Hamburg. Nach dem wilden 4:2 gegen Sandhausen flogen die Hamburger in die USA. Dort geht es auch um Walters Vertrag.

So ein Spektakel wie an diesem Wochenende hat Jonas Boldt live im Stadion schon lange nicht mehr gesehen. Gemeint ist allerdings nicht das 4:2-Torfestival des HSV am Sonnabend gegen den SV Sandhausen, sondern das erste NFL-Spiel in Deutschland überhaupt am Tag danach. Am Sonntagnachmittag war Boldt mit ein paar Freunden, darunter der frü­here Hamburger Hockey-Nationalspieler Moritz Fürste, beim Gigantenduell der Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks in der ausverkauften Münchner Allianz Arena.

Boldt und die restlichen 67.000 Zuschauer waren vor allem auf Tampa-Bay-Superstar Tom Brady (45) gespannt – weswegen der Hamburger Sportvorstand sogar die gemeinsame und lang geplante Anreise mit der HSV-Mannschaft in die USA um einen Tag verlegte. Erst an diesem Montag wird der 40-Jährige mit zwei Gewissheiten im Gepäck nach Los Angeles nachreisen. Erstens: Viel besser als bei Münchens Football-Event konnte man sich wahrscheinlich nicht auf die einwöchige US-Marketingreise des HSV vorbereiten. Und zweitens: Auch der HSV hat die große Show im Repertoire.

Das machte Boldts Mannschaft im letzten Hinrundenspiel am Sonnabend im fast ausverkauften Volkspark sehr deutlich. Denn noch bevor der Fall Mario Vuskovic kurz nach dem Schlusspfiff die Schlagzeilen beherrschte, sorgten auch während der unterhaltsamen 90 Minuten zuvor die Akteure auf dem Platz für jede Menge Gesprächsstoff. Wie so oft in dieser Halbserie konnte der HSV den Zuschauern ein echtes Happening bieten – und das Ganze dann sogar mit einem Happy End versehen. Sechs Treffer, Führungen, Rückschläge, Traumtore und ärgerliche Gegentore – beim Hinrundenfinale war alles dabei.

Wegen Walter: Boldt setzt HSV-Aufsichtsrat unter Druck

„Die mehr als 55.000 Leute, die gegen Sandhausen im Stadion waren, sehen, was wir hier spielen und bewegen seit ein paar Monaten. Mehr gibt es von meiner Seite aus nicht zu sagen“, antwortete Boldt später dem fragenden Sky-Reporter, um dann aber doch das eine oder andere noch zu sagen. Denn nach 17 Spielen mit 34 Punkten darf man vor der langen WM-Pause dann schon auch mal die Frage aufwerfen, wann es denn an der Zeit wäre, sowohl seinen eigenen als auch den Vertrag von Trainer Tim Walter zu verlängern.

Zur Erinnerung: Beide Arbeitspapiere laufen im kommenden Sommer aus, was vor allem am bisherigen Zögern des Aufsichtsrats liegt. „Ich habe eine ganz klare Meinung zu diesem Thema, und die habe ich auch geäußert“, sagte Boldt, der dann auch kein Problem damit hatte, seine Meinung ein weiteres Mal kundzutun: „Das Trainerthema ist für mich vollkommen klar, das müssen jetzt andere absegnen. Entschieden habe ich es von meiner Seite aus zumindest.“

Werden sich Jansen und Boldt einig?

Der Ball liegt damit im Spielfeld des Kontrollgremiums, dessen Vorsitzender Marcell Jansen angekündigt hatte, sich in der langen Winterpause in Ruhe mit möglichen Vertragsverlängerungen von Walter und Boldt zu beschäftigen.

Walters HSV-Elf kämpft gegen interne Unruhe

Wie sehr die aktuelle Gemengelage an den Nerven der Protagonisten zerrt, konnte man bestens direkt nach dem Schlusspfiff gegen Sandhausen beim emotionsgeladenen Trainer Walter beobachten. Der Coach stürmte in den Kabinentrakt, schrie die pure Freude heraus, schmiss die Wasserflasche in die Ecke und ballte die Hand zur Faust, mit der er gegen die Wand trommelte.

„Die Vorrunde war sehr intensiv. Nicht nur im Bezug auf die Mannschaft, sondern auch, was drum herum so abgelaufen ist“, erklärte Walter später, warum es mit ihm durchging. Was er meinte: Abseits des Spielfelds hatten sich Trainer, Sportvorstand Boldt und Mannschaft vor allem gegen Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld verschworen, aber auch gegen Aufsichtsratschef Jansen, der die bereits im Sommer angekündigten Vertragsverlängerungen immer wieder hinausgezögert hat.

Mit Wüste­feld war Walter im Sommer sogar im Kabinengang aneinandergeraten. Nun die Erleichterung nach dem dramatischen 4:2-Sieg. „Ich war einfach nur glücklich“, sagte Walter. „Das musste alles mal raus.“

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Walter will den HSV wieder „great“ machen

Boldt ist überzeugt vom Walter-Weg – und will diesen auch nach dem gemeinsamen Trip in die USA weitergehen. In Kalifornien will sich das Duo mit dem Rest der Mannschaft und der insgesamt 60 Personen großen Reisegruppe – darunter Chefscout Claus Costa, Finanzdirektor Eric Huwer, das Betreuerteam und Maskottchen Dino Herrmann – auf die WM-Pause, die Rückrunde und vor allem das Ziel Aufstieg einschwören.

Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58

Mit dem Besuch eines Basketballspiels der Los Angeles Lakers gegen die Brooklyn Nets und einem Abstecher zum College-Football soll vor allem das Teambuilding gefördert werden. Will man Walters Auftrag in nur einem Satz zusammenfassen, dann vielleicht so: „Make HSV great again!“