Hamburg. Wo steht der HSV nach dem 3:0-Sieg gegen ein harmloses Hertha? Benes und Glatzel untermauern die Aufstiegsambitionen.

Am Sonntag ging ein Screenshot durch die sozialen Netzwerke, der von vielen HSV-Fans geteilt wurde. Es war ein Abbild von der Statistik der Torschützen- und Scorerliste nach dem dritten Spieltag der Zweiten Liga. Sowohl im einen als auch im anderen Ranking ganz vorne: Robert Glatzel und Laszlo Benes.

Die beiden HSV-Profis, die ihre Mannschaft am späten Sonnabend zu einem nie gefährdeten 3:0 (2:0)-Sieg gegen Hertha BSC führten, haben jeweils schon vier Saisontore erzielt. Doch damit nicht genug. Mit sechs (Benes) und sieben (Glatzel) Scorerpunkten (Tore plus Vorlagen) liegen die beiden Offensivspieler auch in der Wertung ganz vorne.

HSV sorgt für überraschende Bestwerte

Dass diese Zahlen außergewöhnlich sind, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Eintracht Frankfurts Alexander Meier war in der Saison 2011/2012 der bislang letzte Spieler, der nach dem dritten Spieltag bereits sechs Scorerpunkte in der Statistik für sich stehen hatte. Mehr als zehn Jahre ist das schon her.

Mit Benes und Glatzel haben das nun gleich zwei Spieler eines Clubs geschafft. Beide trafen zudem noch in der ersten Runde des DFB-Pokals eine Woche zuvor in Essen. Glatzel und Benes – sie sind aktuell die Garanten des erfolgreichen Hamburger Saisonstarts. Drei Spiele, sieben Punkte, zehn Tore, Tabellenführer. Damit war angesichts des Auftaktprogramms mit den beiden Absteigern Schalke und Hertha sowie dem hoch gehandelten Karlsruher SC nicht unbedingt zu rechnen.

Hertha-Trainer Pal Dardai, der mit seinem Club nach drei sieg- und torlosen Spielen in einer schweren Krise steckt, war angetan von dem, was er vor 57.000 Zuschauern im zum zehnten Mal in Folge ausverkauften Volksparkstadion vom HSV sah. „Hier siehst du Spielkultur. Das war Bundesliganiveau“, sagte Dardai und wählte vernichtende Worte für seine Hertha. „Es war ein Klassenunterschied.“

HSV-Überflieger Benes erklärt seine Form

Den Unterschied machen beim HSV vor allem Benes und Glatzel. Während Torjäger Glatzel weiterhin auf konstant hohem Niveau performt, wird Mittelfeldantreiber Benes von Woche zu Woche stärker. Gegen Hertha war der Slowake an nahezu allen Offensivaktionen beteiligt. Bezeichnend für seine Form war die Entstehung des 2:0, als er zunächst energisch den Ball zurückeroberte, einen Handelfmeter provozierte und diesen am Ende selbst verwandelte. Benes hat das Vertrauen und bekommt das Vertrauen.

„Ich spüre, dass der Trainer mir in dieser Saison noch mehr vertraut“, sagte Benes, der auch vor dieser Saison durch den Verbleib von Ludovit Reis und die Verpflichtung von Immanuel Pherai gar nicht als gesetzt galt.

„In der vergangenen Saison war ich ein paar Mal unzufrieden, als ich früh ausgewechselt wurde oder nicht von Anfang an spielte. Mit meinen Leistungen habe ich untermauert, Stammspieler zu sein“, sagte Benes, der in der aktuellen Form nicht wegzudenken ist. „Ich hatte in der Vergangenheit nicht das Vertrauen bekommen, was ich verdient gehabt hätte. Beim HSV war es von Anfang an das Gegenteil“, sagte Benes nach seiner Gala.

Pherai bangt wegen Benes um Stammplatz

Während Reis vier Wochen nach seiner Schulterverletzung gegen Hertha zurückkehrte und nun an der Seite von Benes vorerst gesetzt ist, muss Pherai um seinen Stammplatz bangen, wenn er nach seiner Adduktorenzerrung in der kommenden Woche wieder einsatzfähig ist.

