Kitzbühel. Levin Öztunali ist der prominenteste Neuzugang. Boldt wollte ihn schon vor vier Jahren zum HSV holen. Der Kontakt war immer da.

Als im Volksparkstadion Ende April plötzlich alles dunkel wurde und die neue blaue Lichtanlage erstmals zum Einsatz kam, nahm das Spektakel seinen Lauf. Der HSV hatte soeben ein hochemotionales Derby gegen den FC St. Pauli mit 4:3 gewonnen. Einer der 57.000 Zuschauer, deren staunende Augen immer größer wurden, war Levin Öztunali.

„Es herrschte eine wahnsinnige Atmosphäre“, sagt der Neuzugang des HSV zweieinhalb Monate später bei seiner offiziellen Vorstellung im Hotel Kitzhof, wo sein neuer Club während des zehntägigen Trainingslagers residiert.

Zum Zeitpunkt seines bislang letzten Besuchs im Volksparkstadion war Öztunali noch Spieler von Bundesligist Union Berlin. Doch während er die Lichtershow von der Tribüne aus verfolgte und über den Sieg seines HSV, bei dem er fast seine komplette Jugend verbracht hatte, jubelte, reifte in ihm ein Gedanke. „Das war der Moment, in dem ich mir dachte: ,das will ich auch noch einmal erleben.‘“

HSV: Öztunali hatte immer Kontakt zu Boldt

In den darauffolgenden Wochen wurden seine Wechselambitionen immer konkreter. Mit Sportvorstand Jonas Boldt, der Öztunali zum großen Ärger des HSV vor zehn Jahren in seiner damaligen Funktion bei Bayer Leverkusen verpflichtet hatte, stand der Offensivspieler ohnehin seit Jahren in Kontakt. Es folgte ein „sehr gutes“ Gespräch mit Trainer Tim Walter, der Öztunali trotz des verpassten Aufstiegs nicht erst überzeugen musste.

„Ich wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, dass ich unbedingt zum HSV wechseln wollte“, sagt der 27-Jährige, dessen Vertrag bei Champions-League-Teilnehmer Union ausgelaufen war. „Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt für mich, um zurückzukommen. Ich verspüre große Lust, mit dem HSV aufzusteigen.“

Boldt wollte Öztunali früher zum HSV holen

Tatsächlich hatte Öztunali, der die Hanseaten einst als A-Jugendspieler verlassen hatte, in den vergangenen Jahren immer wieder mit dem Gedanken gespielt, zu seinem Heimatverein zurückzukehren, bei dem sein Opa Uwe Seeler zur Legende wurde.

So hatte Boldt bereits 2019 bei seinem Amtsantritt in Hamburg geprüft, den Mittelfeldmann zu verpflichten. „Ich mochte den Spieler immer, aber es bestand damals keine Möglichkeit, ihn zu holen, weil er noch viel gespielt hatte“, sagt der Manager, der vier Jahre später einen neuen Anlauf unternahm, als Öztunali ablösefrei auf den Transfermarkt kam.

„Es war für mich immer klar, dass ich in meiner Karriere noch einmal für den HSV spielen möchte, deshalb stand ich auch stets mit dem Verein in Kontakt. Jetzt konnte ich mir diesen Wunsch erfüllen“, sagt der Profi, der mit der Erfahrung von 190 Bundesligaspielen kommt, bei den Berlinern in der vergangenen Saison aber nur acht Minuten zum Einsatz kam.

Glatzel über Öztunali: „Geiler Kicker“

„Man merkt ihm überhaupt nicht an, dass er die vergangene Saison wenig gespielt hat. Das spricht für seine Qualität“, sagt Robert Glatzel dem Abendblatt über seinen neuen und alten Mitspieler. Beide kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit beim FSV Mainz 05.

„Er ist ein geiler Kicker, der sowohl mit seinem linken als auch seinem rechten Fuß gefährlich im Abschluss ist“, beschreibt Glatzel die Fähigkeiten Öztunalis. „Gleichzeitig hat er das Auge für seine Mitspieler, das wird unserem Spiel zugutekommen. Ich bin davon überzeugt, dass er uns mit seiner Erfahrung besser macht.“

Öztunali: Bloß nicht zu den Eltern ziehen

Die Frage ist nur, auf welcher Position der flexibel einsetzbare Kreativspieler zum Einsatz kommen soll. Beim HSV ist er vorerst auf den Außenbahnen als Konkurrent zu Bakery Jatta und Jean-Luc Dompé eingeplant. Da sich Trainer Walter in Zukunft taktisch flexibler aufstellen will und im Zuge dieses Prozesses erwägt, gelegentlich auch mal mit einer Dreierkette zu agieren, könnte Öztunali auch als rechter Schienenspieler vor der Abwehrreihe fungieren. So lautet zumindest die Theorie.

„Ich möchte möglichst viel Spielzeit sammeln, dafür bin ich hier“, sagt Öztunali über seine persönlichen Ziele. „Ich möchte der Mannschaft mit Toren und Vorlagen helfen.“

Doch Öztunali will nicht nur helfen, er benötigt auch Hilfe. Während der Profi zweimal täglich in Tirol trainiert, suchen ihm seine Eltern eine Wohnung in Hamburg. Nach seiner Rückkehr aus dem Trainingslager wird er vorerst ein Hotelzimmer beziehen, doch dieser Zustand soll nicht von Dauer sein. „Zur Not kann ich erst einmal bei meinen Eltern einziehen, aber das würde ich gern vermeiden“, sagt der schüchtern wirkende Profi und lacht.

HSV: Öztunali will emotionalen Aufstieg

Nachdem er in den zurückliegenden fünf Jahren mit dem HSV mitfieberte, wenn es um den Aufstieg ging, will Öztunali nun persönlich dafür sorgen, dass die ersehnte Bundesligarückkehr endlich gelingt. „Wir erfüllen alle Voraussetzungen, um eine super Saison zu spielen. Mit dem HSV aufzusteigen wäre sicherlich sehr emotional für mich. Das wäre etwas, das bleibt“, sagt er über seine Gefühlswelt.

Sollten die Hamburger im Mai des kommenden Jahres tatsächlich etwas zu feiern haben, könnte sich Öztunali einen Platz neben Uwe Seeler in den Herzen der Fans erspielen. „Mein Opa war hier eine absolute Legende. Was er geleistet hat, ist unfassbar. Für mich war er aber einfach mein Opa, er hatte immer ein offenes Ohr für mich“, sagt er über seinen berühmten Großvater, mit dem er ungern verglichen wird.

Denn Öztunali will seine eigene Geschichte beim HSV schreiben.