Kitzbühel. Seine Eltern flüchteten vor dem Jugoslawienkrieg, er vor Russland. Nun will er aufsteigen, doch Walters System stellt ihn vor Hürden.
Seine Deutschkenntnisse sind zwar recht passabel, doch als HSV-Trainer Tim Walter am Dienstag eine Teambesprechung im Hotel Kitzhof abhielt, benötigte Dennis Hadzikadunic Übersetzungshilfe.
Immer wieder guckte der neue Innenverteidiger fragend zu Torhüter Tom Mickel und Youngster Nicolas Oliveira Kisilowski, die dem in Malmö geborenen bosnischen Nationalspieler auf Englisch erklärten, was der HSV-Coach von seiner Mannschaft sehen will.
Und das ist tatsächlich gar nicht so wenig, wie der nach seinem Wechsel ins Trainingslager nachgereiste Hadzikadunic in seinen drei Einheiten mit der Mannschaft bereits festgestellt hat.
Walters HSV-System stellt Hadzikadunic vor Hürde
Seine ersten Berührungspunkte mit Walters für Abwehrspieler komplexem Spielaufbau hatte der Neuzugang bei seiner Vertragsunterschrift am Donnerstag vor einer Woche. Profifußballdirektor Claus Costa zeigte ihm mehrere Videos, um ihn so gut wie möglich auf das vorzubereiten, was ihn in Kitzbühel erwartet.
Im ersten Moment seiner Theoriestunde habe er noch gedacht, die Umsetzung sei gar nicht so schwierig. „Als ich dann aber in Tirol eingetroffen bin, dachte ich kurzzeitig: ,Sollen wir wirklich so spielen?‘“, sagt Hadzikadunic und lacht.
Inzwischen verstehe er die vom Trainer geforderten Laufwege und Positionsrochaden immer mehr. Bis zum Saisonauftakt gegen Schalke (28. Juli) will er die Anforderungen verinnerlicht haben. „Ich adaptiere jedes System sehr schnell und passe meine Spielweise auch nicht zum ersten Mal an“, verspricht er.
HSV: Hadzikadunic soll Vuskovic ersetzen
Es sind Worte, die den HSV-Fans Hoffnung bereiten, denn Hadzikadunic soll nicht weniger tun, als den seit November 2022 wegen Dopings gesperrten Mario Vuskovic zu ersetzen.
Eine Aufgabe, die bislang keiner bewältigen konnte. Weder der in der Rückrunde dafür vorgesehene Javi Montero, der den HSV nach einem unglücklichen Halbjahr wieder verlassen hat, noch Jonas David, der fast die komplette zweite Halbserie durchspielte, aber nicht oft genug überzeugte.
Nun soll es also Hadzikadunic richten, der jedoch erst einmal auf ein wettkampftaugliches Fitnesslevel kommen muss. Sein letztes Mannschaftstraining liegt schon über einen Monat zurück, seitdem hat er sich individuell fit gehalten.
Hadzikadunic ist ein Sprachtalent
Dennoch verspricht Sportvorstand Jonas Boldt, dass der neue Mann an der Seite von Kapitän und Abwehrchef Sebastian Schonlau bis zum Schalke-Spiel bereit sein werde. „Das traue ich ihm zu“, sagte der Manager, der Hadzikadunic als „sehr aggressiven Zweikämpfer“ beschreibt. „So einen Spielertypen benötigen wir.“
Boldt rechnet zudem mit einer „schnellen Integration“ des Sprachtalents. Denn der Sohn von zwei Bosniern spricht fließend Englisch, Bosnisch, Russisch und Schwedisch. Durch seine Leihstation bei RCD Mallorca in der Rückrunde spreche er auch „ganz gutes Spanisch“, wie Hadzikadunic über sich selbst sagt.
Deutsch habe er auf den Wunsch seines Vaters bereits in der Schule gelernt. „Das ist allerdings schon sechs Jahre her, ich habe mittlerweile einiges vergessen“, räumt der Profi ein, der in Hamburg Deutschunterricht nehmen will und dank des HSV-Teammanagements schon eine Wohnung gefunden hat.
Boldt: Hadzikadunic wollte nicht zurück
Auffällig ist, dass Hadzikadunic bereits von „wir“ spricht, wenn er über den HSV redet. Dabei sei der Club in Person von Costa erst vor einem Monat mit ihm in Kontakt getreten.
Es folgten einige weitere Gespräche, auch mit dem nur einen Monat jüngeren und vom HSV für die Vereinssuche freigestellten Torhüter Marko Johansson, mit dem er viele Jahre in der Jugend von Malmö FF zusammenspielte. „Marko sagte mir, ein Wechsel zum HSV sei der richtige Schritt für mich“, erzählt Hadzikadunic.
Letztlich reifte in ihm der Gedanke, den Schritt vom russischen Erstligisten FK Rostow in die 2. Bundesliga Liga zu gehen. Er hatte nur eine Bedingung: es musste schnell gehen. „Es war für ihn klar, dass er nicht zurück nach Rostow wollte, wo der Trainingsstart anstand“, berichtet Boldt.
HSV: Die bewegende Geschichte von Hadzikadunic
Denn für Hadzikadunic stand fest, erneut von einer Fifa-Regel Gebrauch zu machen, die es Spielern russischer Vereine seit dem Angriffskrieg Wladimir Putins gegen die Ukraine erlaubt, ihre Verträge für eine Spielzeit einseitig auszusetzen. So wie er es schon zweimal zuvor getan hatte, als er nach Mallorca und Malmö ging.
Der neue Hoffnungsträger für die zuletzt anfällige HSV-Defensive möchte zwar nicht über den russischen Einmarsch ins Nachbarland sprechen, doch ein Blick in die Geschichte seiner Eltern, die in den 90er-Jahren vor dem Jugoslawienkrieg nach Schweden flüchteten, scheint zu reichen, um seine Gedanken zu erahnen.
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Um nicht wieder nach Russland zu müssen, wo Hadzikadunic noch bis 2026 unter Vertrag steht, will der Verteidiger nach drei Wechseln in eineinhalb Jahren endlich dauerhaft bei einem Verein Fuß fassen. „Ich möchte mich wieder wie zu Hause fühlen“, sagt der Abwehrspieler.
Ein Wunsch, den er sich selbst durch gute Leistungen, die zum Aufstieg führen sollen, erfüllen könnte. Denn dann würde der HSV wohl auch über einen Anschlussvertrag nachdenken. Bis es so weit ist, dürfte Hadzikadunic auch keine Übersetzungshilfe mehr benötigen.