Beim FC St. Pauli stimmen die Ergebnisse nicht. Trainer Stanislawski will nach dem sechsten Spiel ohne Sieg alle Positionen überdenken.
Hamburg. Beim FC St. Pauli wackelten am Montagvormittag die Wände. Während Trainer Holger Stanislawski mit seinen Spielern die Geschehnisse rund um das 0:3 vom Vortag in Bremen aufarbeitete, traktierte vor dem Funktionsgebäude auf der Trainingsanlage an der Kollaustraße eine Planierraupe das Geläuf, das bis zum Januar zu einem neuen Kunstrasenplatz werden soll. Die Maschine war dabei so laut, dass nicht zu vernehmen war, ob Stanislawski angesichts seines Frusts über das sechste Spiel in Folge ohne Sieg auch von innen die Wände wackeln ließ. Dem Trainer kam dies gelegen, sollte doch von Art und Inhalt der Ansprache nichts nach außen dringen.
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"Wir brauchen nicht viel reden, sondern müssen einfach arbeiten", sagte der sichtlich angefressene Coach. Fürs Erste bedeutete dies für die Spieler, die in Bremen zum Einsatz gekommen waren, regeneratives Joggen. Alle anderen absolvierten einen Kraftzirkel und Laufeinheiten auf dem Platz. Einzelne Szenen des Spiels, wie sie sich ihr Trainer noch einmal auf Video zu Gemüte geführt hatte, blieben den Profis gestern erspart. Stanislawski will sich nicht mehr mit Einzelheiten aufhalten, er will "das große Ganze" sehen.
Konkret bedeutet dies, die zwei Problemfelder St. Paulis in den zurückliegenden Spielen zu bearbeiten: zu viele spielentscheidende Fehler in der Verteidigung und zu wenig erfolgversprechende Abschlüsse in der Offensive. "Solche Fehler wie in Bremen sind tödlich. So viele eigene Tore kannst du am Ende gar nicht schießen, wenn wir denn überhaupt welche schießen würden", beschrieb Stanislawski St. Paulis Dilemma. "Wir spielen gut, haben aber die falschen Ergebnisse. Daran kann man sich gewöhnen, und das ist gefährlich. Nicht konsequent nach hinten und nach vorn zu spielen, kann schöner Fußball sein, sorgt meistens aber für ein böses Erwachen."
Auch gegen Bremen waren die Braun-Weißen keineswegs die schlechtere Mannschaft gewesen. Eine Tatsache, die wie zuletzt schon gegen Stuttgart, Frankfurt oder Wolfsburg nichts daran änderte, dass die Punkteausbeute fehlt. Nach dem überraschend guten Start in die Saison hängt St. Pauli nun mit 14 Zählern auf Tabellenplatz 14 fest. Der Aufsteiger ist damit noch im Soll, es war schließlich nicht zu erwarten, dass der Kiezklub durch die Eliteklasse stürmt. Allerdings haben potenzielle Konkurrenten im Abstiegskampf wie Hannover (25) oder Freiburg (21) sich mittlerweile ein Punktepolster zugelegt, während sich rund um die Hamburger auf lange Sicht stärker einzuschätzende Klubs wie Wolfsburg, Schalke oder Stuttgart tummeln. Ein Sieg gegen einen direkten Konkurrenten wie Kaiserslautern muss dringend her. Anders als gegen Leverkusen oder Wolfsburg sollte St. Pauli nämlich in Spielen gegen ähnlich starke Gegner punkten, sonst könnte gut auch am Saisonende letztlich nicht gut genug sein.
Stanislawski hat in den vergangenen Wochen im Training vieles versucht, zumindest die zählbaren Ergebnisse blieben dennoch aus. Machtlos fühlt er sich nicht, der Trainer, der das Wort "unantastbar" zwar nicht mag, trotz der aktuellen Negativserie aber wegen seines hohen Ansehens in Ruhe weiterarbeiten kann. "Wenn ich mich machtlos fühlen würde, würden wir hier ein anderes Pressegespräch haben", erklärte Stanislawski, der für das Spiel gegen Kaiserslautern nicht nur nach einem Ersatzmann für den nach seiner Roten Karte aus dem Bremen-Spiel für drei Partien gesperrten Markus Thorandt sucht. "Wir werden bis Freitag alle Positionen überdenken", kündigte Stanislawski an.
Dass auch kein Spieler unantastbar ist, zeigte in Bremen die Auswechslung von Interimskapitän Marius Ebbers. "Wir waren einfach der Auffassung, dass wir etwas anderes probieren sollten, um da vielleicht doch noch ein Tor zu schießen", erklärte Stanislawski, ohne direkte Kritik am Torjäger zu üben, der bislang wie die Verteidiger Thorandt und Bastian Oczipka sowie Mittelfeldmotor Matthias Lehmann alle Partien von Beginn an absolvierte. Wer die Tore schieße, sei ihm letztlich egal, sagte der Coach. "Aber es wäre natürlich schon schön, wenn die Zentraloffensiven treffen könnten oder würden."
Laut "Kicker" hat St. Pauli allerdings nicht nur die schlechteste Chancenverwertung, sondern sich auch ligaweit die zweitwenigsten Möglichkeiten herausgespielt. Seine Profis wählen nach Meinung von Stanislawski einfach zu häufig die falsche Lösung, schieben die Verantwortung auf Mitspieler ab. "Wir haben in den verbleibenden drei Spielen die Möglichkeit, zuletzt Abhandengekommenes besser zu machen", sagte Stanislawski. Die Winterpause werde man dann auch dazu nutzen, um sich ein wenig zu sammeln. Doch so weit will der Coach eigentlich noch nicht denken. Nur eines steht für den Jahreswechsel bereits fest: Neuzugänge soll es nicht geben.