Hamburg. Beim 2:3 gegen den 1. FC Magdeburg wachten die Hamburger erst nach der Pause auf. HSV seit vier Pflichtspielen ohne Sieg.
Es war eine Mischung aus Wut, Enttäuschung und Fassungslosigkeit, die sich in den Gesichtern der HSV-Profis nach dem 2:3 (0:1) gegen den 1. FC Magdeburg wiederspiegelte. Die Mannschaft von Trainer Tim Walter (46) blieb auch im vierten Pflichtspiel in Folge ohne Sieg. Daran änderte auch die starke Schlussphase nichts. Vor allem in der ersten Hälfte lieferten die Hamburger eine desolate Vorstellung ab. Die Tore von Ransford Königsdörffer und HSV-Debütant Tom Sanne reichten am Ende nicht.
Während die Spieler nach dem Abpfiff enttäuscht zu Boden sanken, diskutierten Walter und HSV-Sportvorstand Jonas Boldt (40) gestenreich mit Schiedsrichter Harm Osmers, der dem Hamburger Coach in der Schlussphase die Gelbe Karte gegeben hatte.
Doch der Unparteiische, der beim Stand von 1:2 ein Hamburger Tor nach Eingriff des Videoassistenten richtigerweise aberkannt hatte, war wahrlich nicht der Grund, warum die Gastgeber die zweite Liga-Niederlage in Folge kassierten und es so verpassten, Kapital aus den Remis von Paderborn (0:0 in Braunschweig) und Darmstadt (1:1 gegen Kiel) zu schlagen.
Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58
Trotz 31:8 Torschüssen reichte es für das Team von Trainer Walter nicht, den keinesfalls überragenden Abstiegskandidaten zu besiegen. Und genau das machte den Coach rasend. "Wir haben zu viele Fehler in der Defensive gemacht und waren in der Offensive nicht konsequent genug. Wir haben teilweise kläglich versagt in der Offensive. Wer diese Chancen nicht nutzt, kann kein Spiel gewinnen. Das habe ich der Mannschaft genau so im Kreis gesagt. Wenn ich 60 Minuten so fahrig auftrete, kann man nicht gewinnen. So verlierst du Spiele", kritisierte Walter.
Alarmierender Trend: In den vergangenen vier Pflichtspielen kassierte der HSV elf Treffer. Zu viel für einen Aufstiegsfavoriten.
HSV-Stürmer Glatzel zunächst nur auf der Bank
Dabei gab es zumindest halbwegs gute Nachrichten für den HSV vor der Partie. Robert Glatzel (28), der seit einer Woche an Rückenproblemen laboriert, schaffte es zwar in den Kader, allerdings nicht in die Startformation. „Wenn Not am Mann ist, könnte er spielen“, sagte Trainer Walter vor dem Spiel.
Die Partie des HSV gegen Magdeburg im Liveticker zum Nachlesen:
Hieß übersetzt: Glatzel ist nicht bei einhundert Prozent Fitness, aber für ein paar Minuten würde es eben reichen. Neben dem Toptorjäger saß auch Nachwuchshoffnung Tom Sanne (18) auf der Bank. Für Torgefahr von Beginn an sollte Ransford Yeboah Königsdörffer sorgen, der im Sturmzentrum aufgeboten wurde.
Die Blicke waren allerdings auch auf den 18-Jährige William Mikelbrencis gerichtet, der sein Startelfdebüt auf der rechten Abwehrseite feiern durfte. Der Franzose ersetzte Moritz Heyer (28), der an einem Bänderriss im Sprunggelenk leidet. Und Mikelbrencis – so viel sei vorweggenommen – enttäuschte nicht. Auch Anssi Suhonen stand in der Startformation. Der Finne spielte auf der „Achter-Position“ neben Ludovit Reis (21).
Die Bilder zum 2:3 des HSV gegen dem 1. FC Magdeburg
Im Duell der beiden Teams mit dem meisten Ballbesitz – Magdeburg hat 60 Prozent, der HSV 59 Prozent pro Partie – waren es zunächst die Hamburger, die mehr das Spielgerät hatten, ohne allerdings gefährlich zu werden. Magdeburg versteckte sich keineswegs, war mutig, versuchte Fußball zu spielen, und das gelangt in der zehnten Minute richtig gut. Nach einem schlampigen Abspiel von Königsdörffer schalteten die Gäste blitzschnell um. Über Baris Atik kam der Ball zu Mo El Hankouri, der David ganz alt aussehen ließ, und aus spitzem Winkel zur Führung einschießen konnte. Der frühe Schock für den HSV.
Und dieses Gegentor zeigte Wirkung. Die Hamburger fanden überhaupt keinen Zugriff auf die Partie. Trainer Walter hatte vor der Partie gefordert, die Ballverluste im Mittelfeld zu minimieren. Doch genau das war erneut das Problem der Hamburger. Und genau diese fahrige Spielweise sorgte dafür, dass auch im Spiel nach vorne wenig passierte. Torchancen aus dem Spiel heraus? Mangelware für die Gastgeber. Mehr als ein harmloser Freistoß von Mario Vuskovic (23. Minute) sprang nicht heraus.
HSV-Trainer Walter unzufrieden mit erster Halbzeit
Deutlich zielstrebiger wirkte das Team von Ex-HSV-Coach Christian Titz, das es in der 24. Minute verpasste, die Führung zu erhöhen. Atik scheiterte nach starker Einzelaktion an HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes. „Weiter, weiter, weiter“, rief der sichtlich genervte HSV-Trainer Walter rein, aber an dem biederen Auftritt änderte sich bis zur Pause nichts.
