Hamburg. Ex-Kapitän Aaron Hunt über das Kiel-Spiel, den Fall Fiete Arp, den Holtby-Eklat und den Baumgart-Ball.
Am Sonnabend um 20.30 Uhr hat Aaron Hunt einen festen Termin. Eigentlich würde der ehemalige HSV-Kapitän auf dem Sofa sitzen, um sich das Zweitliga-Topspiel seines Ex-Clubs HSV gegen Holstein Kiel (20.30 Uhr/Sky und Sport1) anzuschauen. Doch zur selben Zeit sitzt Hunt im Flugzeug auf dem Weg zurück aus München.
Am Nachmittag schaut er sich dort das U-15-Spiel zwischen 1860 München und der SpVgg Unterhaching an. Hunt hat ein junges Talent der Münchner Löwen im Auge für seine Berateragentur „Pros and Talents“, die er vor einem Jahr gegründet hat.
Ex-Kapitän: HSV muss jetzt jedes Spiel gewinnen
Seine Wochenenden verbringt der 37-Jährige mittlerweile bei allen möglichen Jugendspielen, um Nachwuchsspieler zu scouten. „Das macht mir im Moment auch mehr Spaß, als irgendwo ins Stadion zu gehen“, sagt Hunt am Donnerstag in der 201. Folge des Abendblatt-Podcasts HSV – wir müssen reden.
Nebenbei verfolgt er aber auch die Profispiele des HSV noch sehr genau. „Der Trend spricht gegen den HSV“, sagt Hunt vor der Crunchtime der Zweiten Liga, in der die Hamburger eine Siegesserie brauchen, um womöglich noch einmal die direkten Aufstiegsränge anzugreifen oder zumindest Fortuna Düsseldorf von Platz drei zu verdrängen.
„Der HSV muss jetzt jedes Spiel gewinnen. Wenn sie Kiel schlagen, kann alles noch mal offener werden“, sagt Hunt, der in 17 Jahren Profifußball bei Werder Bremen, dem VfL Wolfsburg und dem HSV viel erlebt hat und weiß, dass der Tabellenführer jetzt plötzlich etwas zu verlieren hat. „Kiel macht es überragend. Aber trotzdem bin ich der Meinung, dass die noch nicht durch sind. Wenn man die individuelle Qualität nimmt, sind sie für mich nicht unter den top drei.“
HSV trifft auf Angstgegner Kiel
Gegen die Störche, die zuletzt fünf Spiele in Serie ohne Gegentor gewonnen haben, hat der HSV in seiner Zweitligageschichte noch nie im Volkspark gewonnen. Eine Niederlage und zuletzt vier Unentschieden gab es in den vergangenen fünf Zweitligajahren gegen Kiel.
Dreimal war auch Hunt dabei. Insbesondere das erste Heimspiel der ersten Zweitligasaison 2018 ist noch vielen in Erinnerung. Der HSV verlor mit Trainer Christian Titz zu Hause gegen Tim Walters Kieler mit 0:3. Hunt saß verletzt auf der Tribüne und sah mit an, wie der HSV einen heftigen Fehlstart in die Zweite Liga hinlegte.
Vertreter von Kapitän Hunt war damals Lewis Holtby, der jetzt als Führungsspieler einer der Hauptgründe für den Höhenflug der Störche ist. Nach seinem unglücklichen Abschied vom HSV wird Holtby im Volkspark besonders motiviert sein.
Hunt versuchte bei HSV-Aus von Holtby zu vermitteln
Zur Erinnerung: Vor dem 31. Spieltag hatte Holtby im April 2019 zunächst die Abreise zum Spiel beim Aufstiegskonkurrenten Union Berlin verweigert, weil er nicht von Anfang an spielen sollte. Der damalige HSV-Trainer Hannes Wolf entschied noch auf dem Platz, dass Holtby suspendiert werde. Hunt versuchte als Kapitän erfolglos zu vermitteln.
„Lewis hat sich natürlich keinen Gefallen getan. Direkt nach dem Training und in der Kabine hatte er das aber schon wieder bereut. Und wer Lewis kennt, der weiß, dass er sehr emotional ist. Da ist ihm einfach kurz die Sicherung durchgebrannt“, berichtet Hunt. „Es ist alles sehr unglücklich gelaufen, weil wir Lewis damals gebraucht hätten.“
Hunt: HSV hätte Arp schützen müssen
Neben Holtby kehrt auch Fiete Arp am Sonnabend in den Volkspark zurück. Hunt war 2017 dabei, als der damals 17 Jahre junge Arp bei den Profis debütierte und in den ersten zwei Spielen gleich zwei Tore schoss. Es kam zu einem Hype, mit dem das HSV-Talent nicht umgehen konnte. „Der HSV hätte ihn mehr schützen müssen“, sagt Hunt im Rückblick.
Am Ende der Saison stiegen Hunt, Arp und der HSV erstmals in die Zweite Liga ab. „In der Phase war es ungerecht für ihn. Es herrschte extrem viel Druck“, sagt Hunt. „Jeder hat gesagt, das ist unser neuer Heilsbringer, der die Liga kaputt schießt. Wir als Mannschaft wussten, dass das nicht passieren wird. Die Qualität konnte man erkennen, aber es war noch viel Jugendfußball. Die Unbekümmertheit ist Fiete schnell abhandengekommen.“
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Hunt hätte Arp zu HSV-Verbleib geraten
Ein Jahr später wechselte Arp für eine Ablöse von 3 Millionen Euro zum FC Bayern München. Wäre Hunt damals sein Berater gewesen, hätte er ihm von diesem Schritt abgeraten. „Ich hätte versucht, ihn zu überzeugen, dass er noch ein oder zwei Jahre wartet. Aber wenn du einmal die Chance hast, zu Bayern München zu gehen, überlegst du dreimal, ob du denen absagst.“
Mittlerweile sieht Hunt den heute 24-jährigen Arp wieder auf dem richtigen Weg. „So wie ich Fiete beobachte, findet er zu alter Stärke zurück. Er macht mental einen richtig guten Eindruck. Es sieht jetzt nach Herrenfußball aus.“
HSV: Hunt von Baumgart-Ball enttäuscht
Der Fußball, den der HSV unter Steffen Baumgart spielt, gefällt Hunt dagegen noch nicht. „Ich muss ehrlich sagen, dass ich mir mehr erhofft habe, gerade was die Heimspiele angeht. Ich hatte erwartet, dass das ein Feuerwerk wird mit Pressing ohne Pause. Aber irgendwie war die Herangehensweise enttäuschend. Wahrscheinlich hängt den Spielern der Fußball von Tim Walter, der natürlich ein bisschen speziell ist, noch etwas nach.“
Baumgart sei mit seiner Energie aber auch die Hoffnung, dass der HSV in der Endphase noch die nötige Serie starten kann. Der Trainer bringe die Mentalität mit, die vielen Spielern in den vergangenen sechs Jahren gefehlt habe. „Der HSV hatte immer einen der besten Kader. Aber zur Qualität gehört auch der Kopf, und ich glaube, da hatte der Verein vielleicht nicht immer die besten Spieler.“