Hamburg. Der Streit im HSV-Vorstand könnte den Sport beeinflussen. Club soll Angebot für Dompé abgegeben haben. Hapag-Lloyd neuer Partner.

Als Tim Walter am Donnerstagnachmittag den Presseraum des Volksparkstadions verließ, fasste er das aktuelle Geschehen rund um den HSV noch einmal in einem kurzen Satz zusammen. „Es geht hier halt nicht um Fußball“, sagte Walter, nachdem er zuvor zwölf Minuten lang über seinen Club gesprochen hatte. Es war die Pressekonferenz zwei Tage vor dem DFB-Pokalspiel beim Drittliga-Aufsteiger SpVgg Bayreuth am Sonnabend (15.30 Uhr). Doch um den Sport ging es am Donnerstag in dem Gespräch mit dem Fußballlehrer weniger.

Der Vorstandsstreit zwischen Jonas Boldt und Thomas Wüstefeld ist spätestens seit Dienstag wieder das große Thema. Vor dem Arbeitsgericht wurden im Fall des freigestellten Sportdirektors Michael Mutzel viele Details der Differenzen in der HSV-Führung bekannt.

HSV-Zoff Walter vs. Wüstefeld schon länger her

Am Donnerstag veröffentlichte die „Bild“-Zeitung zudem Vorgänge aus dem Innenleben des Clubs, in die auch Trainer Walter verwickelt war. So habe es zwischen dem Chefcoach und Vorstand Wüstefeld im Kabinentrakt gekracht. Der Trainer machte dem Manager deutlich, dass er bei der Mannschaft unerwünscht sei. Ein Vorfall, der dem Abendblatt bestätigt wurde, der sich aber bereits vor zwei Wochen vor dem Spiel in Braunschweig abgespielt habe.

Auslöser für den Konflikt war das Thema der Versteuerung von VIP-Karten. Spielern und Mitgliedern des Staffs wurde kürzlich der zu versteuernde Anteil für die Familienkarten vom Gehalt abgezogen. Es geht um Beträge von 2000 bis 3000 Euro pro Spieler pro Saison. Als es im Frühjahr vor dem Heimspiel gegen Werder Bremen erhöhte Nachfrage für die Familienkarten gegeben habe, die das normale Kontingent von zwei Karten pro Spieler überstiegen habe, sei das Thema erstmals in der Vorstandssitzung besprochen worden.

Offenbar fühlten sich weder Boldt noch Wüstefeld an dieser Stelle verantwortlich für die weitere Kommunikation. In jedem Fall sollen die Spieler überrascht gewesen sein, als das Geld dann von ihren Gehältern abgezogen wurde.

Läuten beim HSV-Aufsichtsrat die Alarmglocken?

Damit ist das passiert, was die Verantwortlichen gerne verhindert hätten: Der schwelende Streit auf der Geschäftsstelle kommt in der Kabine an. Bislang dürfte es die Spieler nicht sonderlich interessiert haben, ob Wüstefeld nicht mit Boldt kann oder Boldt nicht mit Aufsichtsratschef Marcell Jansen. Wenn der Konflikt sich aber auf die Stimmung in der Mannschaft auswirkt, sollten insbesondere im Kon­trollgremium die Alarmglocken läuten.

Stürmer Robert Glatzel hatte am Mittwoch betont, dass Probleme im Vorstand die Spieler nicht interessieren würden. Trainer Walter reagierte am Donnerstag aber genervt auf die Frage, ob die Störgeräusche Einfluss auf den Sport nehmen könnten. „Momentan betrifft es die Mannschaft nicht. Da passiert nur das, was ich sage“, meinte der 46-Jährige.

