Hamburg. Neuzugang hat langfristigen Vertrag unterschrieben. Ex-Trainer erklärt besondere Spielweise. Warum Pherai weniger kostet.

Um die letzte Hürde für seinen Wechsel zum HSV zu nehmen, reiste Immanuël Pherai bereits am Donnerstagabend nach Hamburg. Am Freitagvormittag bestand der 22 Jahre alte Spielmacher seinen Medizincheck im Athleticum des UKE.

Sein bis 2027 datierter Vierjahresvertrag, den er im Anschluss unterschrieb, war zu diesem Zeitpunkt bereits ausgehandelt. Am Sonnabend wurde auch die letzte noch fehlende Unterschrift nachgereicht.

„Ich kann es kaum erwarten, in diesem Stadion und vor diesen Fans zu spielen“, sagt Pherai. „Sie haben mich sehr beeindruckt, als ich mit der Eintracht hier zu Gast war. Danach habe ich gesagt: Für den HSV möchte ich gern spielen.“ Sein Wunsch wird ihm nun erfüllt.

HSV zahlt für Pherai deutlich weniger

Pherais bisheriger Verein Eintracht Braunschweig war bereits seit Mittwoch über sämtliche Transfermodalitäten unterrichtet. Denn an diesem Tag lief Pherais Ausstiegsklausel aus, die ihm nach Abendblatt-Informationen einen Wechsel für gerade einmal 750.000 Euro zum HSV ermöglicht hat.

Damit ist der Kreativspieler sogar deutlich günstiger als bislang angenommen. Die zuvor kolportierten 1,5 Millionen Euro hätte lediglich ein Bundesligist zahlen müssen. Für den HSV beträgt die Ablöse dagegen nur die Hälfte der Summe.

Ein guter Deal für den HSV, darin sind sich zahlreiche Experten der Branche einig, der möglich wurde, weil in Pherais Klausel unterschiedliche Preisschilder je nach Liga des neuen Vereins vertraglich festgeschrieben waren. Ein branchenübliches Mittel, durch das Pherai für die Hamburger zum Schnäppchen wird.

Ex-Trainer erklärt Phänomen Pherai

„Immanuël liebt das risikobehaftete Spiel, Pässe in die Tiefe und Tempodribblings. Darüber hinaus hat er einen für die Liga herausragenden Abschluss“, beschreibt sein bisheriger Trainer Michael Schiele einen Spielertypen, auf den sich die HSV-Fans freuen dürfen.

Der 45-Jährige ist seit zwei Wochen arbeitslos, obwohl er Aufsteiger Braunschweig zum direkten Klassenerhalt führte und somit – im Gegensatz zum HSV – das Saisonziel erreichte. Ein Erfolg, den Schiele vor allem seinem Unterschiedsspieler Pherai zu verdanken hat, der mit neun Toren und fünf Vorlagen der Topscorer seines Teams war.

Der in Alkmaar und Dortmund ausgebildete Offensivspieler stach mit einer Qualität heraus, die es in der Zweiten Liga nur selten zu bestaunen gibt. „Seine Stärke ist das Aufdrehen mit dem ersten Kontakt, er gibt dem Ball direkt eine Richtung mit“, sagt Schiele über Pherai, der schon, bevor er an das Spielgerät kommt, wisse, in welchen Raum er sich zu bewegen habe.

HSV stach Augsburg bei Pherai aus

Mit seiner engen Ballführung bei hohem Tempo lässt der Techniker Gegenspieler oftmals wie lästige Fahnenstangen stehen. „Er ist robust im offensiven Zweikampf, erkennt die freien Räume und bietet viele tiefe Laufwege an. Er sieht einfach, wo der Ball hinkommen muss“, schwärmt Schiele. „Er ist sehr spielintelligent.“

Nach seiner starken Debütsaison bei der Eintracht hätte Pherai auch in die Bundesliga wechseln können. Anfragen gab es zur Genüge, vor allem der FC Augsburg soll sich intensiv um ihn bemüht haben. Am Ende aber machte der HSV das Rennen, weil Sportvorstand Jonas Boldt und Direktor Profifußball Claus Costa seit Monaten um seine Dienste warben.

