Hamburg. Beim frechen Drittliga-Aufsteiger SpVgg Bayreuth müssen die Hamburger beim 3:1 in die Verlängerung. Joker Königsdörffer trifft doppelt.

Um 18.03 Uhr atmete Tim Walter ganz tief durch. Der Trainer des HSV war sichtlich erleichtert, dass seine Mannschaft die erste Runde im DFB-Pokal irgendwie gemeistert hat. Einen Platz in der HSV-Geschichte wird das 3:1 (0:1, 1:1) nach Verlängerung gegen den Drittligaaufsteiger Spielvereinigung Bayreuth nicht bekommen, im Angesicht der Führungskrise um das Vorstandsduo Thomas Wüstefeld und Jonas Boldt und der zu kippen drohenden Gesamtstimmung war der Sieg, der durch die Treffer von Ransford Königsdörffer, dem ein Doppelpack gelang, und Sebastian Schonlau möglich wurde, elementar wichtig.

HSV-Coach Walter kritisiert Profis

"Der Gegner hat es gut gemacht. Wir haben es in der ersten Hälfte aber auch einfach nicht hingekriegt. Es war wie beim Handball, wir haben immer um den Kreis herum gespielt. Das war die schlechteste Leistung seit ich hier beim HSV bin", kritisierte Walter den ersten Durchgang erfrischend deutlich.

Doch der HSV-Trainer wäre nicht er selbst, wenn er nicht auch lobende Worte finden würd. "Dieses Spiel in der zweiten Halbzeit und der Verlängerung noch zu drehen, zeugt auch von Charakter. Den haben meine Jungs gezeigt. Der Gegner hat alles reingeworfen, hat uns das Leben richtig schwer gemacht. Kompliment an Bayreuth und meinen Kollegen Thomas Kleine. Ich bin einfach froh, dass wir eine Runde weiter sind."

Durch das Weiterkommen können sich die Hamburger auf zusätzliche 418.494 Euro für das Erreichen der zweiten Runde zuzüglich der Hälfte der Zuschauereinnahmen freuen. Für die Handlungsfähigkeit auf dem Transfermarkt ist dieser Pflichterfolg nicht unerheblich."Wir hatten zu Beginn unsere Probleme, haben nicht gut verteidigt. Wir müssen auf der Leistung nach der ersten Halbzeit aufbauen. Am Ende zählt aber in erster Linie, dass wir das Ding heute gezogen haben", analysierte Torschütze Schonlau.

HSV-Trainer Walter setzt Königsdörffer auf die Bank

Ein frühes Aus im Pokal wäre für die Hamburger in mehrfacher Hinsicht ein Gau gewesen. Finanziell ist der HSV auf jeden Cent angewiesen und auch sportlich hätte ein Ausscheiden gegen einen unterklassigen Gegner für eine weitere Verschärfung der negativen Grundstimmung gesorgt.

Nach dem enttäuschenden 0:1 gegen Hansa Rostock in der Liga vor einer Woche reagierte Trainer Walter und setze den in den ersten Saisonspielen schwachen Neuzugang Ransford Königsdörffer auf die Bank. Für ihn feierte Filip Bilbija seine Startelf-Premiere in einem Pflichtspiel beim HSV.

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Für die Bayreuther war es das Spiel des Jahres. Seit Tagen war in der Stadt eine echte Euphorie zu erkennen. Vor der Partie hatten sich die Drittligakicker durchaus etwas gegen die Hamburger ausgerechnet. Von Beginn an war es das erwartete Geduldsspiel für das Walter-Team. Bayreuth überließ dem HSV den Ball und konzentrierte sich auf eine gute Grundordnung in der Defensive. Es dauerte bis zur 12. Minute, bis die Gäste, die in ihrem neuen Auswärtstrikot aufliefen, erstmals halbwegs gefährlich vor dem Tor auftauchte. Nach einer Flanke von Jonas Meffert flog die Direktabnahme von Robert Glatzel aber weit über das Tor.

Hemmerich schockt HSV per Freistoß

Deutlich effizienter präsentierte sich der Underdog. Ein von Luke Hemmerich getretener Freistoß aus 20 Metern wurde in der 17. Minute von Bilbija unglücklich abgefälscht. Das 0:1, dem eine ungeschickte Aktion von Laszlo Bénes vorausging. Der Neuzugang ging völlig ohne Not mit hohem Bein in den Gegenspieler, sodass der indirekte Freistoß die logische Konsequenz war. Ein folgenschwerer Fauxpas von Bénes und der frühe Schock für die Hamburger.

In der Folge änderte sich nichts am Spielverlauf. Der HSV rannte an, ohne allerdings Tiefe und Kreativität in sein Spiel zu bekommen. Bayreuth setzte auf viele Zweikämpfe und schnelles Umschaltspiel. Mehr als ein harmloser Distanzschuss von Jonas Meffert (23.) kam bei den Offensivbemühungen des HSV zunächst nicht heraus.

Kittel und Bénes ohne Akzente in der Offensive

Wie schon in den ersten beiden Ligaspielen gegen Braunschweig und Rostock fehlte es an Esprit, Tempoverschärfung und Überraschungsmomente. Von den Kreativspielern Sonny Kittel und Laszlo Bénes war nichts zu sehen. Das Spiel lief komplett am Duo vorbei. Bezeichnend war eine Szene in der 31. Minute, als Mario Vuskovic aus 26 Metern aufs Tor weit vorbeischoss und Kittel genervt abwinkte.

Defensivspieler Moritz Heyer hatte in der 38. Minute die größte Chance der Hamburger, als er nach einer Freistoßflanke von Bénes am zweiten Pfosten volley auf den Kasten brachte, doch an Keeper Sebastian Kolbe scheiterte.

