Hamburg. Vor dem Duell seiner Ex-Clubs Hamburg und Kiel hält der Trainer weiter Abstand zum HSV. Warum Walter beim FC Bayern im Gespräch war.

Tim Walter hat in den vergangenen Wochen viel Fußball geguckt. Wenn an diesem Sonnabend seine Ex-Clubs HSV und Holstein Kiel um 20.30 Uhr (Sky/Sport1 und Liveticker auf abendblatt.de) im ausverkauften Volksparkstadion aufeinandertreffen, will Walter aber noch nicht wieder zuschauen. Zwei Monate nach seiner Freistellung beim HSV ist der 48-Jährige noch auf emotionalem Abstand. Ganz ohne Informationen geht es aber nicht. Die Berichterstattung über die HSV-Spiele übernimmt für ihn sein Freund und HSV-Fan Christian Winkler. „Tim leidet noch mit“, sagte der 52-Jährige am Freitag im Abendblatt-Gespräch.

Winkler ist nicht nur Manager des mehrfachen deutschen Eishockey-Meisters EHC Red Bull München, sondern auch der Neffe des 2014 verstorbenen HSV-Idols Hermann Rieger. Winkler kennt Tim Walter so gut wie kaum ein anderer. Seit Walters HSV-Aus haben sich die beiden mehrfach in München gesehen. „Die Entlassung hat Tim hart getroffen. Er hat den HSV gelebt. Für ihn war es mehr als nur ein Job.“

Dieser Job endete am 12. Februar nach einer 3:4-Niederlage gegen Hannover 96. Es war die zweite 3:4-Heimpleite innerhalb von zwei Wochen. Zu viel der Gegentore, nachdem die sportliche Leitung um Vorstand Jonas Boldt und Sportdirektor Claus Costa in der Winterpause eine stabilere Defensive vom Trainerteam eingefordert hatte. „Wir haben die Gefahr gesehen, dass es ein Stück aus dem Ruder läuft“, sagte Boldt in seiner Begründung, nachdem er zweieinhalb Jahre felsenfest hinter Walter gestanden hatte.

Walter nervte seine Spieler mit neuen Reizen

Was Boldt damit gemeint hat, wurde nicht ganz klar. Wie das Abendblatt mittlerweile erfuhr, hatte der Trainer allerdings in den ersten Wochen nach der Winterpause den Unmut einiger Spieler auf sich gezogen. Insbesondere nach dem überzeugenden 2:0-Sieg zum Auftakt der Rückrunde beim FC Schalke 04 wollte Walter Reize setzen, um seine Spieler aus der Komfortzone zu holen. Bereits im Wintertrainingslager hatte er seine Spieler mit Einheiten frühmorgens und spätabends überrascht. Vor dem Karlsruhe-Spiel legte er dann den Treffpunkt am Spieltag gegen den Willen der Profis auf 7.30 Uhr morgens. Im Spiel stand es dann bereits nach fünf Minuten 0:2.

Auch in der Kommunikation mit seinen Spielern soll Walter in dieser Phase dünnhäutiger geworden sein. „Tim stand brutal unter Druck“, sagt Christian Winkler, der seinen Freund schon nach dem letzten Vorrundenspiel in Nürnberg (2:0) kurz vor Weihnachten getroffen hatte. Es waren die Tage nach der großen Hinrundenanalyse, nach der sich Boldt trotz des Drucks aus dem Aufsichtsrat für eine Fortsetzung mit Walter entschied. Der Trainer hatte die öffentlichen Diskussionen um mögliche Nachfolger natürlich mitbekommen. Boldt hatte erstmals öffentlich Zweifel an Walters Zukunft geäußert und klare Forderungen formuliert.

Walter, der seiner Mannschaft zweieinhalb Jahre lang seine Spielidee eingeimpft hatte, tat sich jedoch schwer, Anpassungen hin zu einer defensiv stabileren Spielweise vorzunehmen. Und wie sich nach der Übernahme von Steffen Baumgart zeigte, hatten die HSV-Profis dann auch Probleme mit der Umstellung auf einen anderen Ansatz, wenngleich sich die offensive Spielart unter Baumgart nicht elementar von Walters Idee unterscheidet.

FC Bayern München dachte über Tim Walter nach

Dass der frühere Nachwuchscoach des FC Bayern München in der Spielweise mit dem Ball zu den auffälligsten Trainern im europäischen Fußball gehört, hatte sich nicht nur in der Zweiten Liga herumgesprochen. Nach Abendblatt-Informationen hatte sich der FC Bayern München sogar kurzzeitig neben Hermann Gerland mit dem Namen Tim Walter beschäftigt, als eine sofortige Trennung von Thomas Tuchel im Raum stand und über eine Interimslösung bis Saisonende nachgedacht wurde. Walter hatte zwischen 2015 und 2018 die U19 und die U21 des Rekordmeisters betreut, ehe er zu Holstein Kiel in die Zweite Liga wechselte und gleich zum Saisonstart im Volksparkstadion den HSV mit 3:0 besiegte.

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Mehr als ein Gedankenspiel wurde es bei den Bayern aber nicht. Stattdessen nutzte Walter die Zeit, um sich viele Fußballspiele anzuschauen. Am Mittwochabend saß er zum wiederholten Male in der Allianz-Arena auf der Tribüne, als die Bayern gegen den FC Arsenal in das Halbfinale der Champions League einzogen. Zuvor wurde er bei Chelsea London und bei Inter Mailand an der Seite von Hakan Calhanoglu auf der Tribüne gesichtet. Den Inter-Star hatte Walter einst von Waldhof Mannheim in die Jugend des Karlsruher SC geholt.

Boldt und Walter verstehen sich weiterhin gut

Auch in der Eishockey-Arena von Red Bull München war Walter in den vergangenen Wochen mehrfach zu Besuch. Dort kam es vor drei Wochen bei einem Play-off-Spiel zum ersten Wiedersehen mit Jonas Boldt. Auch EHC-Manager Winkler war dabei. „Zwischen den beiden ist nichts hängen geblieben“, sagt Winkler, der auch zu Boldt einen guten Draht hat. Er ist sich sicher, dass Walter spätestens zur neuen Saison wieder arbeiten wird. Ende Juni endet Walters Vertrag beim HSV. „Tim brennt wieder“, sagt Winkler.

Öffentlich äußern will sich Walter über seinen Ex-Club derzeit nicht. Neue Pläne hat er bereits. Das Ausland würde ihn grundsätzlich reizen. Findet Walter einen neuen Verein, nimmt er auch seinen Assistenten aus der HSV-Zeit, Julian Hübner, mit. Der 40-Jährige tourt gerade mit seiner Familie im Campingwagen durch Europa.

Am Sonnabend wird Hübner aber sicher auf dem Handy dabei sein, wenn der HSV gegen Kiel spielt. Vor ziemlich genau einem Jahr stand er als Vertreter des rotgesperrten Walter an der Seitenlinie, als die Hamburger im Heimspiel gegen Holstein trotz bester Chancen nicht über ein 0:0 hinauskamen und zwei wichtige Punkte verloren, die am Ende zum Aufstieg fehlten.

Walters Nachfolger Baumgart startet am Sonnabend seinen ersten Versuch mit dem HSV, um Kiel die erste Niederlage überhaupt im Volksparkstadion zuzufügen. Christian Winkler wird vielleicht sogar live im Stadion dabei sein – und würde Walter dann so schnell wie möglich berichten, wenn der HSV im Falle eines Heimsiegs doch noch einmal in das Rennen um den direkten Aufstieg eingreift.