Hamburg. Frauenfußball-Koordinatorin Schimpf und der im Juli zum Cheftrainer beförderte Bolz sind ein Paar. Was Ex-Trainer Timm kritisiert.
Anfang Juli bekam Lewe Timm eine Nachricht vom HSV. Der Cheftrainer des Frauen-Fußballteams, das zwei Wochen zuvor den Aufstieg in die 2. Bundesliga gefeiert hatte, solle bitte zu einem Gespräch vorbeikommen.
Die Planungen für die Vorbereitung auf die neue Saison, die an diesem Sonnabend (14 Uhr/Magenta Sport) mit dem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach beginnt, hatte der 47-Jährige bereits abgeschlossen, als ihn Kumar Tschana (Geschäftsführer des HSV e.V.), Horst Hrubesch (Nachwuchskoordinator und Frauenfußball-Chef) und Catharina Schimpf (Koordinatorin Frauen- und Mädchenfußball) am 7. Juli zum Gespräch empfingen.
HSV-Frauen: Aufstiegstrainer Timm wurde freigestellt
„Ich bin dort hingefahren in dem Glauben, dass wir über die Kadersituation und andere sportliche Pläne sprechen. Dann bin ich von der Entscheidung ein Stück weit überrumpelt worden“, sagt Timm nun rund einen Monat später dem Abendblatt.
Die HSV-Verantwortlichen teilten Timm mit, dass er sich trotz des Zweitligaaufstiegs und eines bis Sommer 2024 gültigen Vertrags einen neuen Job suchen könne. Timm wurde freigestellt. Eine Nachricht, die öffentlich für große Verwunderung sorgte. Neuer Cheftrainer wurde Timms Assistent, der 25 Jahre alte Marwin Bolz.
Schimpf begründete den Trainerwechsel
Die Begründung lieferte Schimpf: „Der Aufstieg in die 2. Bundesliga bedeutet für uns, dass wir unseren eingeschlagenen Weg nachhaltig und mit höchster Professionalität fortsetzen wollen“, teilte die Frauenmanagerin in der Erklärung mit. „Marwin passt perfekt zu unserer Philosophie, nicht nur auf, sondern auch neben dem Feld junge und talentierte Kräfte zu fördern und zu fordern. Er hat in den vergangenen Jahren eindrucksvoll bewiesen, über welche Fähigkeiten er verfügt. Wir sind davon überzeugt, dass wir unsere Ziele gemeinsam erreichen werden.“
Was zu diesem Zeitpunkt öffentlich nicht bekannt war: Schimpf (33), die die Entscheidung medial verkündete, und Bolz, der von dieser Entscheidung profitierte, sind privat miteinander liiert. Und das nicht erst seit dem überraschenden Trainerwechsel.
Beziehung wirft Fragen auf
Eine Verquickung, die Fragen aufwirft. Hat diese Beziehung etwas mit der Entscheidung zu tun, Timm zu entlassen und Bolz zum Cheftrainer zu befördern? Besteht ein möglicher Interessenkonflikt, wenn Schimpf als Managerin künftig Entscheidungen für oder gegen den Trainer Bolz treffen muss? Und vor allem: Wurden die Verantwortlichen um Hrubesch und Tschana vor der Entscheidung des Trainerwechsels über die private Beziehung informiert?
Mit diesen Fragen konfrontierte das Abendblatt am Mittwoch den HSV e.V.. Schimpf ist als Koordinatorin der Frauen zwar bei der HSV Fußball AG angestellt, die Frauenabteilung jedoch im HSV e.V. strukturell angesiedelt. Doch weder in der AG noch im e.V. sehen die Verantwortlichen in der Konstellation zwischen Managerin Schimpf und Trainer Bolz eine Problematik für den Verein und auch keinen Interessenkonflikt. „Catharina Schimpf ist nicht Vorgesetzte von Bolz und ihm gegenüber nicht weisungsbefugt“, teilte ein HSV-Sprecher mit.
Hrubesch traf die Entscheidung des Trainerwechsels
Schimpf ist für die Administration der Frauenmannschaft verantwortlich, sie kümmert sich um die Verträge mit den Spielerinnen und sitzt auch bei Trainerentscheidungen mit im Boot. Am Ende aber bestimmt Horst Hrubesch, wer bei den HSV-Frauen an der Seitenlinie steht. Und Hrubesch wusste schon lange von der Beziehung, wie auch der Verein bestätigt. „Kumar Tschana und Horst Hrubesch waren frühzeitig informiert. Die Entscheidung wurde von Tschana und Hrubesch getroffen“, schreibt der HSV in seiner Antwort. Hrubesch selbst wollte sich nicht offiziell äußern.
