Heidenheim/Hamburg. Im Dopingfall Vuskovic schießt der HSV-Vorstand gegen DFB, Nada und Wada und kann den jüngste Gerichtsbeschluss nicht nachvollziehen.
Jonas Boldt war mächtig sauer. Als er vor dem Auswärtsspiel des HSV beim 1. FC Heidenheim vor der Sky-Kamera seine Eindrücke vom Dopingprozess um Mario Vuskovic schildern sollte, nutzte der Sportvorstand des HSV die Möglichkeit für eine Generalabrechnung mit dem DFB, der Welt Anti-Doping Agentur (Wada), der Nationalen Anti-Doping Agentur (Nada) und dem Labor in Kreischa – also vereinfacht gesagt: mit nahezu allen führenden Anti-Doping-Kämpfern.
„Nicht, dass es falsch rüberkommt: Was ich total kritisch sehe, ist das Thema Doping“, begann Boldt noch relativ gelassen, ehe sich sein Blick zunehmend verfinsterte. „Wenn wir aber sehen, wie der ganze Prozess abgelaufen ist, dann wird das einer Anti-Doping-Geschichte nicht gerecht. Das ist absolut unprofessionell, das muss ich so klar sagen.“
Mario Vuskovic: Boldt hat viele Fragen
Der HSV-Vorstand sprach damit die vielen Ungereimtheiten an, die an den ersten beiden Prozesstagen vor dem DFB-Sportgericht aufgedeckt wurden. In einem vermeintlich klaren Dopingfall sind noch immer viele Fragen ungeklärt. Eine Auswahl:
- Warum lagerte Vuskovics Probe drei Tage im privaten Kühlschrank des Dopingkontrolleurs?
- Warum wurde die Kühlkette für 24 Stunden durch einen DHL-Kurierdienst unterbrochen, bevor die Urinprobe im Labor eintraf?
- Warum streiten mehrere Wissenschaftler über das Ergebnis des Dopingtests (vier HSV-Gutachter behaupten, Vuskovic sei falsch-positiv)?
- Und warum wurde Jean-Francois Naud als unabhängiger Gutachter für die Öffnung der C-Probe ausgewählt, obwohl er in einem Expertengremium mit Sven Voss, dem Institutsleiter von Kreischa, sitzt, wo Vuskovics A- und B-Probe analysiert wurde?
Boldt: „Als wenn uns ein HSV-Mitglied pfeift“
Es sind Fragen, auf die Boldt keine fachlichen Antworten hat. Eine klare Meinung hat er aber trotzdem. „Wenn ich dann höre, dass die Wada ein Nada-Labor überwachen soll, obwohl die beiden Institutsleiter in derselben Gruppe sitzen, dann wäre das genauso, wie wenn ein HSV-Mitglied das Spitzenspiel heute pfeifen würde.“
Ob der in Québec ansässige Naud HSV-Mitglied ist, ist nicht bekannt. Unbestritten ist allerdings, dass ein HSV-Mitglied lieber nicht ohne Weiteres in einem Pflichtspiel der Hamburger antreten sollte. Dass Naud nachweislich einer der führenden Epo-Forscher ist, scheint Boldt dennoch nicht von seiner Kompetenz zu überzeugen.
Der Bericht zum 2. Prozesstag:
Fall Vuskovic: Warum Naud die C-Probe öffnet
Der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts, Stephan Oberholz, hatte Naud für die C-Probe ausgewählt, weil dieser sich mit der Wada-Struktur auskenne. Den umgehenden Verdacht von Vuskovics Anwälten, der Kanadier sei alles andere als unabhängig, wehrte Oberholz ab. „Wir schließen eine Befangenheit aus“, sagte der Richter.
Momentan prüft der HSV, ob er gegen diesen richterlichen Beschluss Einspruch erheben werde. Boldt beschwert sich aber vor allem über das gesamte Epo-Analyseverfahren, bei dem es keine Grenzwerte gibt, sondern Bilder verglichen werden. „Wir reden darüber, dass einer mit einem menschlichen Auge erkennen soll, wer positiv ist, und das mit fünf Fällen an Erfahrung – das erklärt sich mir einfach nicht“, sagte Boldt, der sich selber in der Materie als „Laie“ bezeichnete.
Die von ihm angesprochenen „fünf Fälle“ beziehen sich auf eine Aussage des ehemaligen Institutsleiter von Kreischa, Detlef Thieme (2008 bis 2022), der vor Gericht darlegte, während seiner Amtszeit circa fünf positive Epo-Proben aufgedeckt zu haben. Sein Nachfolger Voss sagte allerdings: „In den von mir untersuchten über 10.000 Proben habe ich die Merkmale von Vuskovics Probe noch nie in einer negativen Epo-Probe gesehen. Das Verfahren funktioniert!“
Der 1. Prozesstag zum Nachlesen:
Mario Vuskovic: Boldt moniert fehlende Klarheit
Eine Aussage, an der Boldt gehörige Zweifel hat. „Es gibt unterschiedliche Meinungen unter Wissenschaftlern. Was ich aber nicht nachvollziehen kann: Je länger es dauert, desto unklarer ist der Sachverhalt. Wir reden über etwas, das definitiv klar sein sollte. Das ist es aber nicht.“
Für etwas Klarheit soll zumindest die nächste Verhandlung am 10. März in Frankfurt sorgen. Doch schon im Vorfeld scheint klar: Die jeweils unterlegene Partei wird in Berufung gehen.