Was Boldt und Costa über Pherai sagen

„Als ehemaliger Junioren-Bundesligaspieler stand er schon länger auf unserem Zettel“, sagte Boldt. „Seine Entwicklung, insbesondere in der vergangenen Saison bei Eintracht Braunschweig, hat uns schließlich dazu veranlasst, uns frühzeitig und intensiv mit ihm und einem Wechsel zum HSV zu beschäftigen.“

Costa ergänzte: „Immanuel ist ein echter Straßenfußballer, der offensiv sehr mutig und zielstrebig agiert. Er ist technisch stark, sehr schnell und sucht immer den direkten Weg zum Tor, um selbst torgefährlich zu werden oder seine Mitspieler einzusetzen. Immanuel möchte den Unterschied ausmachen, daher freuen wir uns sehr auf ihn.“

Schiele: Pherai und Glatzel – das passt!

In Hamburg wird von Pherai nicht weniger erwartet, als Sonny Kittel (30) zu ersetzen, dessen auslaufender Vertrag nach 36 Toren und 40 Assists in 140 Pflichtspielen nicht verlängert wird. Eine Aufgabe, die Schiele seinem ehemaligen Schützling zutraut. Zumal der deutlich schnellere Pherai dem Spiel des HSV zu mehr Tempo verhelfen wird. „Immanuël wird den HSV voranbringen“, sagt der Trainer, der ein erfolgreiches Zusammenspiel mit Torjäger Robert Glatzel prognostiziert.

Schon bei der Eintracht habe Pherai prächtig an der Seite von Zehn-Tore-Stürmer Anthony Ujah harmoniert, der ein ähnlicher Zielspieler sei wie Glatzel (19 Saisontore). Bei eigenen Angriffen habe Pherai stets die Nähe Ujahs gesucht, wodurch die Mannschaft mehr Torgefahr ausstrahlte. Ähnlich könnte der Neuzugang nun auch beim HSV agieren. „Immanuël hat schon in Braunschweig optimal als Zubringer funktioniert“, sagt Schiele. „Ich denke, das Zusammenspiel mit Glatzel wird passen.“

Muss Pherai Spielweise beim HSV ändern?

Wie jeder Spieler hat Pherai allerdings nicht nur Stärken. Im Falle des Tempodribblers, der bei seinen Pässen in die Tiefe kein Risiko scheut, ist es ausgerechnet seine Stärke, die beim HSV zur Schwäche werden könnte.

Mit einer Passquote von 59,5 Prozent gehörte Pherai in der abgelaufenen Saison nicht einmal zu den 100 besten Passgebern der Liga. Der Kreativspieler wird seine riskante Spielweise anpassen müssen, denn anders als in Braunschweig sind Abspielfehler im auf Ballbesitz ausgelegten System von Trainer Tim Walter nicht einkalkuliert.

Oftmals fehlt es den Hamburgern inmitten ihrer Positionsrochaden an einer defensiven Absicherung. Eine Herangehensweise, von der Pherai in seinen bisherigen beiden Spielen gegen den HSV profitierte. Nun wird er unter Walter auch mal den sicheren Pass spielen müssen. „Für die Ballstafetten des HSV wird Immanuël das Risiko seiner Pässe minimieren müssen“, orakelt Schiele, der bei dem Niederländer zudem reichlich Potenzial bei der Ausführung direkter Freistöße oder Eckbälle sieht. „Er muss definitiv seine Standards verbessern.“

Was HSV-Zugang Pherai verbessern muss

Mit seiner Laufstärke, Geschwindigkeit und hoher Intensität bringt Pherai dafür viele Attribute von Walters Spiel mit. „Er hat enorme Qualitäten im Gegenpressing, weshalb er zum Spielstil Tim Walters passt“, sagt Schiele, der mit Walter gemeinsam den Trainerlehrgang absolvierte.

Auch wenn Pherai für einen Techniker ungewohnt fleißig in der Defensivarbeit ist, könnte seine Erfolgsquote höher sein. „Sein defensives Zweikampfverhalten in Eins-gegen-eins-Duellen ist ausbaufähig“, moniert Schiele, der dem HSV dennoch zu diesem Transfer gratuliert.