Die gefährlichere Mannschaft blieb aber der Drittligaclub. Nachdem HSV-Kapitän Sebastian Schonlau und Linksverteidiger Miro Muheim Flankengeber Hemmerich halbherzig attackierten, kam im Zentrum Alexander Nollenberger frei zum Kopfball, den HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes gerade noch so über die Latte lenken konnte. So gingen die Hamburger mit einem verdienten 0:1-Rückstand in die Kabine.

HSV-Trainer reagierte mit Doppelwechsel

Zur zweiten Halbzeit reagierte Walter auf den erneut uninspirierten Auftritt seiner Mannschaft. Für die schwachen Bilbija und Bénes kamen Ogechicka Heil und Ransford Königsdörffer in die Partie. In der Folge wurde es etwas besser bei den Hamburgern, die in der 59. Minute den Ausgleich hätten machen müssen.

Nach einer schönen Flanke von Robert Glatzel stand Königsdörffer sieben Meter vor dem Tor, doch sein Kopfball landete an der Latte. Nur eine Minute später scheiterte Glatzel aus guter Position am aufmerksamen Bayreuther Keeper Kolbe. Aber nach rund 60 Minuten schien der HSV im Spiel angekommen zu sein.

Die Nadelstiche der Gastgeber wurden immer weniger, der HSV verlagerte die Partie zunehmend in die Hälfte der Franken. Doch den Hamburgern lief die Zeit weg. Und das Walter-Team hatte Glück. Der eingewechselte Stefan Maderer köpfte völlig frei am Tor vorbei. Das zweite Gegentore wäre wohl der K.-o. gewesen.

Königsdörffer zeigte Joker-Qualitäten

So blieb der HSV im Spiel und belohnte sich in der 83. Minute mit dem Ausgleich. Nach einer Vorlage des eingewechselten Maximilian Rohr stand Königsdörffer frei vor dem Tor und blieb dieses Mal mit dem Fuß eiskalt. Der verdiente Ausgleich für die Hamburger, die noch in der regulären Spielzeit auf den Sieg drängten. Doch das wollte nicht gelingen.

In der Verlängerung wollten die Hamburger die schnelle Entscheidung. Erst scheiterte Glatzel in der 91. Minute ebenso mit seinem Kopfball an Kolbe, eine Minute später war es Kittel per Distanzschuss. Den Abwehrriegel brach aber letztlich der Kapitän. Nach einer Ecke kam Sebastian Schonlau aus sieben Metern zum Schuss, der flach direkt neben dem Pfosten einschlug.

Bei den Gastgebern schwanden zunehmend die Kräfte, was dem Walter-Team in die Karten spielte. In der zweiten Hälfte der Verlängerung verpassten es die Hamburger, den Deckel endgültig draufzumachen. Kittel verpasste es in gleich doppelt, die Partie zu entscheiden (107./108.). Für die endgültige Entscheidung sorgte Doppelpacker Königsdörffer, der aus abseitsverdächtiger Position nach schöner Vorlage von Glatzel das 3:1 erzielen konnte. "Ich bin froh, dass wir weitergekommen sind und ich mein Debüttor für den HSV erzielen konnte. Zwei Tore sind mir bisher nur einmal gegen den KSC gelungen", sagte Königsdörffer.

Der von Dynamo Dresden verpflichtete Stürmer saß nach zwei Startelfeinsätzen erstmals auf der Bank: "Eine kleine Enttäuschung ist immer dabei, aber andere haben es sich auch verdient, zu spielen. Ich wollte viel Schwung reinbringen, wir haben dann mit einer Doppelspitze gespielt. Das hat mit Robert Glatzel viel Spaß gebracht", sagte der Matchwinner, der auch noch sein großes Herz bewies.

Eigentlich wollte Königsdörffer sein Trikot, in dem er sein erstes Tor für den HSV erzielt hat, nicht weggeben. "Aber ich habe es an eine Kinderstiftung hier in Bayreuth gespendet", erklärte der Offensivspieler.

Der Platzverweis von Bayreuths Alexander Groiß in der 114. Minute nach einem rüden Einsteigen gegen Maximilian Rohr war der Schlusspunkt einer Partie, die dafür sorgen dürfte, dass zumindest auf dem Platz wieder etwas Ruhe beim HSV einkehren dürfte. "Das Weiterkommen ist das Wichtigste, aber das war hart erkämpft. Wir können mit dem Auftritt in der ersten Hälfte nicht zufrieden sein, auch wenn wir danach deutlich besser waren", erklärte Torhüter Heuer Fernandes.

Schema:

  • Bayreuth: Kolbe – Hemmerich, Weber, Schwarz, Lippert – Groiß, Kirsch (100. Ziereis), Andermatt (70. Zejnullahu) – Nollenberger (70. Maderer), Heinrich (96. Götz) – Steininger (70. Stockinger).
  • HSV: Heuer Fernandes – Heyer (77. Opoku), Schonlau, Vuskovic, Muheim – Meffert – Benes (46. Heil, 116. David), Reis (70. Rohr) – Bilbija (46. Königsdörffer), Kittel – Glatzel.
  • Schiedsrichter: Michael Bacher (München).
  • Tore: 1:0 Hemmerich (17.), 1:1 Königsdörffer (83.), 2:1 Schonlau (97.), 3:1 Königsdörffer (111.).
  • Gelbe Karten: Steininger, Andermatt, Weber, Kolbe - Schonlau, Muheim
  • Gelb-Rot: Groiß (112., Bayreuth, wiederholtes Foulspiel)
  • Zuschauer: 14.700 (ausverkauft)