Doch genau das ist der Konkurrenzkampf, den sich der HSV erhofft hat. „Wir haben eine hohe Leistungsdichte im Kader. Wenn mal ein, zwei Spieler ausfallen, springen andere in die Bresche“, sagte Sportdirektor Claus Costa am Tag nach dem Sieg.

Lediglich im defensiven Mittelfeld sucht der HSV elf Tage vor dem Ende der Transferperiode noch nach einem Herausforderer für Jonas Meffert. „Es ist kein Geheimnis, dass wir uns auf dieser Position verstärkt umsehen. Wir werden sehen, ob sich noch ein Transfer realisieren lässt“, sagte Costa. Links hinten sieht er den HSV mit William Mikelbrencis und Nicolas Oliveira Kisilowski sowie Moritz Heyer als Alternativen für Miro Muheim dagegen ausreichend aufgestellt. „Wir sind schon sehr weit in der Kaderplanung, weil wir frühzeitig unsere Transfers abgewickelt haben“, sagte Costa.

HSV-Veränderung sorgt für Zu-null-Spiel

Einen Entwicklungsschritt machte der HSV gegen die Hertha auch in der defensiven Stabilität. Erstmals in dieser Saison blieben die Hamburger ohne Gegentor. Auffällig war, dass die Innenverteidiger Guilherme Ramos und Dennis Hadzikadunic – anders als in den Spielen zuvor – zumeist ihre Position hielten und dadurch einen stabileren Eindruck hinterließen.

Aber auch in der Spielweise zeigte sich der HSV wieder etwas variabler. Das bestätigte auch Daniel Heuer Fernandes. „Wir haben uns dieses Jahr vorgenommen, nicht jedes Spiel 90 Minuten Pressing zu spielen. Die Mischung macht es“, sagte der Torhüter bei Sky. Wie schon gegen Schalke traf der HSV auch gegen Hertha nach einem schnellen Konter. „Wir haben extrem gute Umschaltspieler, diese Qualität muss uns diese Saison noch stärker machen“, so Heuer Fernandes.

Free hugs von Tim Walter: Der HSV-Trainer nimmt nach dem 3:0 gegen Hertha seine Jungs Bakery Jatta (l.) und Ludovit Reis in den Arm.
Free hugs von Tim Walter: Der HSV-Trainer nimmt nach dem 3:0 gegen Hertha seine Jungs Bakery Jatta (l.) und Ludovit Reis in den Arm. © WITTERS | ValeriaWitters

Im Angriff hat der HSV ohnehin genügend Potenzial, um die Spiele zu entscheiden. 27:11 Torschüsse waren es gegen Hertha, 32:13 gegen Schalke. Beeindruckende Werte, die die offensiven Möglichkeiten des HSV belegen.

HSV-Start glückt: Aber wo steht Hamburg?

Maßstab für die Aufstiegsambitionen des HSV sind in dieser Saison allerdings nicht die Heimspiele gegen Schalke oder Hertha, sondern Auswärtspartien wie in Karlsruhe, Magdeburg oder auf St. Pauli. Bei all diesen Vereinen, die in dieser Saison oben mitspielen dürften, holte der HSV in der vergangenen Saison null Punkte. Und dass ein guter Start in die Spielzeit nichts garantiert, hat der HSV nun auch schon mehrfach erlebt.

Im Vergleich zu Hertha hat sich der HSV aber bereits eine hervorragende Ausgangssituation erspielt. „Der 1. September ist für uns ein wichtiger Tag. Da wird noch einiges passieren“, sagte Dardai über den letzten Tag des Transferfensters.

Beim HSV wird es dagegen ruhiger zugehen. Auch Glatzel, der seinen Vertrag vor der Saison bis 2027 verlängerte, wird den HSV nicht mehr verlassen. „Da denke ich keine Sekunde dran“, sagte der 29-Jährige nach seinem Topstart in die Saison.

Viel lieber will er gemeinsam mit Benes seinen Platz an der Spitze der Statistiken bis zum Ende der Saison verteidigen und dann endlich den Aufstieg feiern.