Hamburg. Weil er HSV-Mitglied ist, scheidet der Richter aus. Die Klageforderung hat sich fast verdoppelt. Welche Rolle spielen Boldts Zeugen?

Wie es sich für einen treuen Anhänger gehört, der zugleich Vereinsmitglied ist, besitzt Michael-Peter Wehsack mehrere Trikots des HSV sowie diverse Fanartikel. Eines seiner Lieblingskleidungsstücke mit der aufgenähten Raute ist eine Badehose.

Warum diese Details relevant sind? Nun ja, Wehsack ist Richter am Hamburger Landgericht. Und er sollte das Urteil in einem Prozess fällen, in dem der HSV wegen einer 2019 nicht gezahlten Provision beim Wechsel von Douglas Santos zu Zenit St. Petersburg von Spielerberater Marcus Haase verklagt wird.

HSV und der Santos-Prozess: Richter befangen

Ein HSV-Mitglied, das in einem HSV-Prozess über recht oder unrecht entscheiden soll, das geht natürlich nicht. Dieser Ansicht folgte auch das Gericht, das Haases Befangenheitsantrag stattgegeben hat.

„Die Förder-Mitgliedschaft des bislang zuständigen Richters, dessen besondere Identifikation mit dem HSV dadurch zum Ausdruck kommt, dass er in seiner Freizeit gelegentlich Kleidungsstücke mit HSV-Emblem trägt, können nach Einschätzung der Kammer nachvollziehbare Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit wecken“, teilte Gerichtssprecher Kai Wantzen auf Anfrage mit.

Nun habe eine Richterin übernommen, doch sie müsse sich erst in den Fall einlesen, ehe ein neuer Verhandlungstermin in dem schon mehrfach verschobenen Prozess angesetzt werden könne. Das lange Warten auf eine Entscheidung in dem seit vier Jahren andauernden Gerichtsstreit, es geht also weiter.

Santos-Prozess: Zahlt HSV zwei Millionen?

Mittlerweile hat sich die Klageforderung von 1,2 Millionen Euro, die Haase für seine vermeintliche Vermittlung beim Santos-Transfer in Wladimir Putins Heimatstadt einfordert, auf rund 2,1 Millionen Euro summiert. Denn auf die 1,2 Millionen Euro netto entfallen 228.000 Euro Steuern (19 Prozent) und 440.000 Euro Prozesszinsen. Hinzu kommen 200.000 Euro netto durch die zehnprozentige Beteiligung an den zwei Millionen Euro schweren Bonuszahlungen, die der HSV für Santos’ vier russische Meisterschaften nachgezahlt bekam.

Ob der HSV diese 2,1 Millionen Euro bezahlen soll, muss die neue Richterin entscheiden. Laut dem Club stehe Haase keine Provision zu, da Sportvorstand Jonas Boldt den Deal alleine abgewickelt habe. Als Entlastungszeugen hat der Manager schon länger die früheren Profis Jens Hegeler und Stefan Reinartz angegeben, die Boldts Aussagen eines Telefonats mit Haase mitgehört haben sollen, in dem der HSV-Vorstand dem Berater den Vermittlungsauftrag entzogen habe.

Mit etwas Verzögerung zweifelt Haase nun an der Neutralität der Zeugen, die Boldt seit gemeinsamen Leverkusener Zeiten kennt und mit dessen Datenanalysefirma Impect er auch beim HSV zusammenarbeitet. „Ich kenne die beiden Herren nicht“, sagt Haase dem Abendblatt. „Es verwundert sehr, dass beim HSV externe Datenanalysten über den angeblichen Inhalt vertraulicher Transfergespräche des Sportvorstandes mit mir berichten sollen, bei denen sie angeblich zugehört haben sollen.“

Haases Anwalt hat deshalb einer Vernehmung der Zeugen widersprochen. Ein Antrag, über den die Richterin entscheiden muss. Der Prozess verschiebt sich somit weiter nach hinten.