Hamburg. In der Alexander-Otto-Akademie trafen Aufsichtsrat und Vorstand aufeinander. So geht es mit Interimsvorstand Wüstefeld weiter.

Das Eintreffen der zerstrittenen HSV-Vorstände hätte am Freitagabend passender kaum sein können. Um 17.55 Uhr kamen Jonas Boldt und Thomas Wüstefeld gleichzeitig in der Alexander-Otto-Akademie auf dem HSV-Campus an, wählten aber unterschiedliche Eingänge. Während Sportvorstand Boldt fast unbemerkt über den Hintereingang zur Aufsichtsratssitzung der HSV Fußball AG ging, kam Wüstefeld mit einer Aktentasche durch den Haupteingang spaziert und wurde direkt von einem TV-Team empfangen.

Drei Minuten zuvor waren bereits Aufsichtsratschef Marcell Jansen und Vizepräsident Michael Papenfuß eingetroffen. Auch Andreas Peters war anwesend, während sich die weiteren Aufsichtsräte Markus Frömming, Detlef Dinsel, Lena Schrum und Hans-Walter Peters digital zuschalteten.

HSV-Machtkampf: Der große Knall um Wüstefeld blieb aus

Nach rund vier Stunden war die Sitzung beendet. Anders als erwartet kam es nicht zum großen Knall. Im Gegenteil. Der Abwahlantrag gegen Wüstefeld wurde zurückgezogen. Der 53-Jährige darf bleiben. „Der Vorstand hat uns schlüssige Zahlen und Planungen vorgestellt. Unser Gremium hat der Budgetplanung einstimmig zugestimmt“, sagte Jansen nach der Versammlung und ergänzte: „Es gibt Raum für Transfermöglichkeiten.“ Jansen zeigte sich zufrieden. „Wir sind einen Schritt weitergekommen. Es war eine gute Sitzung. Nun freuen wir uns auf das Spiel unserer Profis bei Arminia Bielefeld“, so Jansen

Am Tag zuvor hatte Investor Klaus-Michael Kühne (85) den Druck auf den Aufsichtsrat deutlich erhöht, indem er ein Zehn-Punkte-Programm zur Sanierung der HSV Fußball AG veröffentlichte. Kühne will dem Club 120 Millionen Euro zur Verfügung stellen, stellte aber gleichzeitig mehrere Bedingungen. Der Milliardär will eine neue Gremienstruktur aufbauen, selbst die Kosten für die Sanierung des Volksparkstadions übernehmen und die Arena für zehn Jahre in Uwe-Seeler-Stadion umbenennen.

Ein klares Signal auch an Wüstefeld, der zuvor juristische Schritte gegen die Kühne Holding AG eingeleitet hatte, weil er sich im Zuge des Anteilskaufs im vergangenen Jahr getäuscht fühlte. „Herrn Kühnes Vorschlag werden wir auf jeden Fall auch besprechen“, sagte Wüstefeld am Freitag vor der Sitzung, wünschte einen schönen Abend und verschwand in der Nachwuchsakademie.

HSV muss Sanierung des Volksparkstadions finanzieren

Der Interimsvorstand stellte dem Gremium seinen eigenen Finanzierungsplan für die Sanierung des Volksparkstadions vor. Ein Konzept, das Wüstefeld in den vergangenen Tagen finalisiert hatte. Der Vorstand kämpfte bis zuletzt mit einem Dreisäulenmodell um die Mehrheit im Aufsichtsrat. Die ersten zwei Säulen seines Modells wollte der Unternehmer dem Gremium am Freitagabend präsentieren.

Im ersten Säulenschritt ging es nach Abendblatt-Informationen um eine Fremdfinanzierung für die Sanierungskosten der Beschallungsanlage und des Flutlichts (8 bis 9 Millionen Euro) und der maroden Dachmembran (10 Millionen Euro). Zudem sollen von dem Investitionsvolumen über insgesamt 22 Millionen Euro auch die von der Uefa vorgeschriebenen zusätzlichen Sanitäranlagen gebaut werden. Mit der zweiten Säule sollte dann das Thema Klimatechnik finanziert werden. Bei Säule drei geht es um ein Großprojekt, das den Räten aber noch nicht vorgestellt wurde.

Ist dieser HSV noch zu retten?

Viele Rettungspläne für den HSV, doch die Frage bleibt auch nach der Sitzung am Freitagabend: Ist dieser HSV noch zu retten? Die Probleme werden zumindest nicht kleiner. Die Probleme zwischen Wüstefeld und Boldt dürften in jedem Fall nicht ausgeräumt sein. Und Jansen? Der Vorsitzende des Kon­trollgremiums war bislang der größte Fürsprecher von Wüstefeld, den er vor einem Jahr zum HSV geholt hatte. Der Aufsichtsrat wird trotz der zurückgezogenen Abstimmung über Wüstefeld gespalten bleiben. Neue Machtkämpfe sind in dieser Konstellation programmiert.

Jansen hatte seinem Kollegen Hans-Walter Peters zuvor das Vertrauen entzogen (Abendblatt berichtete). Dabei hatte der 36-Jährige Peters vor neun Monaten noch selbst für den Aufsichtsrat gewinnen können. Damals gab es bereits Warnungen, dass Peters eine große Nähe zu Kühne habe. Doch Jansen, der sich selbst lange der Unterstützung des Investors sicher sein konnte, wollte die wirtschaftliche Expertise des Finanzfachmanns unbedingt für den HSV einbringen.

Das Misstrauen hatte Jansen dem Banker nach Abendblatt-Informationen schon deutlich vor dem jüngsten Streit zwischen Wüstefeld und Kühne ausgesprochen, nachdem Vizepräsident Papenfuß im Finanzausschuss des Aufsichtsrats, den er zusammen mit Peters bildet, offenbar nicht auf einer Linie funkte.

HSV: In einem Punkt herrscht Einigkeit

Klar ist seit Freitag nur, dass der Kader noch verstärkt wird. Nach dem Wechsel von Amadou Onana von OSC Lille zum FC Everton, der dem HSV rund 6 Millionen Euro bringt, verdient der HSV auch durch den Verkauf von Filip Kostic von Eintracht Frankfurt zu Juventus Turin noch einen sechsstelligen Betrag. Der Kostic-Transfer für rund 14 Millionen Euro wurde am Freitag offiziell. Der Serbe war selbst für 14 Millionen 2016 vom VfB Stuttgart zum HSV gekommen – finanziert von Klaus-Michael Kühne.

Kostic konnte sein Potenzial in Hamburg aber nicht abrufen, genauso wie viele andere Spieler, die viel Geld kosteten. Daran sollte man sich beim HSV erinnern, wenn der Club im nächsten Schritt über den 120-Millionen-Plan von Kühne diskutiert. Der Investor schrieb dazu: „Wir möchten insbesondere die Nachhaltigkeit in der Entwicklung des HSV absichern und den soliden Grundstein für den schon lange angestrebten sportlichen Erfolg legen.“ Zumindest in diesem Punkt herrscht beim HSV auf allen Ebenen Einigkeit.