Bayreuth/Hamburg. Die HSV-Aufsichtsräte intensivieren die Gespräche mit den zerstrittenen Vorständen Boldt und Wüstefeld. Mutzel vor fristloser Entlassung.

Jonas Boldt und Thomas Wüstefeld hatten es am Sonnabend direkt nach dem Schlusspfiff in Bayreuth eilig. Weil sich ihre Mannschaft den 30-minütigen Zuschlag der Verlängerung gönnte, war den beiden Vorständen des HSV schnell klar, dass sie den letzten Zug im nahe gelegenen Bamberg nach Hamburg nicht mehr erwischen würden. Doch Not macht ja bekannterweise erfinderisch.

Und so düsten die beiden HSV-Verantwortlichen mit Eric Huwer (Unit Leader Finanzen) mit dem Auto die 200 Kilometer von Bayreuth nach Leipzig – wo sie gerade eben noch den zu spät eintreffenden letzten ICE 594 in Richtung Heimat erwischten und nach einem Kurzaufenthalt in Berlin weit nach Mitternacht in Hamburg ankamen. Zumindest auf die Verspätung der Deutschen Bahn ist eben Verlass.

Welche HSV-Räte gegen Wüstefeld sind

Wer nun aber dachte, dass die gemeinsame, fast sechsstündige Rückreise ein gutes Zeichen sein könnte, dass sich die zerstrittenen Vorstände doch noch einmal zusammenraufen würden, der irrte. Nach Abendblatt-Informationen ist das Verhältnis der beiden HSV-Entscheider irreparabel gestört – und dürfte bereits in den kommenden Tagen zu einem ziemlich schmutzigen (und möglicherweise auch juristischen) „Es kann nur einen geben“-Endspiel führen.

Auch innerhalb des HSV-Aufsichtsrats sind die verhärteten Fronten längst bekannt und haben nach dem langen Versuch des Aussitzens nun zu ersten Aktivitäten geführt. So soll Vorstand Wüstefeld bereits am Sonntag von Chefkontrolleur Marcell Jansen und dessen designiertem Nachfolger Detlef Dinsel befragt worden sein. Zudem soll es in den kommenden Tagen ein Sechsaugengespräch mit Sportvorstand Boldt, Dinsel und Jansens Präsidiumskollege Michael Papenfuß geben.

Innerhalb des siebenköpfigen Kontrollgremiums, das mittlerweile genauso uneins wie die Vorstandsebene ist, soll der 12. August als möglicher Tag für eine entscheidende Aufsichtsratssitzung ins Auge gefasst werden. Während die Kontrolleure Hans-Walter Peters, Markus Frömming und wohl auch Lena Schrum ein vorzeitiges Ende der Vorstandstätigkeit Thomas Wüstefelds beim HSV befürworten sollen, arbeiten dem Vernehmen nach Jansen, Papenfuß und Dinsel an dem genauen Gegenteil. Es könnte also auf die Stimme von Aufsichtsratsurgestein An­dreas Peters hinauslaufen. Offiziell äußern wollte sich aber keiner der Räte.

HSV-Machtkampf: Greift Wüstefeld in die Trickkiste?

Wie das Abendblatt trotzdem erfuhr, gibt es im Wüstefeld-Lager sogar einen Geheimplan, sollte sich bis zu einer Aufsichtsratssitzung keine Mehrheit gegen Boldt ergeben. Dann könnte eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werden, auf der Kontrolleure mit sofortiger Wirkung abberufen werden (und so nicht mehr mitabstimmen könnten).

Auf so einer Hauptversammlung hätte der HSV e.V. als Hauptanteilseigner (mit Präsident Jansen und Vize Michael Papenfuß als Vertreter) auch die theoretische Möglichkeit, alle anderen Anteilseigner zu überstimmen. Einberufen werden könnte diese Hauptversammlung sowohl durch Jansen als auch durch Wüstefeld.

HSV-Machtkampf: Was Boldt Wüstefeld vorwirft

Einer der vielen Streitpunkte zwischen Wüstefeld und Boldt: Bei der Arbeitsgerichtsverhandlung mit dem freigestellten Sportdirektor Michael Mutzel in der vergangenen Woche soll Wüstefeld eine zugesagte eidesstattliche Aussage, die ein Fehlverhalten Mutzels bewiesen hätte, kurzfristig wieder zurückgezogen haben. Dadurch sah Boldt vor Gericht entsprechend schlecht aus. Nun soll Mutzel, der immer offenkundiger ein Bauernopfer der Vorstandsauseinandersetzung ist, trotz des gewonnenen Prozesses noch in dieser Woche vor einer fristlosen Entlassung stehen. Ob in diesem Fall neben Boldt auch Wüs­te­feld aussagen müsste, bleibt unsicher.

Ziemlich sicher ist nur eines: Der HSV-Streit dürfte – so oder so – bereits in den kommenden Tagen eskalieren.