Hamburg. Der ehemalige Nachwuchstorwart des HSV steht vor dem größten Spiel seiner Karriere und verrät überraschenden Matchplan.
Es war eine Szene, die an den HSV erinnerte. Torhüter Jakob Golz hatte in der zweiten Minute den Ball am Fuß und passte ihn im Strafraum trotz Gegnerdrucks auf Thomas Eisfeld, anstatt ihn lang zu schlagen. Eine mutige Lösung, die Rot-Weiss Essen allerdings um die Ohren flog. Eisfeld verlor den Ball, und der Hallesche FC sagte Danke.
Ein frühes Gegentor gleich zum Auftakt in die neue Drittligasaison. Am Ende verlor Essen mit 1:2. Doch trotz des Missgeschicks wird die Mannschaft von Trainer Christoph Dabrowski an ihrer Spielweise festhalten. Auch am Sonntag (13 Uhr) in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen den HSV.
HSV-Podcast mit Jakob Golz
„Wenn man mutig Fußball spielen will, muss man auch mal Fehler in Kauf nehmen. Das ist unser Stil. Wir wollen uns nicht verstecken“, sagte nicht etwa HSV-Trainer Tim Walter, sondern RWE-Torwart Jakob Golz wenige Tage vor dem Pokalspiel im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“.
Ein Traditionsduell, das in den 1970er-Jahren zum Bundesligaalltag gehörte, ehe der Essener Absturz begann. 2008 trafen beiden im Pokal-Achtelfinale das bislang letzte Mal aufeinander. Damals trennten beide Clubs noch vier Ligen, mittlerweile ist es nur noch eine. Essen ist seit einem Jahr zurück im Profifußball. Auch dank Golz, der in den vergangenen zwei Jahren zur unumstrittenen Nummer eins bei RWE aufstieg.
Vom HSV nach Essen: Titz holte Golz
Beim HSV waren diese Aussichten nicht sonderlich wahrscheinlich, als er vor vier Jahren unter Christian Titz und Hannes Wolf erstmals bei den Profis im Volkspark mittrainieren durfte. Die Konkurrenz war zu stark. Golz entschied sich für den Wechsel zum damaligen Regionalligisten Essen mit dem neuen Trainer Titz. „Wir haben telefoniert. Dann bin ich nach Essen gefahren und habe unterschrieben“, erzählt Golz ganz nüchtern.
Unter Titz hatte er bereits in der U 21 des HSV gespielt und kannte das ungewöhnliche Spiel mit dem Torwart-Libero auf Höhe der Mittellinie. So ließ Titz bei den Profis auch mit Julian Pollersbeck spielen. Und so spielte er auch mit Golz in Essen. „Ich war der Einzige, der das System kannte“, erinnert sich Golz. „Wir haben es so gespielt, wie wir es in Hamburg gemacht haben. Ich mag es, wenn man mutig ist und spielerische Lösungen sucht.“
Auch unter Dabrowski hat Essen seinen spielerischen Ansatz fortgeführt. Genau wie der HSV mit Walter und Torhüter Daniel Heuer Fernandes. Insofern können sich die Stadionbesucher am Sonntag auf eine taktisch interessante Begegnung freuen. Wenngleich zu erwarten ist, dass Rot-Weiss Essen auch andere Stilmittel wählen könnte.
Dabrowski, der mit Walter den Fußballlehrer-Lehrgang absolvierte, konterte den HSV-Coach mit Hannover 96 im Dezember 2021 schon einmal aus. „Es gibt natürlich Möglichkeiten, nach Balleroberungen schnell umzuschalten. Darauf wird es ankommen. Wir werden unsere Chancen nutzen müssen, dann gibt es vielleicht ein Wunder an der Hafenstraße“, sagt Golz.
Richard Golz war der Torwarttrainer von Jakob beim HSV
Für den 24-Jährigen wird es am Sonntag in vielerlei Hinsicht ein besonderes Spiel. Sein Vater Richard, der für den HSV zwischen 1987 und 1998 in 314 Pflichtspielen zwischen den Pfosten stand, wird mit Sicherheit auf der Tribüne sitzen. In der U 15 des HSV war Richard sogar mal ein Jahr lang der Torwarttrainer von Jakob.