HSV-Zoff: Walter bildet Bündnis mit Boldt

Walter machte deutlich, dass die positive Stimmung vor der Saison vor allem ein Verdienst seiner Mannschaft und des Trainerstabs war. „Wir haben in der vergangenen Saison sehr gute Spiele gemacht, um in der Stadt eine Euphorie um den Verein auszulösen. Deshalb haben wir 23.000 Dauerkarten für diese Saison verkauft. Das war ein Verdienst des Sports und ein Verdienst meiner Mannschaft“, sagte Walter. Eine Aussage, die vor allem an Wüste­feld gerichtet sein dürfte.

Dass Walter mit Sportvorstand Jonas Boldt ein enges Verhältnis pflegt, ist bekannt. Zusammen versuchen die beiden, ein starkes Bündnis in diesem sich zuspitzenden Machtkampf im Volksparkstadion zu bilden. „Wir heißen nicht umsonst Hamburger Sportverein. Darum sollte sich das Ganze auch um den Sport drehen. Das ist meine Aufgabe, und alles andere ist nicht meine Aufgabe. Darum konzentriere ich mich auf den Sport“, sagte Walter und verteilte noch einen weiteren Seitenhieb: „So wie es alle machen sollten.“

Dompé zum HSV? Aber mit welchem Geld?

Doch in der HSV-Führung macht aktuell jeder sein eigenes Ding. „Es scheint dort Themen zu geben, und die werden wir sachlich aufarbeiten“, sagte Aufsichtsratschef Marcell Jansen am Mittwochabend. „Mein Appell: Es muss dabei immer um den HSV gehen.“ Reagiert hat das Kontrollgremium bislang nicht. Weitere Gespräche sollen folgen. Wie der Streit ausgeht, ist aktuell noch völlig offen.

Derzeit arbeiten Boldt und Wüstefeld in ihren Zuständigkeitsbereichen unabhängig voneinander. Damit haben sie ohnehin genug zu tun. Boldt will den Kader weiter verstärken und braucht dafür Geld. In belgischen Medien wurde berichtet, dass die Hamburger ein neues Angebot für den französischen Flügelstürmer Jean-Luc Dompé (26) von SV Zulte Waregem abgegeben haben, das bei 1,5 Millionen Euro Ablöse liegen soll. Geld, das dem Club eigentlich nicht zur Verfügung steht.

1,70 Meter mit Herz: Linksaußen Jean-Luc Dompé ist ein Thema beim HSV.
1,70 Meter mit Herz: Linksaußen Jean-Luc Dompé ist ein Thema beim HSV. © Imago / Belga

HSV holt Hapag-Lloyd ins Boot

Interimsvorstand Wüstefeld, der alle Themen abseits des Sports verantwortet, versucht weiterhin, neue Geldquellen zu erschließen. So hat der Vorstand mit dem Hamburger Traditionsunternehmen Hapag-Lloyd einen neuen Sponsor an Land gezogen. Offiziell kommuniziert worden ist diese Partnerschaft allerdings nicht. Die Logistikfirma hatte vor einem Jahr bereits eine Partnerschaft mit den HSV-Handballern abgeschlossen.

Dass Boldt und Wüstefeld künftig weiterhin als Vorstandspartner für den HSV arbeiten, erscheint dagegen immer unwahrscheinlicher. Zu groß sind die gegenseitigen Vorwürfe und die Risse im Vertrauensverhältnis. Während Boldt noch bis Sommer 2023 unter Vertrag steht, endet die Entsendung von Wüstefeld in den Vorstand Ende des Jahres. Dann würde der 53-Jährige theoretisch wieder in den Aufsichtsrat zurückkehren.

Doch so lange sollte das aktuelle Kon­trollgremium nicht mit einer Entscheidung warten, wie es mit den zerstrittenen Vorständen weitergeht. Noch hat der Club die Chance, den Fokus im Volkspark wieder auf den Sport zu legen. Je länger er mit einer Entscheidung zögert, desto mehr riskiert er, dass der Vorfall um die VIP-Karten nicht der letzte gewesen ist, der die Kabine betrifft.