der 24 307 Zuschauer war es letztlich egal. Der FC St. Pauli meldete sich im Kühlschrank Millerntor-Stadion mit einem erlösenden 1:0-Heimsieg gegen den 1. FC Kaiserslautern wieder in die Liga zurück.

So mancher Fan musste elf Minuten vor dem Anpfiff zweimal auf die Anzeigetafel blicken, als Dagmar Grigoleit die Aufstellung verlas. Nein, der Stadionsprecherin war kein Fehler unterlaufen. St. Paulis Trainer Holger Stanislawski hatte seine Startelf nach dem sechsten sieglosen Spiel in Folge (0:3 in Bremen) tatsächlich auf gleich drei Abwehrpositionen verändert. Fabio Morena, Ralph Gunesch und Moritz Volz erhielten eine Chance von Beginn an. Ihre Teamgefährten Carlos Zambrano, Charles Takyi und Deniz Naki wurden dagegen im Rahmen einer disziplinarischen Maßnahme aus dem Kader verbannt. "Es gibt innerhalb einer Gruppe, innerhalb einer Mannschaft gewisse Verhaltensregeln, die die drei nicht so erfüllt haben, wie wir uns das vorstellen. Deshalb sind sie heute nicht dabei", beließ es Stanislawski zunächst bei einer schwammigen Begründung.

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Sportchef Helmut Schulte sprang ihm zur Seite: "Wir sind ein Klub, in dem es sehr menschlich zugeht. Aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo man auch mal reagieren muss. Wir können es uns in unserer Situation nicht leisten, mit Spielern zu arbeiten, die zwei, drei Prozent auf der Straße liegen lassen. Wir brauchen Spieler, die 100 Prozent geben." Takyi hatte seine Nichtberücksichtigung bereits am Nachmittag via Facebook kommentiert: "Disziplinarische Gründe ... ja, ja ..." Im Umfeld kursierte, dass das Trio zu spät zum Abschlusstraining erschienen war.

Wie auch immer: Das Signal zeigte auf jeden Fall Wirkung. Bissig, giftig und kampfstark wurde den durch sieben Punkte aus den vergangenen drei Spielen selbstbewussten Pfälzern begegnet. Kaum ein Zweikampf verging, ohne dass ein St. Paulianer seinem Gegenspieler nicht die Hand auf den Rücken legte, ihn wegschob, um direkt den nächsten ballführenden Kontrahenten zu stören. Die Stanislawski-Elf zeigte sich präsent wie lange nicht mehr. Dies gilt auch für die Fans, die ihr Team lautstark unterstützten. "Das war mein St. Pauli, wie ich es kenne. Mit ganz viel Kampf", lobte denn auch Fabian Boll.

Die große Angst, die noch im Aufstiegsjahr zu einem peinlichen 0:3-Desaster auf dem Kaiserslauterer Betzenberg geführt hatte, war nicht erkennbar. Die zuletzt vermisste Durchschlagskraft aber ebenfalls nicht. St. Pauli präsentierte sich leidenschaftlicher, aber ebenso torungefährlich wie zuletzt: wenige zwingende Torchancen, keine Treffer. Ein echtes Feuerwerk am Millerntor gab es erst sieben Minuten nach dem Abpfiff auf dem Dom.

Da passte es dann auch ins Bild, dass die Führung nur mithilfe des Gegners gelang. In der 48. Minute lenkte Kaiserslauterns Tiffert einen von Max Kruse getretenen Freistoß ins eigene Netz. Eben alles anders am Millerntor.

Was auch für das Ergebnis galt, da der Sieg im siebten Versuch glückte. St. Pauli fror die knappe Führung ein, wenn auch mit kämpferischen, rustikalen Mitteln. Die zuletzt so furios aufspielende Mannschaft von Trainer Marco Kurz erkaltete zusehends, suchte immer wieder einfallslos ihre einzige Sturmspitze Lakic, fand sie aber nicht. "In dieser Phase haben wir auch Glück gehabt, dass dem Gegner der letzte finale Pass nicht geglückt ist", gab Trainer Holger Stanislawski ehrlich zu und lobte: "Die Mannschaft hat sich richtig reingeknallt."

St. Pauli hielt dem großen Druck, gewinnen zu müssen, stand, spielte erstmals seit dem 1. Oktober (1:0 in Hannover) wieder zu null und beendete die schwarze Serie ohne Sieg, holte im 25. Spiel zudem den dritten Erfolg gegen Kaiserslautern, muss aber dringend weiter an der Zielstrebigkeit vor dem gegnerischen Tor arbeiten, um bis zur Winterpause noch weitere Zähler einzusammeln. Die Gegner heißen FC Bayern München und FSV Mainz 05. Die Fans sangen schon im Taumel der Glücksgefühle: "Zieht den Bayern die Lederhosen aus."