„Es war eine schwierige Konstellation für beide Seiten. Entweder bist du zu lieb oder zu streng. Zu lieb war mein Vater definitiv nicht. Ich musste auch mal Strafrunden laufen“, erinnert sich Jakob und lacht. Gelitten hat ihr Verhältnis darunter aber nicht. Ganz im Gegenteil. „Ansonsten hat er mir in meiner Karriere viel geholfen, das ist bis heute so. Wir sprechen nach jedem Spiel“, sagt Golz junior.
Während sein Vater Richard beim HSV nicht gerade als fußballspielender Torwart in Erinnerung geblieben ist, hat Sohn Jakob schon früh viel Wert auf seine Qualitäten mit dem Fuß geachtet. „Jakob ist ein moderner Torwart. Er beteiligt sich ständig im Spielaufbau. Das Fußballerische, was man mir immer als Schwäche nachgesagt hat, ist seine Stärke“, sagte Richard Golz bereits vor sechs Jahren im Abendblatt-Interview über seinen Sohn.
Öztunali entdeckte Golz bei Eintracht Norderstedt
Als Jakob 2008 vom SC Alstertal-Langenhorn zu Eintracht Norderstedt wechselte, war er noch Feldspieler. Erst durch eine Verletzung des Stammtorwarts kam der kleine Golz ins Tor. Und blieb dort bis heute. Dem ehemaligen HSV-Scout Mete Öztunali, Vater von Volkspark-Rückkehrer Levin, war Golz in Norderstedt aufgefallen. So wechselte er als Torwart 2009 in den HSV-Nachwuchs und blieb dort zehn Jahre.
„Wahrscheinlich ist es für mich das bislang größte und emotionalste Spiel meiner Karriere, da ich zum HSV noch die größte Bindung habe. Ich habe immer ein Auge drauf, was beim HSV passiert“, sagt Golz, der sich auch das 2:2 am Sonntag beim Karlsruher SC anschaute und sich ärgerte, dass sein Heimatverein noch den Ausgleich in der Nachspielzeit kassierte. „Am Ende muss man die eigenen Tore machen, das hat man jetzt auch beim HSV gesehen“, sagt Golz, als er über die Spielart seiner eigenen Mannschaft spricht.
Jakob Golz spielte im HSV-Nachwuchs auch als Stürmer
Dass er auch als Stürmer hätte Karriere machen können, erlebte nicht nur der damalige U-17-Trainer Thorsten Judt, der seinen Torwart drei Spiele lang im Feld spielen ließ. Golz schoss drei Tore. „Leider hat es nicht gereicht, um weiter im Feld zu spielen“, sagt Jakob und lacht erneut.
Am Sonntag könnte er aber möglicherweise wieder ein Tor schießen. Sollte es ins Elfmeterschießen gehen, will er nicht nur Bälle halten, sondern bei Bedarf auch einen reinmachen. „Ich würde auch selbst einen Elfmeter schießen, das traue ich mir zu. Die Schusstechnik ist gut eingestellt“, sagt Golz im Spaß.
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Ein Wiedersehen gibt es für ihn nicht nur mit dem HSV, sondern auch mit seinem früheren Teamkollegen Stephan Ambrosius, der bei den Hamburgern in der Startelf stehen könnte. „Dass Stephan es zum HSV-Profi geschafft hat, ist für mich keine Überraschung. Es hat immer Spaß gemacht, mit ihm zu spielen. Ich würde mich auch freuen, wenn er am Sonntag von Beginn an spielt“, sagt Golz, der sich vorstellen kann, irgendwann wieder zum HSV zurückzukehren.
Die Dritte Liga soll zumindest nicht seine Endstation sein. „Ich würde mir noch weitere Schritte wünschen, das ist ganz klar mein Ziel. Man will so hoch spielen wie möglich. Die Bundesliga ist für jeden ein Traum“, sagt Golz. Vielleicht ja irgendwann wieder im Volkspark. Mit dem HSV.