Innerhalb des Clubs ist die Geschichte mittlerweile ein großes Gesprächsthema. Einen Grund für eine Veränderung der Konstellation sehen die Verantwortlichen aber nicht. „Es herrschte frühzeitig Transparenz, daher besteht kein Handlungsbedarf“, teilt der e.V. mit.
Timm wurde von der Entscheidung überrascht
Vielmehr fühlen sich die Verantwortlichen in der Entscheidung bestätigt, Timm entlassen zu haben. Hrubesch soll dem Trainer bereits im Laufe der vergangenen Saison signalisiert haben, dass er mit dessen Arbeit nicht zufrieden sei. Timm wiederum will diese Signale nicht empfangen haben. „Ich hätte mir gewünscht, dass man früher mit mir geredet hätte, wenn Dinge nicht gepasst haben sollten“, sagt Timm sechs Wochen nach der Entlassung.
Endgültig klar gewesen sein soll die Entscheidung für Hrubesch, als Timm beim Regionalliga-Aufstiegsspiel der U-23-Frauen bei der SpVg Aurich nicht mit vor Ort war. Timm bekräftigt jedoch, dass er im mehr als ein Jahr zuvor geplanten Familienurlaub war und der HSV davon auch schon lange wusste. „Ich war immer für die zweite Mannschaft da“, sagt Timm.
Timm bezeichnet seine Entlassung als „absurd“
Als Hrubesch ihn über die Trennung informierte, sei dann lediglich von sportlichen Gründen die Rede gewesen. „Horst Hrubeschs letzter Satz war, dass Marwin Bolz zunächst einmal interimsweise meinen Job übernehmen sollte. Als ich Marwin danach angerufen habe, habe ich von ihm erfahren, dass er der neue Cheftrainer ist“, sagt Timm. „Wie die Trennung ablief, ist aus meiner Sicht nicht in Ordnung. Ich kann mir bis heute nicht erklären, was genau nicht gestimmt hat. Normalerweise wird ein Trainer gefeuert, wenn er keine Leistung bringt. Deshalb ist diese Trennung so absurd.“
Der geschasste Aufstiegstrainer hat seinen Vertrag mit dem HSV zum 31. Juli aufgelöst. Er steht kurz vor einer neuen Aufgabe im Hamburger Fußball. Seine Arbeit beim HSV setzt nun sein langjähriger Vertrauter Bolz fort.
Bolz und Timm pflegten enges Vertrauensverhältnis
Beide waren 2021 vom SC Nienstedten zu den HSV-Frauen gewechselt, pflegten ein enges Vertrauensverhältnis. Sie hatten sich vor rund zehn Jahren kennengelernt, Timm war Auswahltrainer beim Hamburger Fußball-Verband, Bolz Spieler der U 16.
„Lewe war eine absolute Schlüsselfigur dafür, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe“, sagte Bolz Anfang des Jahres in einem gemeinsamen Interview. „Er hat mal gesagt, dass sich unsere zwei Köpfe ein Gehirn teilen – ich meinte, dass mir zwei Gehirne schon lieber wären“, sagte Bolz und lachte. „Das zeigt aber ganz gut, wie es von Beginn an lief.“
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Nun hat Bolz ohne Timm die Chance, sich als junger Trainer auf einer großen Bühne zu zeigen. Am Sonnabend beginnt im Sportpark Eimsbüttel gegen Mönchengladbach das Abenteuer Zweite Liga. Nachdem Bolz in der vergangenen Saison parallel noch die U 17 trainiert hat, konzentriert er sich nun hauptsächlich auf die Aufgabe bei den Frauen. „Marwin ist ein großartiger Typ mit tollen Trainerqualitäten“, sagt Timm. „Dennoch ist er aufgrund seines jungen Alters noch ziemlich unerfahren. Aus meiner Sicht haben wir uns perfekt ergänzt.“
Für das Vorhaben, den Frauenfußball im HSV weiter zu stärken, wünscht Timm seinem Ex-Verein aber alles Gute. „Ich hoffe, dass die Mannschaft weiterhin Erfolg hat. Es geht darum, die Frauen weiter zu stärken und für eine andere Wahrnehmung des gesamten Frauenfußballs zu sorgen. Es ist schade, dass ich nicht weiter dabei sein kann.“