Die Hamburger wirkten fahrig, uninspiriert und ohne Tempo in den Aktionen. Magdeburg, die mit einer Viererkette begonnen hatten, stellte im Verlauf der ersten Halbzeit auf Fünferkette um, um so die Außenbahnen noch besser dichtzumachen. Bereits St.-Pauli-Trainer Timo Schultz hatte beim Derbysieg diese Taktik gewählt und den HSV damit vor große Probleme gestellt.
Auch gegen Magdeburg fanden Walter und sein Team zunächst keine Lösungen gegen den Kniff des Gästetrainers. Obwohl der HSV zwischenzeitlich 70 Prozent Ballbesitz hatte und etwas lebendiger wurde zum Ende der ersten Hälfte, gab es zur Halbzeit deutlich hörbare Pfiffe von den Rängen. "Die Niederlage haben wir uns selbst zuzuschreiben. In der ersten Halbzeit haben wir sehr schlecht gespielt", so Königsdörffer.
Nach dem Seitenwechsel stieg die Laune der Anhänger nicht. Im Gegenteil. Einen mustergültigen Konter über Herbert Bockhorn und Cristiano Piccini veredelte der ganz starke Baris Atik in der 51. Minute unhaltbar zum 2:0. Der Videoschiedsrichter Sören Storks überprüfte zwar eine Abseitsstellung des Magdeburgers, doch alles war korrekt.
Und wie reagierte der HSV? Mit einem Dreifachwechsel in der 55. Minute. Xavier Amaechi, Laszlo Bénes und Robert Glatzel sollten für die Wende sorgen. Und diese Wechsel sorgten für merkliche Belebung.
Dreifachwechsel von Walter hauchte HSV neues Leben ein
Nur drei Minuten später traf der bis dahin schwache Königsdörffer nach schöner Vorarbeit von Ludovit Reis zum 1:2. Durch den Anschlusstreffer war plötzlich auch das stille Publikum wieder im Spiel. Das Momentum war komplett auf der Seite der Hamburger und die Magdeburger zeigten, warum ihre Abwehr als die schlechteste der Liga gilt. In der 63. Minute schien es so, als hätten die Hamburger die Partie ausgeglichen.
Nach einem Schuss von Glatzel faustete Keeper Dominik Reimann seinen eigenen Mitspieler Silas Gnaka an, von dem Verteidiger aus trudelte der Ball über die Linie. Doch Königsdörffer stand in der Entstehung der Szene im Abseits. Das Tor wurde vom Videoassistenten folgerichtig aberkannt.
Der HSV ließ sich davon zunächst nicht schocken. Mit dem neuen Personal rannten die Gastgeber mit Wucht an. Magdeburg hatte große Schwierigkeiten, die Räume vor der Abwehrkette zu schließen. Das spielte den Hamburgern in die Karten. Nach dem Dreifachwechsel hatten die Hamburger zwischenzeitlich 11:1 Torschüsse, doch weder Königsdörffer (76.) noch die eingewechselten Amaechi (77.) und Glatzel (86.) brachten den Ball über die Linie.
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Und die Zeit lief gegen die Hamburger. Angriffswelle folgte auf Angriffswelle, doch mit Glück, Wille und Leidenschaft stemmte sich Magdeburg gegen den Druck des HSV.
Entlastung gab es kaum, doch ein Konter sorgte für die Entscheidung. Zunächst konnte Heuer Fernandes in der 88. Minute noch gegen Connor Krempicki retten. Gegen den folgenden Schuss des eingewechselten Julian Rieckmann war der HSV-Keeper aber machtlos. 3:1 für den Abstiegskandidaten. Die Entscheidung im Volkspark? Mitnichten. Der eingewechselte HSV-Debütant Tom Sanne (18) erzielte mit seiner zweiten Ballberührung per Kopf das 2:3.
Doch es wurde noch verrückter. Erst wurde ein Kopfball von Vuskovic auf der Linie gerettet (90.+5), anschließend köpfte Reis nach toller Flanke von Sanne aus kurzer Distanz an die Latte (90.+6). Schluss, Aus! Das Ende einer irren Partie. "Das ist Scheiße im Moment. Wir haben nicht das Glück und machen zu viele Fehler. Das ist nicht unser Anspruch. Wir waren mit dem Fokus nicht von Beginn an auf der Höhe", kritisierte Walter.
Diesen Fehler sollte man in der kommenden Woche nicht machen. Dann wartet das Spitzenspiel beim SC Paderborn.
Schema:
- HSV: Heuer Fernandes – Mikelbrencis (55. Amaechi), David, Vuskovic, Muheim – Meffert – Reis, Suhonen (55. Glatzel) – Kittel (90.+2 Sanne), Königsdörffer, Dompé (55. Bénes)
- 1. FC Magdeburg: Reimann – Bockhorn, Piccini, Gnaka, Bell Bell – Müller (83. Condé), Elfadli, Krempicki – El Hankouri (60. Schuler), Kwarteng (70. Rieckmann), Atik (83. Brünker)
- Schiedsrichter: Osmers (Hannover)
- Videoschiedsrichter (VAR): Emmer (Thursmansbang)
- Tore: 0:1 El Hankouri (11. Minute), 0:2 Atik (51.), 1:2 Königsdörffer (58.)., 1:3 Rieckmann (88.), 2:3 Sanne (90.+3).
- Gelbe Karten: Vuskovic (3) - Bell Bell (3), Schuler (2)
- Ecken: 11:1
- Ballbesitz: 65:35 %
- Zweikämpfe: 120:105
- Zuschauer: 55.304