Hamburg. Befinden sich die Routiniers Leibold und Kittel auf Abschiedstournee? Auch Amaechi steht vor dem Abgang – und Mickel?

Als das HSV-Training am Dienstag beendet war, formierten sich die rund 40 Kiebitze hektisch vor dem Zaun am Trainingsplatz. Für viele Fans stand nun der Moment an, für den sie extra den Weg in den Volkspark auf sich genommen haben. Es begann die Jagd nach Autogrammen und Selfies mit ihren Idolen. Auf dieser Mission besonders gefragt sind immer wieder die beiden Routiniers Tim Leibold (29) und Sonny Kittel (29).

Während sich Leibold dem Fan-Bad in der Menge stellte und fleißig alle Wünsche der Anhänger erfüllte, verließ Kittel den Trainingsplatz über einen Seiteneingang. Schnell eilten einige aufmerksame Beobachter herbei, sodass auch der Offensivspieler einzelne Fans mit seiner Handsignierung oder einem Foto glücklich machte.

Dieser längst zur Routine gewordene Vorgang könnte sich möglicherweise nur noch bis zum Sommer wiederholen. Dann laufen Leibolds und Kittels Verträge beim HSV aus. Für die beiden auch privat sehr gut befreundeten Profis hat längst der Kampf um die eigene Zukunft begonnen.

HSV: Walter findet immer einen Platz für Kittel

Auch wenn sie dieses Schicksal teilen, gehen beide mit unterschiedlichen Voraussetzungen die Rückrundenvorbereitung an. Da wäre zum einen die Ausgangslage von Kittel, der eine hohe Wertschätzung bei Trainer Tim Walter genießt. Trotz einer überschaubaren Hinrunde mit einer auch für ihn persönlich unbefriedigenden Bilanz von null Toren und fünf Vorlagen fehlte der Spielmacher nur zweimal in der Startelf.

Das liegt zum einen daran, dass Kittel in Walters 4-3-3-System bis auf den Platz im Sturmzentrum fast alle offensiven Positionen bekleiden kann.

Beobachter des HSV werden allerdings den Eindruck nicht los, dass sich Walter, der in seinem Schützling einen Unterschiedsspieler sieht, bei Kittel besonders bemüht, eine Rolle im Team zu finden. Diese manchmal zu einem Puzzle gewordene Aufgabe könnte in der Rückrunde allerdings kniffliger werden. Denn momentan sind Kittels Konkurrenten allesamt fit.

Auf den Außen dürften die pfeilschnellen Jatta und Dompé vorerst gesetzt sein. Im Mittelfeldzentrum haben sich Ludovit Reis und László Bénes nach starken Leistungen festgespielt. Muss Kittel beim Rückrundenstart gegen Braunschweig (29. Januar) auf der Bank Platz nehmen?

Bekommt Leibold keine Chance gegen Muheim?

Es ist eine Rolle, mit der sich sein Kumpel Leibold schon länger zufriedengeben muss. Nachdem er zwei Drittel der Saison 2021/22 wegen seines Kreuzbandrisses verpasst hatte, wollte der Linksverteidiger in dieser Spielzeit wieder voll angreifen. Doch in der Sommervorbereitung behauptete Konkurrent Miro Muheim seinen Stammplatz links hinten in der Viererkette.

Gerade mal zwei Ligaspiele durfte Leibold in der Hinrunde von Beginn an absolvieren. Und das nur, weil Muheim einmal angeschlagen war (2:0 in Nürnberg) und einmal eine Disziplinarstrafe absaß (2:0 in Düsseldorf), nachdem der Schweizer wegen eines länger andauernden Toilettengangs zu spät zum Training gekommen war. Ansonsten war Muheim unter Walter immer gesetzt.

Dabei hat sich der 24-Jährige längst nicht zum Leistungsträger beim HSV entwickelt, wie es Leibold vor seiner Verletzung war. Doch Muheim genießt einen Vertrauensvorschuss von Walter. Leibold wurde dagegen in sechs der ersten zehn Saisonspiele nicht einmal mehr eingewechselt. In zwei Partien stand er jeweils nur eine Minute auf dem Platz, ehe er sich Anfang Oktober einen Muskelfaserriss zuzog und den Rest der Halbserie ausfiel.

Tim Leibold vor dem Abgang beim HSV?

Nun startet Leibold einen neuen Anlauf, sich seinen Stammplatz zurückzuholen. Sollte dieser Versuch scheitern, dürften sich die Wege im Sommer trennen. Denn ein Verbleib Leibolds bei einer dauerhaften Reservistenrolle ist aktuell weder vom HSV noch vom Spieler selbst gewünscht. Ob Leibold und Kittel eine Zukunft im Volkspark haben, liegt also ein Stück weit auch in ihren eigenen Händen. Steigern sie ihre Leistungen, wäre es Werbung in eigener Sache.

Momentan deutet sich allerdings eher eine Trennung im Sommer an. Die Berater der beiden Routiniers sondieren bereits den Markt nach Alternativen, um bei einem weiterhin ausbleibenden HSV-Angebot auf eine Verlängerung nicht mit leeren Händen dazustehen. Ein vorzeitiger Abgang im Winter, wenn der HSV letztmals eine Ablöse kassieren könnte, ist dagegen nicht geplant.

Endet auch Amaechis HSV-Zeit?

Gleiches gilt für Xavier Amaechi (21), dessen Vertrag ebenfalls zum Saisonende ausläuft. Vor einem halben Jahr galt sein Abschied noch als beschlossene Sache. Dann aber machte der einst mit großen Vorschusslorbeeren von der Jugend des FC Arsenal verpflichtete Engländer in der Sommervorbereitung auf sich aufmerksam.

Am ersten Spieltag in Braunschweig (2:0) war Amaechi sogar der erste Einwechselspieler, doch dann bremste ihn eine Knöchelverletzung wochenlang aus. Auch der Flügelstürmer muss sich in der Rückrunde gehörig steigern, wenn er mit einer aktuell kaum vorstellbaren Vertragsverlängerung noch überraschen will.

Xavier Amaechi (21) wechselte einst für 2,5 Millionen Euro vom FC Arsenal zum HSV, konnte sein Potenzial aber nie abrufen.
Xavier Amaechi (21) wechselte einst für 2,5 Millionen Euro vom FC Arsenal zum HSV, konnte sein Potenzial aber nie abrufen. © Witters

HSV-Zukunft? Mickel hat Chancen

Weitaus entspannter geht derweil Ersatztorwart Tom Mickel (33) die unklare Situation über seine Zukunft an. Nach seinem Innenbandriss im Sprunggelenk befindet sich der Keeper momentan im Rehatraining. Für den ältesten Spieler des Kaders ist die Ausgangslage am simpelsten: Holt er sich seine Fitness zurück, darf er sich Hoffnungen auf einen neuen Vertrag beim HSV machen.

Es wäre eine Nachricht, die auch die Autogrammjäger vom Volkspark freuen würde, bei denen auch Mickel eine hohe Wertschätzung genießt.