Kitzbühel. HSV-Trainer erklärt viele Details und fordert Eigeninitiative. Doch eine Sache im Trainingslager wird zum Problem.
Nach fünf intensiven Trainingstagen des HSV im Tiroler St. Johann blieb das Koasastadion am Mittwoch leer. Trainer Tim Walter hatte seiner Mannschaft den Vormittag freigegeben, ehe am Nachmittag ein Ausflug zum Rafting im Fluss Tiroler Achen für eine gelungene Abwechslung sorgte.
Es war tatsächlich die erste Aktivität, die von allen 31 ins Trainingslager mitgereisten HSV-Profis absolviert werden konnte. Bei den schweißtreibenden Einheiten zuvor fehlten dagegen teilweise bis zu elf Profis, darunter auch einige Stammspieler.
HSV-Problem für Tim Walter
So trainierten die Führungsspieler Jonas Meffert (Knie) und Kapitän Sebastian Schonlau (Wade) in Österreich noch nicht einmal mit der Mannschaft. Gleiches gilt für Linksverteidiger Miro Muheim (kleiner Faszienriss in der Wade), der unter Walter weiterhin eine hohe Wertschätzung genießt.
Der neue Tempodribbler Immanuel Pherai (Infekt) sowie Linksaußen Jean-Luc Dompé (Achillessehne) verpassten bereits dreieinhalb Tage. Laszlo Benes (Muskelfaserriss) kann bislang nur Teile des Teamtrainings mitmachen und Neuzugang Guilherme Ramos (offener Schlüsselbeinbruch) darf voraussichtlich bis zum Saisonstart keine Zweikämpfe bestreiten. Und nun fällt auch noch Anssi Suhonen mehrere Monate wegen eines angebrochenen Wadenbeins aus.
Diese zahlreichen Ausfälle werden zunehmend zum Problem der ohnehin nur kurzen Vorbereitung. Zumal die Zeit in Kitzbühel hauptsächlich dafür vorgesehen war, die zuletzt so fehleranfällige Defensive zu stabilisieren.
HSV-Zugang Ramos überzeugt Walter
Immerhin gibt sich der am Montag nachgereiste neue Innenverteidiger Dennis Hadzikadunic zuversichtlich, das für ihn neue Spielsystem schnell verinnerlichen zu können, und auch Ramos setzte Walters Anforderungen mit jedem Tag besser um.
Der als Herausforderer eingeplante portugiesische Abwehrspieler hinterlässt bislang einen positiven Eindruck. Der neue Mann aus Bielefeld setzt viel um von dem, was Walter sehen will. Er wirkt fit, zeigt eine hohe Laufbereitschaft und beweist Mut im Spielaufbau. Sobald die Ärzte grünes Licht für Zweikämpfe geben, könnte Ramos direkt loslegen, weil er bei allen taktischen Spielformen in St. Johann präsent ist.
Walter verlangt Eigeninitiative von HSV-Profis
Es ist ohnehin interessant zu beobachten, wie Walter dabei vorgeht. Der HSV-Coach gibt zunächst den stillen Beobachter und überlässt Co-Trainer Merlin Polzin viele Anweisungen. Doch sobald Walter etwas missfällt, unterbricht er den Spielzug und sortiert seine Spieler zurück an die Stelle, an der sie aus seiner Sicht die falsche Entscheidung getroffen haben.
Bis zu einem gewissen Grad erklärt der 47-Jährige viele Details, wie er sich die Laufwege und das Auffüllen von Positionen vorstellt. Im Anschluss fordert er immer wieder die Eigeninitiative seiner Spieler. Er zwingt sie zum aktiven Mitdenken, indem er den Profis Fragen stellt, wie sie sich in welcher Situation zu verhalten haben, um permanent anspielbar zu sein.
„Tim wirkt sehr frisch und fokussiert. Das ist auch gut so“, beschreibt Sportvorstand Jonas Boldt die Arbeit des Trainers, der schon in der Vergangenheit gesagt hatte, seinen Spielern lediglich die richtigen Werkzeuge mit an die Hand geben zu können. Für die Umsetzung verlangt Walter von seiner Mannschaft, eigenverantwortlich zu handeln. Umso komplizierter ist es, dass mit Meffert aktuell sein verlängerter Arm fehlt.
Walters HSV-Problem mit Meffert
Die anhaltenden Knieprobleme des defensiven Mittelfeldstrategen, der das Spiel mit seinem Ein-Kontakt-Fußball beruhigt oder beschleunigt und auf seiner Position konkurrenzlos ist, hatten bereits in der Rückrunde dazu geführt, dass dem HSV gelegentlich die Struktur abhandenkam.
Da Meffert bereits den ersten Teil der Vorbereitung verpasst hat, wäre es umso wichtiger, einen Ersatz zu verpflichten. Doch die Ablöseverhandlungen mit Ligarivale Magdeburg über Wunschspieler Daniel Elfadli ziehen sich weiter in die Länge.
Holt Walters HSV Castro-Montes?
Auch auf der Suche nach zwei neuen Außenverteidigern ist momentan kein schnelle Einigung in Sicht. KAA Gents Alessio Castro-Montes (26), der auf beiden Seiten zum Einsatz kommen kann und bereits gute Gespräche sowohl mit der sportlichen Führung als auch Walter geführt habe (Abendblatt berichtete), bleibt ein Kandidat.
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„Wir haben keinen Druck, beschäftigen uns sicherlich mit der einen oder anderen Personalie, lassen uns aber nicht treiben“, sagt Boldt trotz der aktuellen Personalsituation über weitere Neuzugänge. „Das Ziel ist eine gestandene Defensive.“
Dass es diese aktuell noch nicht geben könne, sei „den Umständen geschuldet, dass der eine gerade an seiner Verletzung herumbasteln muss (Schonlau) und der andere gerade dazugekommen ist (Hadzikadunic)“. Immerhin hoffe Boldt, der ebenfalls am Rafting teilnahm, dass der Kapitän und Abwehrchef „zeitnah wieder voll das Training aufnehmen“ könne.
Denn bis zum Saisonauftakt gegen Schalke bleiben nur noch zwei Wochen Zeit.