Hamburg. Nach drei Niederlagen mit mindestens drei Gegentoren wird der Ton deutlicher. Wie Sportvorstand Jonas Boldt damit umgeht.

Am Montag ging es im Volksparkstadion um die Zukunft. 15 Delegierte durchleuchteten die Arena und schauten sich die Bedingungen und die Verbesserungspotenziale an. Gemeint sind die Mitarbeiter der Organisationsgesellschaft EURO 2024 GmbH der Uefa, die sich im Laufe der Woche in einzelnen Arbeitsgruppen ein Bild davon machen, was bis zur Europameisterschaft in zwei Jahren im Volkspark passieren muss. Klar ist, dass der HSV noch immer ein Finanzierungskonzept braucht, um die Sanierung des Stadions gewährleisten zu können.

„Das kostet ja auch alles Geld. Geld, das wir teilweise immer noch suchen für andere Sachen“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt nach der 2:3-Niederlage gegen den 1. FC Magdeburg am Sonntagnachmittag und spielte damit an auf die ungeklärte Frage, wie der HSV die Gesamtkosten von rund 23 Millionen Euro bezahlen will.

Boldt sprach in diesem Moment allerdings nicht über die EM-Planungen, sondern über seine Kaderplanung und die Frage, ob der HSV es versäumt habe, im Sommer eine Alternative für Mittelstürmer Robert Glatzel zu verpflichten. „Natürlich haben wir uns damit auseinandergesetzt“, sagte Boldt. „Aber wir wissen, wie schwer es war, Robert zu halten. Man muss immer ein gewisses Risiko gehen.“

HSV News: Walters Worte sind beim Team angekommen

Nie zuvor wurde in dieser Saison so deutlich, wie sehr der HSV auf seinen Topstürmer angewiesen ist, wie am Sonntag gegen Magdeburg. Es war zugleich das erste Ligaspiel überhaupt seit der Glatzel-Verpflichtung im Sommer 2021, in dem der 28-Jährige nicht in der Startelf stand. Dass der HSV bis zu seiner Einwechslung am Sonntag in der 55. Minute aber bereits mit 0:2 zurücklag, hatte weniger mit dem fehlenden Stürmer zu tun als vielmehr mit der fehlenden Einstellung der gesamten Mannschaft.

Trainer Tim Walter kritisierte seine Spieler nach der Partie ungewohnt deutlich und sprach sogar von einem „teilweise kläglichen Versagen“. Worte, die auch in der Mannschaft angekommen sind. Weil er sie genauso auch im Kreis nach dem Spiel gesagt hatte, bestätigte der Trainer am Sky-Mikrofon.

„So aufzutreten ist keine Frage des Systems“

Bis zur Magdeburg-Niederlage hatte sich der Chefcoach immer schützend vor sein Team gestellt. Nun sah der 46-Jährige offenbar den Zeitpunkt gekommen, seine Mannschaft in die Pflicht zu nehmen. Unterstützung bekam Walter von Jonas Boldt. „So aufzutreten ist keine Frage des Systems, sondern der Einstellung und der Bereitschaft“, sagte der Sportvorstand und machte deutlich: „Das sollte uns nicht mehr so oft passieren.“

Boldt weiß, wie schnell es beim HSV unruhig werden kann. Ob er befürchtet, dass nach dem vierten Pflichtspiel ohne Sieg und drei Niederlagen in Folge mit mindestens drei Gegentoren gewisse Personen wieder nervös werden könnten? „Sind sie doch schon“, entgegnete Boldt und legte nach: „Menschen beim HSV sind immer unruhig, wenn du Spiele nicht gewinnst. Das ist einfach so.“ Wie er der aufkommenden Unruhe entgegenwirken will? „Das kann ich seit drei Jahren schon wenig beeinflussen. Ich kann nur so vorangehen, wie ich es immer tue. Das werde ich weiter tun, weil ich davon überzeugt bin.“

Mannschaft muss zur Geschlossenheit zurückfinden

Eine Aussage, die durchaus Einblicke gibt in die aktuelle Situation innerhalb des HSV. Trotz des Rücktritts von Vorstand Thomas Wüstefeld gibt es weiterhin Spannungen. Die drehen sich vor allem um die Ende November anstehende Neubesetzung des Aufsichtsrats der HSV Fußball AG. Erst danach wird das Kontrollgremium darüber entscheiden, wie die künftige Besetzung des Vorstandes, den Boldt aktuell alleine führt, aussehen wird. Erst dann dürfte auch über die Vertragsverlängerung von Trainer Walter entschieden werden, die Boldt zuletzt als „dringendes Thema“ bezeichnet hatte.

Nun muss Boldt aber erst einmal dafür sorgen, dass die Mannschaft wieder zu ihrer Geschlossenheit zurückfindet, die sie in den Wochen rund um die Unruhe um Wüstefeld ausgezeichnet hatte. Dafür stärkt Boldt weiterhin den Trainer, über dessen personelle und taktische Entscheidungen natürlicherweise diskutiert wird, wenn die Ergebnisse ausbleiben und der HSV sich so präsentiert wie in den ersten 55 Minuten gegen Magdeburg. „Das sind die typischen Diskussionen, wenn man Spiele verliert“, sagte Boldt.

Vier Spiele bis zur Winterpause

Noch vier Spiele stehen für den HSV bis zur Winterpause auf dem Programm. Aktuell liegen die Hamburger noch im Soll. 25 Punkte aus 13 Spielen sind fünf mehr als zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Saison. Für Boldt liegt der Schlüssel jetzt in der Schlichtheit des Fußballs. „Wir müssen die Fehler abstellen und wieder zur Basis kommen, die uns am Anfang der Saison stark gemacht hat: dass wir sehr gut als Mannschaft verteidigen und die Null halten.“ Ähnlich sieht es Torhüter Daniel Heuer Fernandes. „Es liegt daran, wie wir das Spiel angegangen sind. Wir müssen defensiv wieder zu unseren Tugenden finden. Wir brauchen die Geilheit, Tore zu verhindern.“ Mittelfeldstratege Jonas Meffert mahnte: „So eine Leistung darf uns nicht noch einmal unterlaufen.“

Für den HSV wird es in den kommenden Wochen aber eben auch darauf ankommen, Toptorjäger Glatzel körperlich wieder in die Spur zu kriegen. Zwei Wochen nach seinem Hexenschuss im Spiel gegen Kaiserslautern macht dem Stürmer der Rücken noch immer zu schaffen. Am Montag trainierte Glatzel gemeinsam mit Tim Leibold individuell. Bis zum Spiel am Sonntag beim Tabellenzweiten SC Paderborn bleibt aber auch noch viel Zeit.

Tom Sanne machte auf sich aufmerksam

Mit U-19-Stürmer Tom Sanne machte zudem ein weiterer Mittelstürmer auf sich aufmerksam. Der 18-Jährige traf am Sonntag bei seinem ersten Profieinsatz nach nur einer Minute. „Ein unbeschreiblich schöner Moment“, schrieb Sanne am Montag auf Instagram. „Das war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber es liegt noch viel Arbeit vor mir.“ Auch Boldt kennt die Qualitäten des 1,70 Meter kleinen Stürmers. „Wir wissen, dass er einen Instinkt für Tore hat. Aber er ist nicht der Stürmertyp Glatzel.“

Sicher ist: Wenn jeder Spieler und Verantwortliche beim HSV die Einstellung und den Fleiß an den Tag legt wie der Juniorennationalspieler aus Niendorf, wird der HSV den Aufstieg schaffen.