Hamburg. Sonny Kittel verlässt den HSV nach vier Jahren. Zwei Gründe sprachen gegen eine langfristige Verlängerung.

Es war schon spät, als Sonny Kittel sein Handy in die Hand nahm und seinen Abschiedstext schrieb. Die Nacht zum Mittwoch hatte bereits begonnen, als er auf den Teilen-Button drückte und auf seiner privaten Instagram-Seite das Ende beim HSV verkündete. „Ich habe lange überlegt, ob ich mich überhaupt äußern soll“, schrieb Kittel zu Beginn der Nachricht. „Ich habe schon vor knapp zwei Jahren den Verantwortlichen des Vereins sehr deutlich signalisiert, dass ich mich sehr wohl in Hamburg fühle und mir wünschen würde, länger zu bleiben. Mir wurde immer wieder angedeutet, dass man sich zeitnah zusammensetzen möchte, nur leider gab es bis heute kein Angebot.“

Nach vier Jahren, 140 Spielen, 36 Toren und 40 Vorlagen endet Kittels Zeit beim HSV mit einer Spitze gegen den Sportverantwortlichen Jonas Boldt. Vorausgegangen war nach Abendblatt-Informationen ein Gespräch zwischen Kittel und Boldt, in dem der bisherige Spielmacher und der Sportvorstand des Clubs ihre Zukunftsvorstellungen austauschten. Und die sahen unterschiedlich aus. Während Kittel sich eine langfristige Verlängerung seines am 30. Juni auslaufenden Vertrags zu den bisherigen Bezügen wünschte, wollte Boldt dem 30-Jährigen nur noch einen neuen Einjahresvertrag anbieten. Doch so weit kam es gar nicht mehr.

Zwei Gründe waren entscheidend für die Trennung

Entscheidend für die Haltung des HSV waren zwei Aspekte: Zum einen ist Kittels Karriere auf Zweitliganiveau aufgrund seiner Verletzungshistorie mit vier schweren Knieoperationen begrenzt. Zum anderen haben die Hamburger mit Eintracht Braunschweigs Immanuel Pherai, der noch in dieser Woche vorgestellt werden soll, den potenziellen Nachfolger bereits gefunden. Der 22 Jahre junge Niederländer wird im Volkspark einen langfristigen Vertrag bis 2027 unterschreiben. Eine Vereinbarung, die sich auch Kittel noch einmal gewünscht hätte. Die er aber nicht mehr bekam. Und so kam er dem HSV am Ende mit seiner Entscheidung zuvor.

„Wer sich mehr oder weniger mit meinem Werdegang auseinandergesetzt hat, weiß, dass ich in der Vergangenheit mit mehreren Rückschlägen zu kämpfen hatte und sich damit verbundene Zukunftsängste und Sorgen entwickelt haben. Deswegen war immer mein Ziel, frühzeitig für mich und meine Familie Gewissheit zu haben, wie es weitergeht“, schrieb Kittel und nahm mit diesen Worten auch einer gemeinsamen Mitteilung mit dem HSV vorweg.

Kittel kommt in der Meldung des HSV nicht zu Wort

So erklärt es sich, dass bei der Abschiedsmeldung des Clubs von Mittwochmorgen auch nur Sportvorstand Boldt zu Wort kommt. „Wir möchten uns bei Sonny für die vergangenen vier Jahre bedanken. Er ist und war sicherlich ein besonderer Spieler, der häufig den Unterschied gemacht hat – das sieht man alleine schon an seiner Quote“, sagte Boldt in der Mitteilung des HSV. „Wir wünschen Sonny und seiner Familie für die Zukunft nur das Beste und heißen ihn jederzeit in Hamburg herzlich willkommen.“

Ein Abschied, den beide Seiten sich vermutlich anders vorgestellt hatten. Der Kittel nun aber dahin bringen könnte, wo er schon zweimal hinwollte: ins Ausland. Vor einem Jahr scheiterte ein Wechsel zu Washington DC United am Medizincheck, im Winter legte der HSV sein Veto ein, als Kittel zu Al Fateh nach Saudi-Arabien gehen wollte. „Natürlich haben eine lange Laufzeit und die finanzielle Absicherung eine relevante Rolle gespielt“, gibt Kittel in seinem Abschiedspost zu. Ob er noch einmal so eine Offerte bekommt, ist offen.

Wechselt Kittel zu einem Aufstiegskonkurrenten?

Beim HSV rechnet man damit, dass auch die Absteiger Schalke 04 und Hertha BSC bei Kittel anfragen werden. Schließlich hat der Offensivspieler seine Quote an Torbeteiligungen immer nachgewiesen und war in den vergangenen vier Jahren beim HSV trotz seiner Vorgeschichte nie verletzt. „Vier Jahre beim HSV sind nun zu Ende. Ich habe es geliebt, in diesem Trikot Fußball spielen zu dürfen. Bis zum letzten Tag habe ich versucht, mein Bestes zu geben und ein Vorbild für viele junge Spieler im Team zu sein“, schreibt Kittel mit emotionalen Worten.

Dass der frühere Frankfurter seinen HSV-Abschied selbst verkündete, nimmt ihm im Volkspark kaum einer übel. Einig ist man sich innerhalb des Clubs aber, dass die Trennung nach vier Jahren, in denen der Aufstieg nicht klappte, die richtige Entscheidung für die Zukunft ist. Schließlich hatte Kittel in den vier Jahren die meisten Torbeteiligungen, aber insbesondere in seinen ersten drei Saisons in der entscheidenden Phase nur noch wenige.

In dieser Spielzeit war das anders. Wer Kittel nach dem letzten Spieltag in Sandhausen jubeln gesehen hat, als er wie so viele dachte, der HSV sei endlich aufgestiegen, der konnte feststellen, was ihm dieser Erfolg bedeutet hätte.

Und so geht Kittel zumindest so, wie er bei seinem ersten Spiel von Beginn an 2019 in Nürnberg begann: mit einem Fernschusstor. Sein 1:0 im Relegationsrückspiel gegen Stuttgart, so viel steht nun fest, war sein letztes für den HSV.