Hamburg. Wurden bei der Einlasskontrolle Grenzen überschritten? Ein Anwalt klärt auf. Der DFB und der Ordnungsdienst reagieren.

Auch am Tag nach dem Pokalerfolg des HSV bei Rot-Weiss Essen (4:3 n.V.) sorgen die Einlasskontrollen am Stadion für reichlich Wirbel in der Fanszene. Die Vorwürfe der HSV-Anhänger sind schwerwiegend. Gleich mehrere Betroffene beklagen, die Ordner und Ordnerinnen hätten teilweise unangekündigt den Männern kräftig in den Schritt und den Frauen in den BH gegriffen.

Der Drittligist, der den Ordnungsdienst Securitas beauftragt hat, rechtfertigt das Vorgehen mit dem Ziel, Pyrotechnik zu beschlagnahmen. Tatsächlich seien bei der Kontrolle „14 pyrotechnische Gegenstände, neun Sturmhauben sowie ein Paar Quarzhandschuhe“, die ähnlich wirken wie ein Schlagring, gefunden worden, teilte der Verein auf Anfrage mit.

HSV-Vorwürfe gegen Ordner: DFB reagiert

Die entscheidende Frage der umstrittenen Kontrolle lautet nun: War das Vorgehen der Ordner rechtens? Der Förderkreis Nordtribüne, der sich für die Interessen und Rechte der HSV-Fans einsetzt, meint Nein. RWE gibt dagegen an, die DFB-Sicherheitsaufsicht habe dem Ordnungsdienst vor Ort eine „gute Leistung“ bescheinigt.

Eine Einschätzung, die der Deutsche Fußball-Bund auf Anfrage bestätigte. „Der DFB-Sicherheitsbeobachter hat keine eklatanten Vorkommnisse gemeldet. Im Gegenteil: der Sicherheitsbeobachter spricht in seinem Bericht von einer insgesamt freundlichen Atmosphäre beim Einlass.“

„Es kam zu keinen gesetzeswidrigen Handlungen. Alles wurde so durchgeführt wie vorgesehen“, ergänzte Securitas-Sprecher Ulf Tiedemann. Das sehen die HSV-Fans allerdings anders.

Ordner greifen HSV-Fans in BH: Ist das rechtens?

Das Abendblatt hat sich bei Joachim Lauenburg, Hamburger Fachanwalt für Strafrecht, erkundigt, um die rechtliche Lage einzuordnen.

Zunächst einmal gelte bei den Kontrollen das Hausrecht des Vereins. Und dennoch gelten für private Sicherheitsdienste natürlich auch Regularien. Der Förderkreis hatte kritisiert, dass „Frauen von den Ordnerinnen aufgefordert wurden, ihre BHs zu öffnen, um besser darunter fassen zu können. Berichtet wurde uns auch von Fällen, in denen unangekündigt der BH angehoben wurde.“

Dazu erklärt Lauenburg: „Bei Einlasskontrollen am Stadion könnte das Lüften oder Reinfassen in den BH bereits eine strafbare Grenzüberschreitung sein.“ Entscheidend sei nun die Beweislage. „Die Frage ist, ob es Videos dieser mutmaßlichen Grenzüberschreitungen gibt“, sagt der Rechtsanwalt, der zudem die mangelhafte Kommunikation der Ordner kritisiert. „Es ist kritikwürdig, dass die Fans offenbar nicht vorab über diese Art der Einlasskontrolle informiert worden sind.“

HSV: Waren die Ordner für Kontrolle ausgebildet?

In den Fokus der Aufarbeitung gerät vor allem das Personal des nicht zum ersten Mal negativ auffallenden Ordnungsdienstes Securitas. „Zu überprüfen wäre die Ausbildung der Ordner, um festzustellen, ob sie überhaupt qualifiziert waren für die Einlasskontrolle“, sagt Lauenburg. „Je höher die Qualifikation, desto eher macht man sich strafbar bei einer Grenzüberschreitung, da die Person es besser wissen müsste.“

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Interessant: In seiner Stellungnahme hat RWE nicht dementiert, dass HSV-Fans in den Intimbereich gefasst wurde. Mehrere Betroffene schilderten zudem den Anlaufstellen des HSV für solche Fälle, nachhaltig verstört zu sein.

Angesprochen auf die BH-Vorwürfe sagt Securitas-Sprecher Tiedemann: „Wir haben in keinster Weise unrechtlich gehandelt. Es gab ein berechtigtes Interesse, den BH zu kontrollieren.“ Darin sei ein „nicht erlaubter Gegenstand“ gefunden worden. Was genau, wollte Tiedemann nicht sagen.

HSV-Fans von Ordnern begrapscht: Machtmissbrauch?

Wie aber geht es nun weiter? „Bei der Auslebung von Machtmissbrauch könnte es sich um strafbares Verhalten handeln. Es bedarf der Einzelfallprüfung“, erklärt der Strafrechtler. „Die Geschädigten müssten eine Anzeige wegen eines Sexualdelikts stellen.“

Seine Prognose eines möglichen Ausgangs des Verfahrens liest sich allerdings ernüchternd für die HSV-Fans. „Es muss unter anderem geklärt werden, ob die Ordner vorsätzlich die Grenze überschritten haben. Wahrscheinlich würde die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen, weil die Beweislage nicht ausreichen und am Ende Aussage gegen Aussage stehen könnte.“