Hamburg. Der HSV-Trainer holt seit seiner Verpflichtung im Schnitt nur 1,38 Punkte pro Spiel. Coaching-Entscheidungen sorgten für Stirnrunzeln.

Am Sonntag lag eine bedrückende Stille über dem Volkspark. Anders als üblich hatte HSV-Trainer Steffen Baumgart kein Spielersatztraining angeordnet, stattdessen bewegten sich die Spieler nach der 0:1-Heimpleite gegen Holstein Kiel nur ein wenig individuell beim Auslaufen, Radfahren oder im Kraftraum. Frustbewältigung bei nun sechs Punkten und 16 Toren Rückstand auf den Relegationsplatz, von dem Fortuna Düsseldorf in den restlichen vier Spielen wohl nicht mehr zu verdrängen sein wird.

Am Vorabend hatte Baumgart noch von einer „überragenden Leistung“ und einem „guten Ergebnis“, gesprochen – allerdings vor dem Anpfiff. Eine überragende Leistung und ein gutes Ergebnis, wie es der gebürtige Rostocker gefordert hatte, brachte im Anschluss aber dummerweise nur Holstein Kiel zustande. Die Hamburger können hingegen für ein siebtes Zweitligajahr planen.

HSV News: Baumgart kritisierte Schiedsrichter und Chancenverwertung

„Wir sind alle Realisten“, sagte Baumgart zu den nur noch theoretischen Aufstiegschancen. Abgesehen von der strittigen Schiedsrichterentscheidung beim Gegentor („Das war ein klares Foul“) und der schwachen Chancenverwertung („Wir schießen zu viele Dinger nicht auf das Tor, sondern eher daneben“) war von Selbstkritik bei Baumgart nicht viel zu hören. Doch auch die Entscheidungen des Trainers trugen zur Niederlage bei.

Auf der rechten Seite hatte Baumgart neben Rechtsverteidiger Ignace Van der Brempt, der nach seinem Muskelfaserriss im Oberschenkel erstmals wieder in der Startelf stand, zur Verwunderung vieler Beobachter auch Levin Öztunali aufgeboten. Der 28 Jahre alte Offensivspieler, der seit seiner Verpflichtung im vergangenen Sommer wie ein Fremdkörper wirkt, hatte überraschend den Vorzug vor Bakery Jatta erhalten.

Baumgart sorgte mit Öztunali-Entscheidung für Stirnrunzeln

„Bei Jatta habe ich in letzter Zeit nicht das Durchsetzungsvermögen gesehen, das er eigentlich hat. Da müssen wir ran“, sagte Baumgart nach dem Spiel. „Wir haben Igni (Ignace Van der Brempt, d. Red.) weiter nach vorne geschoben und Levin dadurch mehr ins Halbfeld. Aus meiner Sicht hat Igni das gut gemacht.“ Was Baumgart nicht sagte: Öztunali machte es hingegen wieder einmal nicht gut – was bei seiner Zweitliga-Saisonbilanz von null Toren und null Assists in 18 Einsätzen auch nicht wirklich überraschte.

Etwas besser nachzuvollziehen war die erneute Startelfnominierung von Ransford Königsdörffer auf der linken Offensivseite. Jean-Luc Dompé, der am vergangenen Wochenende beim 2:2 in Magdeburg nach seiner Einwechslung überzeugt hatte, musste erneut auf der Bank Platz nehmen. „Bei Dompé ist es so, dass er noch Aufholbedarf hat und Ransi es bisher sehr gut gemacht hat“, erklärte Baumgart seine Entscheidung. Eine Variante mit Königsdörffer auf dem rechten und Dompé auf dem linken Flügel erachtete der Coach offenbar als nicht sinnvoll.

Viele lange Bälle statt geordneter Spielaufbau

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es Dompé mit dem ideenlosen Hamburger Spielaufbau vor allem in der ersten Halbzeit schwer gehabt hätte. Der dribbelstarke und schnelle Franzose bekommt den Ball gerne flach in den Fuß gespielt, um sich dann gegen die gegnerischen Verteidiger im Eins-gegen-eins zu versuchen. Durch das aggressive Kieler Pressing musste der HSV am Sonnabend aber viele lange Bälle schlagen, bei denen Dompé mit seinen nur 65 Kilogramm Körpergewicht wohl Probleme in den Laufduellen bekommen hätte.

Zur überschaubaren Spielkultur der Hamburger trug auch bei, dass Topscorer Laszlo Benes (13 Tore, elf Vorlagen) mit muskulären Problemen ausgefallen war. Der Slowake hatte sich bereits in der vergangenen Woche vor dem Magdeburg-Spiel bei einem Abschluss verletzt, bis zum Anschwitzen aber noch auf einen Einsatz gehofft. „Es trägt uns durch die Saison, dass die Jungs nie zu 100 Prozent da sind, sondern immer wieder durch Kleinigkeiten ausfallen“, klagte Baumgart.

Laszlo Benes fiel kurzfristig aus

Doch auch ohne Benes hätte es der HSV in der Schlussphase schaffen müssen, Holstein stärker unter Druck zu setzen. Insbesondere, nachdem Kiels Lewis Holtby mit Gelb-Rot vom Platz geflogen war und Baumgart in Dompé, Jatta, Masaya Okugawa, Andras Nemeth und Anssi Suhonen sämtliche zur Verfügung stehenden Offensivkräfte einwechselte. Gegen Kiels tiefstehende Fünfer- und die direkt davor postierte Viererkette ließ sich das HSV zu wenig einfallen, um zu klaren Torgelegenheiten zu kommen. Viele Abschlüsse waren Zufallsprodukte, die Holstein leidenschaftlich wegverteidigen konnte.

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Mit durchschnittlich 1,38 Punkten in acht Spielen unter Baumgart lässt sich festhalten, dass der Trainerwechsel dem HSV nicht geholfen hat. Zum Vergleich: Baumgart-Vorgänger Tim Walter hatte zwar auch den Aufstieg verpasst, aber zumindest durchschnittlich 1,82 Punkte pro Partie geholt.

In den verbleibenden vier Spielen, darunter das Stadtderby gegen den FC St. Pauli (3. Mai), geht es für den HSV auch darum, mit einer etwas positiveren Stimmung in die Sommerpause zu gehen. Gleichzeitig gibt es schon früh Planungssicherheit, in welcher Liga die Hamburger auch in der neuen Spielzeit antreten müssen.