Hamburg. HSV-Talent und U-17-Weltmeister Bilal Yalcinkaya wird am Hamburger Flughafen überrascht. Beim HSV verfolgt er konkrete Ziele.

Die Überraschung war groß, als Bilal Yalcinkaya am Montag mit einer zweistündigen Verspätung um 16.11 Uhr in die Empfangshalle des Hamburger Flughafens stapfte. Fast schon gedankenverloren und etwas kraftlos nach einer mehr als 20-stündigen Reise über Jakarta, Doha und Frankfurt zog der deutsche U-17-Weltmeister vom HSV seinen Koffer hinter sich her, als er plötzlich aus dem Grinsen nicht mehr herauskam.

„So sehen Sieger aus, schalalalala!“, sang ein spontan zusammengestellter Chor aus rund 30 Personen – bestehend aus sieben mit Jubel-Plakaten ausgestatteten Cousins und Cousinen, Bruder Nazif (23), Schwester Sema (13), zahlreichen Schulfreunden, neun Personen vom HSV um U-19-Trainer Thomas Johrden sowie den prominenten Co-Trainer Rodolfo Cardoso und natürlich seinen Eltern.

HSV-Talent Yalcinkaya: Familie dekoriert Haus

Mutter Emine konnte allerdings nur wenige Sekunden mitsingen, dann wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt. Gerade noch rechtzeitig stimmte sie einen frischen „Bilal! Bilal!“-Sprechchor an, ehe die Freudentränen nur so aus ihr herauskullerten und es ihr die Sprache verschlug. Kurz zuvor, als Yalcinkaya noch am Gepäckband auf seinen Koffer wartete, hatte sie genau diesen Moment prognostiziert. „Wir haben ihn extrem vermisst und das ganze Haus mit Plakaten und Zeitungsberichten dekoriert“, sagte Emine dem Abendblatt, während sie auf ihren Sohn wartete.

Dieser war erst vor drei Wochen für die U-17-WM in Indonesien nachnominiert worden, bei der er zwei Tore erzielte und sogar in der Startelf des Finales gegen Frankreich (4:3 i.E.) stand, als er den Elfmeter zur deutschen Führung herausholte. „Ich habe immer daran geglaubt, meine Chance zu bekommen, weil ich von meinen Qualitäten überzeugt bin“, sagt der sonst so schüchterne Yalcinkaya selbstbewusst, nachdem er vom HSV ein riesiges Weltmeister-Plakat überreicht bekam.

Yalcinkayas schwerer Schicksalsschlag

Bevor er seinen Titel auf einer Poolparty feierte („Was in Indonesien passiert ist, bleibt in Indonesien.“) und sich anschließend ohne Schlaf auf die Rückreise nach Hamburg begab, führte Yalcinkaya 30 Minuten nach dem Endspiel ein Videotelefonat mit seinen Eltern. „Als ich sah, wie Bilal seine Medaille in den Mund nahm und zubiss, kamen mir sofort die Tränen“, sagt seine nah am Wasser gebaute Mutter Emine in all ihrer authentischen Herzlichkeit. „Ich bin so stolz auf diesen Weltmeistertitel, weil er für Deutschland ist. Ich bin dem Land und dem HSV sehr dankbar.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Rückblick: Als 15 Monate altes Kleinkind zog Yalcinkaya beim Spielen am Kabel einer Fritteuse, woraufhin das heiße Fett ein Fünftel seiner Haut verbrannte. Zweimal war er 2007 operiert worden, auch das Abendblatt und die Kirche sammelten damals Spenden, weil die Krankenversicherung nur einen Bruchteil der Kosten übernahm. Auch deshalb wird die aus der Türkei stammende Familie Deutschland immer eng verbunden bleiben, wie sie glaubwürdig in gefühlt jedem zweiten Satz betonen.

Yalcinkaya will unverzichtbar für HSV werden

Yalcinkaya ist sich dessen bewusst, wie unwahrscheinlich in dieser Zeit eine Karriere als Fußballer schien. Beobachter sagen, das Offensivtalent habe aus dieser Erfahrung einen starken Charakter und eine große Mentalität entwickelt.

Diese Eigenschaft sowie sein Spielwitz sollen ihm nun dazu verhelfen, sich in der Mannschaft von Trainer Tim Walter zu etablieren, der ihn bislang einmal in Kiel (2:4) für den Kader nominiert hatte. „Ich will mich bei den Profis durchsetzen und unverzichtbar für den HSV werden“, sagt Yalcinkaya, der während des Turniers im regelmäßigen Austausch mit Walter stand. „Das Trainerteam hat mir Bilder geschickt, wie sie mein Spiel supportet und gejubelt haben“, sagt der Kreativspieler glücklich.

Auch wegen dieser engen Verbindung ist er sich mit den Hamburgern grundsätzlich über eine Verlängerung seines auslaufenden Vertrags einig.

Hamburgs zweiter Weltmeister wechselt

Etwas anders verhält es sich bei Hamburgs zweiten U-17-Weltmeister, St. Paulis Eric da Silva Moreira, der trotz des Erfolgs nicht mit den Profis trainieren darf. Nachdem der Kiezclub im Sommer ein Angebot von Bundesligist Union Berlin in Höhe von einer Million Euro abgelehnt hatte, scheint das Tischtuch zwischen Berater und Verein endgültig zerschnitten.

Anders als Yalcinkaya wird da Silva Moreira seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängern und stattdessen Hamburg verlassen, wie St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler durchblicken ließ. „Unsere Tür ist offen, aber es gehören beide Seiten dazu“, sagte er am Montag mit gesenkter Stimme.

HSV-Talent Yalcinkaya: einfach nur stolz

Der Kontakt mit Yalcinkaya soll aber aufrechterhalten bleiben. „Eric ist wie ein Bruder für mich, wir kennen uns seit wir in die Hose scheißen“, sagt das HSV-Talent über den Außenverteidiger, den er seit der gemeinsamen Zeit in der U8 von St. Pauli kennt. Aus Indonesien zurückgereist sind die beiden dennoch getrennt voneinander. Der emotionale Empfang gebührte dadurch allein Yalcinkaya.

„Ich werde diesen Moment nie vergessen, er wird für immer einmalig bleiben“, sagte der 17-Jährige mit leuchtenden Augen, ehe er sich endlich ausschlafen durfte. Denn schon am Dienstagvormittag wird er beim HSV erwartet. Zum Profitraining.