Hamburg. Im eskalierten Streit der Anteilseigner ist keine Lösung in Sicht. Wüstefeld und dem HSV droht nun eine Auseinandersetzung vor Gericht.
Seite an Seite verfolgten Thomas Böhme und Tim Walter das Spektakel. Der Aktionär und der Cheftrainer des HSV genossen das NFL-Spiel der Los Angeles Chargers gegen die Kansas Chiefs mit dem Trainer- und Betreuerteam des HSV in einer Loge des gigantischen SoFi Stadium von Los Angeles und beobachteten das Duell der Quarterback-Supertars Justin Herbert und Patrick Mahomes.
Rund zweieinhalb Monate ist dieses Highlight der Kalifornien-Reise des HSV schon her. Böhme, der Geschäftsführer der Ampri Handelsgesellschaft aus Winsen (Luhe), war der einzige Gesellschafter, der die Mannschaft auf der Reise in die USA begleitet hatte. Was kaum jemand wusste: Böhme hatte einen Teil der HSV-Reisekosten übernommen.
HSV: Können sich Gegner Böhme und Jansen einigen?
Verantwortung will der HSV-Fan, der schon im Mai 1983 beim Landesmeistertriumph in Athen gegen Juventus Turin (1:0) dabei war, auch beim schwelenden Streit der Anteilseigner übernehmen. Bei der eskalierten Hauptversammlung am vergangenen Donnerstag hatte neben Karl Gernandt von der Kühne-Holding auch Böhme immer wieder das Wort ergriffen. Der frühere Westkurvengänger machte keinen Hehl daraus, dass er mit der Amtsführung von Präsident Marcell Jansen extrem unzufrieden ist.
Böhme gehörte zu den Unterzeichnern eines Briefes der Aktionäre an Jansen, in dem sie ihm den Rücktritt nahelegten. Nun müssen sich Böhme und Kollegen in der kommenden Woche erneut mit Jansen und dem Präsidium treffen, um zu erörtern, ob es nicht doch einen Kompromiss geben kann. Dabei steht auch die Frage im Raum: Wie groß ist der Einfluss der Kleinaktionäre beim HSV?
HSV-Finanzvorstand Huwer beim Abendblatt-Neujahrsempfang:
HSV-Kleinaktionäre geben den Ton an
Rein mathematisch ist diese Frage einfach zu beantworten: klein. 24,9 Prozent teilen sich die Kühne-Holding von Klaus-Michael Kühne, die CaLeJo GmbH von Thomas Wüstefeld, Böhmes Ampri Handelsgesellschaft, Familie Burmeister, Familie Bohnhorst und die Erbengemeinschaft Margaritoff. Damit hätten die Anteilseigner gegen die 75,1 Prozent des HSV e.V. bei unterschiedlichen Auffassungen nie eine Abstimmungschance.
Dass Fußball aber keine Mathematik ist, konnte auf der Hauptversammlung in der vergangenen Woche beobachtet werden. Dort gaben die Kleinaktionäre den Ton an und konnten eine Verschiebung der Abstimmung über die künftige Besetzung des Aufsichtsrats erreichen.
Nach stundenlangen Streitigkeiten hatte Wüstefeld beantragt, die Versammlung zunächst ergebnislos abzubrechen und sich dann noch mal für eine Aussprache zu treffen. Nach Abendblatt-Informationen wollte Präsident Jansen den Antrag zunächst nicht annehmen, ließ sich dann aber von Vizepräsident Bernd Wehmeyer überzeugen, dass der HSV e.V. trotz der 75,1-Prozent-Mehrheit nicht durchregieren dürfe.
Aktionärstreffen mit Wüstefeld, aber ohne Kühne
Einer der Kernstreitpunkte: Die Kleinaktionäre wollen verhindern, dass Jansen erneut Detlef Dinsel für den Aufsichtsrat nominiert. Stattdessen machte sich Kühne-Vertreter Gernandt in der Hauptversammlung für eine erneute Nominierung von Lena Schrum stark. Die hatte Jansen erst vor anderthalb Jahren für den Aufsichtsrat gewonnen, wollte diese nun aber wieder loswerden.
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Um als Minderheitsaktionäre der eigenen Stimme mehr Gewicht zu verleihen, versuchen sich die HSV-Anteilseigner seit einigen Monaten besser abzustimmen. Zum Ende des vergangenen Jahres gab es ein größeres Treffen der Kleinaktionäre – ohne Wüstefeld, aber mit Kühne.
HSV-Präsident Jansen beim Abendblatt-Neujahrsempfang:
Sehen sich HSV und Wüstefeld vor Gericht?
Besonders Wüstefelds Rolle bleibt dabei spannend. Der ehemalige Vorstand wurde am Dienstag über das Abendblatt von den aktuellen Vorständen Jonas Boldt und Eric Huwer zur unerwünschten Person beim HSV erklärt, wollte dies allerdings nicht kommentieren.
Wüstefeld besteht weiter darauf, dass er noch knapp 100.000 Euro (für Corona-Utensilien) vom HSV erhält, der HSV erkennt diese Rechnung jedoch nicht an. Sollten sich die beiden Parteien nicht einigen, droht eine Auseinandersetzung vor Gericht.